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Titelblatte sagt: zu wiederholten Malen von seiner Hoheit Dienern in der Stadt London, sowie auch an den zwei Universitäten zu Orford und Cambridge und anderwärts aufgeführt worden ist? Diese Frage würde kaum ein großes Besinnen erfordern, wenn nicht durch den Ausdruck, daß dieses Stück von S. Hoheit Dienern wiederholt aufgeführt worden sei, eine Bedenklichkeit erregt werden könnte. Denn diese Benennung (S. H. D.) kann auf die Schauspielergesellschaft, der Shakspere angehörte, erst nach der Thronbesteigung Jakob d. I. angewendet werden und da diese erst vor Kurzem (1603) Statt gefunden hatte, so könnte man daraus schließen wollen, es werde auf eine Aufführung kurz vor diesem Drucke hingedeutet. Wäre es aber gegründet, daß zu dieser Zeit schon die vollständigere Ausarbeitung eristirt habe, so würde man dieß kaum für glaubhaft halten und in diesem Falle sich in dem Dilemma befinden, entweder diese Angabe des Druckers für eine Unwahrheit ansehn oder sich Colliers Meinung in so weit anschließen zu müssen, daß diesem Drucke dennoch die letzte Bearbeitung zu Grunde liegen könne. Hier ist es daher, wo ich mir erlauben muß auf eine Auslegung hinzudeuten, die ich zwar für möglich halte, doch nicht als Behauptung vertheidigen möchte, so bald mir ein besserer Ausweg nachgewiesen. wird. Von der im Jahre 1602 schon gemachten Ankündigung eines Buchhändlers Namens James Roberts, die Tragödie Hamlet herausgeben zu wollen, ist bereits die Rede gewesen. Hieraus geht mindestens so viel hervor, daß ein Buchhändler glaubte mit diesem Druck ein Geschäft machen zu können. Die Tragödie Hamlet muß also in dieser Zeit schon beliebt gewesen sein und ich möchte glauben, daß dieß die Wirkung nicht der alten, schon in den Jahren 1594 und 96 genannten, sondern der um 1601 auf der Bühne erschienenen neuen Bearbeitung gewesen sei. So gut dieser eine solche Hoffnung hegen konnte, so gut konnten die beiden H. L. und John Trundell (d. Hersg. v. 1603) dieselbe erfaffen. War aber jener wegen der allgemein herrschenden Schwierigkeit, ein Bühnen-Manuscript zum Drucke

v. Friesen, Briefe.

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zu bringen, außer Stande, den angekündigten Druck auszuführen, so waren diese vielleicht kecker und eifriger, zugleich aber auch unvorsichtiger in den Bemühungen, sich das gesuchte Stück zu verschaffen, ohne selbst hinlängliche Kenntniß von der Bearbeitung zu haben, welche zuletzt auf die Bühne gebracht worden war; und so konnte es möglich werden, daß sie von gewissenlosen Schauspielern oder untergeordneteren Dienern der Bühne mit einem Manuscripte vielleicht auch mit mehreren Rollen- Manuscripten, die von der alten Bearbeitung sich hatten auftreiben lassen, selbst hintergangen wurden und in Unwissenheit und Uebereilung das Stück in der Meinung, daß es die zuleht aufgeführte Bearbeitung sei, drucken ließen. Bei den damaligen Verhältnissen ist diese Vermuthung nicht gegen alle Wahrscheinlichkeit. Wie oft berufen sich nicht die eifrigsten Commentatoren auf schlimmere und absichtlichere Verfälschungen, wenn es gilt den Namen Shakspere's einem Stücke abzustreiten, das ihrer Meinung nach,,des großen Barden" nicht würdig ist, und, man darf hinzufügen, wie oft ist es nicht bündig nachgewiesen worden, daß auf ganz ähnlichem Wege die gröbsten Verfälschungen in der That Statt gefunden haben? Dazu kommt, daß wir thatsächliche Beispiele anderer alten Drucke haben, bei deren Erscheinung mindestens ganz ähnliche, wenn nicht dieselben Umstände obgewaltet haben müssen. Das ist am Schlagendsten der Fall mit den Quartausgaben Heinrichs V. von 1600, 1602 und 1608. Alle diese Abdrucke sind gleich diesem alten Hamlet der Ausdehnung nach kaum die Hälfte der vollständigen im Jahre 1623 abgedruckten Bearbeitung, und sie wurden alle gemacht und verbreitet, während diese vollständigere Arbeit nachweislich schon längst auf der Bühne war.

Doch ich höre Sie fragen, woher dann die groben Fehler in jeder Beziehung, wenn sie nicht durch ein Mißverständniß bei der Aufführung entstanden sind? Man muß die ähnlichen. Verstöße gegen Metrum, Grammatik und Orthographie kennen, welche selbst da vorkommen, wo man nicht daran zweifeln kann,

