mehrerer Anderer nach ihm auf eine noch schlagendere Weise entkräftet wird. Ferner ist schon von Farmer in seinem Versuch, den Stand der wissenschaftlichen Ausbildung Shakspere's nachzuweisen, aus der unter dem Titel: Wit's Miserie or the worlds madness (Elend des Wizes oder Tollheit der Welt) im Jahre 1596 erschienenen Schrift des Thomas Lodge eine Stelle mitgetheilt worden, woraus die unläugbare Eristenz eines Drama's unter dem Titel Hamlet in damaliger Zeit hervorgeht. Eine Figur, die den Namen Hate- virtue führt, sagt dort von einem in derselben Schrift dargestellten Teufel ,, he is a foul lubber and looks as pale as the vizard of the ghost who cried so miserably at the theatre „Hamlet revenge" auf deutsch: er ist ein nichtsnußiger Tölpel und sieht so bleich aus, wie des Geistes Larve, der auf dem Theater so erbärmlich schrie: Hamlet, Rache. Farmer gründete auf diese Stelle die Meinung, daß Shakspere nur ein mittelmäßiger Schauspieler gewesen sei; denn nach der Ueberlieferung glaubte man, er habe im Hamlet die Rolle des Geistes gespielt, und daher sollte aus dieser Anspielung des Thomas Lodge hervorgehen, daß er in dieser Rolle einen sehr mißlichen Erfolg gehabt habe. Für unseren Zweck kommt es nicht wesentlich darauf an, diese Sage genauer zu prüfen. Daß sie mit Glaubhaftigkeit berichtet worden sein müsse, scheint mir nicht unwahrscheinlich, da Tieck in der zweiten der schon gedachten Novellen dieselbe benußt und der Mittheilung des Dichters an seinen Freund einflicht. Malone baute auf diese Anführung Farmer's die Annahme, daß Hamlet schon um 1596 abgefaßt sein müsse, wiewohl sein Urtheil über den Charakter und die Schreibart des Stückes ihn zu der Meinung. geneigter machte, daß es erst um den Beginn des 17. Jahrhunderts, also zu der Zeit der höchsten Befähigung des Dichters geschrieben sein möge. Es bedarf kaum der Erwähnung, daß Chalmers in Supplement Apologie for the believers pp. vom Jahre 1799 die Angabe von Malone aus mehrfachen Gründen nicht gelten lassen und lieber das Jahr 1597 annehmen will. Denn hier wiederholt sich von Neuem das Schauspiel, das uns manche überaus gelehrte Commentatoren geben, indem sie eine solche Auslassung mehr zur Bethätigung ihrer großen Gelehrsamkeit als zur gründlichen Erläuterung Shakspere's zu bestimmen scheinen. So sollen unter Andern des Horazio Erklärungen der Kriegsrüstungen nur dadurch motivirt werden, daß im Jahre 1596 ähnliche Vorbereitungen zur Vertheidigung der englischen Küsten gegen einen fremden Einfall mit gleicher Eile gemacht worden seien, auch kann nach Chalmers Meinung der Ausdruck,, the moist star", ,,der feuchte Stern" für den Mond nur deshalb gebraucht worden sein, weil nach seiner gelehrten Ermittelung das Jahr 1596 überaus regnerisch gewesen ist, was doch nur durch den Mond veranlaßt worden sein konnte. Natürlich muß auf Grund solcher und anderer weit hergeholten Auslegungen angenommen werden, daß Shakspere's Hamlet erst nach 1596 geschrieben sein könne, und alle Anspielungen auf einen früheren Hamlet müssen selbstverständlich auf ein Stück gehen, von welchem Shakspere seine Dichtung entlehnt hat. Ich würde mir diese scheinbare Abschweifung nicht erlaubt haben, wenn sie nicht als ein kleiner Beitrag zur Bezeichnung der selbst am Ausgang des vorigen Jahrhunderts noch immer. gangbaren Shakspere-Kritik dienen sollte. Doch selbst in dieses Jahrhundert hinein dauern die Beurtheilungen solchen Schlages noch fort. N. Drake's und Hunter's Auslassungen sind nicht viel besser. Ob Coleridge, der unfehlbar zu den erleuchtetsten Verehrern Shakspere's gehört, hinsichtlich des Alters unserer Tragödie eine bestimmte Meinung ausspricht, ist mir nicht sofort erinnerlich. Daß P. Collier im Widerspruch mit Malone nicht einen früheren Termin für ihre Entstehung als das Jahr 1600 annehmen will, ist, wenn ich nicht irre, schon erwähnt worden. Da nun alle diese Behauptungen immer wieder in den einen Punkt zusammenlaufen, daß Shakspere für seine Dichtungen in der Regel ein älteres Stück müsse vor Augen gehabt haben, mit anderen Worten weit mehr für einen Umarbeiter vorhandener Dramen, als für einen selbstständigen Dichter zu halten sei, werden Sie mir zugeben, daß es besonders bei Hamlet darauf ankommt, von dieser vorgefaßten Meinung sich frei zu machen. Zugegeben, daß Shakspere zuweilen Stoffe behandelt hat, welche früher schon bearbeitet waren, wie dieß möglicher Weise bei der,, Zähmung der Widerspenstigen", und noch gewisser bei,,Heinrich V.“, bei ,,Richard III.