daß dem Drucke ein besseres Manuscript untergelegen hat, um sie in diesem Falle zu begreifen. Daß bei dem ganzen Geschäft die größte Uebereilung vorgeherrscht hat, kann kaum einem Zweifel unterliegen, und daß troß dem häufigen Vorkommen solcher betrüglicher Ausgaben diese mehr Aufsehen erregt hat, als viele andere, läßt sich fast mit Gewißheit aus dem Umstande schließen, daß ihr der Abdruck der ächten Bearbeitung fast auf dem Fuße folgte, und zwar mit einem Zufage (according to the true and perfect coppie), der kaum anders zu erklären ist, als mit der Absicht eine falsche und unberechtigte Ausgabe zu unterdrücken oder mindestens zu überbieten. Alles zusammengehalten, werden Sie nicht in Abrede stellen, daß auf diesem immerhin sehr hypothetischen Wege Manches leichter sich erklärt als wenn man, wie Collier, eine shorthand-edition annimmt. Wäre das Undenkbare möglich, daß nämlich ein Geschwindschreiber nicht blos einzelne, sondern viele Säße, ja selbst vollständige Unterredungen, die er nicht gehört haben konnte, niedergeschrieben oder eingeschoben hätte, so müßte doch, wenn die Herausgeber Ohrenzeugen der lezten Aufführungen gewesen wären, vorausgesetzt werden, daß sie den auffallenden Unterschied bemerkt haben würden, wogegen, wenn sie nur nach dem Rufe der neuen Erscheinung ihr betrügerisches Unternehmen begannen, keine Schwierigkeit vorlag, sie mit einem falschen Manuscripte zu täuschen. Doch genug von diesen Voraussetzungen. Wenden wir uns nun zu den wichtigsten Abweichungen selbst.

V.

Wesentliche Abweichungen des Tertes von 1603 von den späteren Auffassung der Charaktere vom König, der Königin, Leartes und Ophelia.

Terten.

Ich müßte Sie, verehrter Freund, mit einem sehr langen Berichte behelligen, wollte ich alle Verschiedenheiten und Abweichungen, durch welche der Tert von 1603 sich von den späteren unterscheidet, einzeln aufführen. Gestatten Sie mir daher, daß ich nur auf diejenigen hinweise, welche von entschiedener Bedeutung sind für die Annahme einer verschiedenen Auffassung der Aufgabe von Seiten des Dichters. Sie sind solche, durch welche uns ein anderes Bild von den meisten Hauptcharakteren gegeben wird. Ich übergehe daher die erste Scene auf der Terrasse, wiewohl auch in ihr nicht Alles genau so steht, wie in der spätern Bearbeitung.

Weit bedeutender ist die Verschiedenheit der zweiten Hauptscene, wo der König, die Königin, Hamlet, Corambis, Leartes, die nach Norwegen bestimmten Gesandten und andere Hofleute auftreten. Schon in Bezug auf die Ausdehnung muß das Verhältniß von 58 Zeilen im älteren zu 128 Zeilen im neueren Drucke auffallen. Doch, abgesehen davon, könnte vielleicht hier die Bemerkung von Delius am ersten Platz ergreifen, daß nämlich die Arbeit Shakspere's unter den ungeschickten Händen des Herausgebers oder Verunstalters eine Verwahrlosung betroffen habe, welche weit über Druckfehler und Nachlässigkeiten jeder Art hinausgehe. Denn diese Unterredung steht in ihrer Kürze und Unklarheit nicht allein mit der überaus kunst- und sinnreichen Ausarbeitung derselben Scene in der späteren Bearbeitung im schrofften Widerspruch, sondern sie entspricht auch nicht einmal dem Zwecke, welchem sie hier wie dort gewidmet sein mußte. Ja wir werden durch ihre Form und ihr Wesen fast zu der Annahme berechtigt, daß sie so, wie sie hier steht, nimmermehr von Shakspere abgefaßt sein könne. In keinem

Falle führt sie uns in die Situation, um die es sich handelt, mit einiger Sicherheit ein. In der beginnenden Rede des Königs fehlen allein die sechs und zwanzig Verse des späteren Tertes, durch welche diesem Erforderniß in der spätern Bearbeitung genügt wird. Sie beginnt im alten Drucke erst mit der Anrede an die Gesandten, die nach Norwegen bestimmt sind. Die Reden zwischen dem König, Leartes und Polonius, (Corambis) könnte man in ihrer Kürze fast rauh und ungeschickt nennen, während sie im neueren Terte sich gerade durch ihre Feinheit und Abgeschliffenheit auszeichnen. Daffelbe gilt von den darauf folgenden Reden und Widerreden zwischen Hamlet und dem König. Mit Ausnahme von zwei Versen, die sich in der neueren Bearbeitung wörtlich wiederfinden, nimmt die Königin kaum Antheil daran. Gewiß ist es schwer hier zu einem klaren Schluß zu kommen. Wir sind es nicht gewohnt eine so mittelmäßige Arbeit von Shakspere vor uns zu haben. Handelte es sich um einen andern Schriftsteller, so würden wir weniger in Verlegenheit sein. Bei dem Allen kann darüber kein Zweifel sein, daß diese in jeder Hinsicht inkorrekte Niederschrift nicht das Werk eines Geschwindschreibers nach der Aufführung des Tertes von 1604 sein kann. Sind diese nachlässig hingeworfenen Zeilen, die sich nicht einmal metrisch richtig abtheilen, in der That die Skizze der späteren Bearbeitung, welche Knight unter dem Abdruck von 1603 zu erkennen glaubt? Oder war das Manuscript, nach welchem der Seher zu arbeiten hatte, vielleicht schon unter den Händen einer ungeschickten Bühnenleitung in diesen verstümmelten Zustand gebracht? Ich vermag nicht darüber zu entscheiden. Weit näher steht der nachfolgende Monolog Hamlets sowie die Scene zwischen ihm, Horazio und Marcellus dem späteren Terte, wiewohl auch hier nicht unbedeutende Verschiedenheiten vorkommen. Troß der größeren Unvollkommenheit der Ausarbeitung befinden wir uns hier weit weniger auf einem für unsere gewohnten Anschauungen über Shakspere fremden Boden, als bei der obigen Betrachtung. Dagegen hat eine bei weitem höhere Bedeutung für

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