“ und bei,,Maaß für Maaß“ der Fall gewesen sein kann, so geht dennoch Collier zu weit, wenn er in seiner Geschichte der dramatischen Poesie (Vol. III. p. 60.) ausspricht, die fortschreitenden Entdeckungen gewährten der zunehmenden Meinung, daß unser großer Dramatiker verhältnißmäßig nur wenig Stoffe behandelt habe, die nicht schon früher auf die Bühne gebracht worden seien, immer mehr Begründung. Auch ist es sicher nur als die Folge einer vorgefaßten Meinung anzusehen, wenn er an einer späteren Stelle p. 98. den Umstand, daß Henslowe in den Jahren seiner Verbindung mit Shakspere's Truppe 1593 und 1594 den Namen unseres Dichters niemals nenne, gleichsam als einen Beweis benußt, um die von Henslowe genannten Stücke: Titus Andronikus, Hamlet, König Lear, Zähmung der Widerspenstigen, Cäsar und Heinrich V. durch die Bank als solche zu bezeichnen, von denen Shakspere seine Dichtungen gleichen Namens entlehnt haben müsse. Man könnte schon darin eine Schwäche erkennen, daß der gelehrte Verfasser, wie dieß nicht selten der Fall ist, auch hierin eine nur angenommene Voraussetzung durch den Mangel eines Gegenbeweises zu begründen sucht. Seine Auseinandersetzung soll nämlich, wie aus dem Nachsage hervorgeht, vorzugsweise der Meinung zur Stüße dienen, daß Shakspere's ausgezeichneter Ruf erst nach der Trennung seiner Truppe von der des Admirals Earl of Nottingham begonnen habe, und deswegen, so muß man folgern, könne keins der genannten Stücke eine Originalschöpfung Shakspere's sein. Hätte aber Collier die entgegengesezte, weit natürlichere Meinung festgehalten, daß Shakspere damals schon manche nicht unbedeutende Arbeit geliefert haben möge, so würde er, das dürfen wir überzeugt sein, den Umstand, daß ihn Henslowe nicht nennt, in seinem wahren Lichte erkannt haben. Er würde begriffen haben, daß die schon vom Jahre 1592 datirende leidenschaftliche Auslassung des sterbenden R. Green, zumal mit der von Chettle gegen Shakspere ausgesprochenen Rechtfertigung, ein weit größeres Gewicht in die entgegengesetzte Wagschaale werfe. Was hält uns ab anzunehmen, daß der wissenschaftlich ungebildete Henslowe, ein Mann, der nach Colliers engerem Berichte damit anfing, den Pfandverleiher oder geradezu den Wucherer zu machen, und nur auf diesem Wege Theilhaber an den Einnahmen des Theaters wurde, den später hinzugetretenen Shakspere, gegenüber seinen älteren Arbeitern für die Bühne, völlig übersah, wogegen Green, Marlowe, Kyd und Lodge, welche Lettere zu dem Pamphlet des Ersteren in enger Beziehung standen, die Gewalt des möglicher Weise noch namenlosen dramatischen Schriftstellers schon zu fühlen begannen? Warum sollte es ferner undenkbar sein, daß, wennauch die unter den Namen: taming of a shrew, Henry V. und Caesar aufgeführten Stücke nicht von Shakspere herrührten und später zu Dichtungen von ihm benut wurden, die anderen drei: Titus Andronicus, King Lear und Hamlet Originaldichtungen von ihm waren? Giebt es keine besseren und triftigeren Gründe, wodurch diese lehte Vermuthung als völlig falsch nachgewiesen wird, als die von Collier angezoge= nen, so wird eine unbefangene Betrachtung dieselbe nicht aufgeben können. Denn über Titus Andronicus und Hamlet ist durch Knight so viel beigebracht, daß jene Vermuthung sogar zur Ueberzeugung werden darf; wogegen allerdings hinsichtlich des alten Lear noch eine genauere Beleuchtung der Frage fehlt, ob dieses von der uns bekannten Tragödie völlig abweichende Stück Shakspere zugeschrieben werden könne oder nicht. Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch etwas nachholen, was vielleicht früher seinen Platz hätte finden sollen. Ich halte die ungemeine Zartheit der Empfindung und die Feinheit des Gefühls, durch welche sich Shakspere auszeichnet, für weniger vereinbar mit einem urplöglichen und gewaltsamen Hervorbrechen des Talentes, als mit einer sanfteren, allmäligeren Entwickelung. Sie werden daher auch, selbst in seinen frühesten Dichtungen, neben den Fehlgriffen einer überreizten Phantasie eine weniger rückhaltlose Hingebung an die Versuchung, in eine so zu sagen titanische oder himmelstürmende Richtung zu verfallen, bemerken, als dieß bei Marlowe und manchen andern Dichtern neuerer Zeit der Fall ist. Vielmehr bleibt Shakspere bis in seine späteren Werke selbst im höchsten Sturme der Leidenschaft eine große Erhabenheit der Ruhe eigen. Solche Gemüther sind in der Regel beim Beginn ihrer Laufbahn von schüchterner Natur. Dieß könnte schon hinreichen, um die völlig constatirte Thatsache, daß Shakfpere eine lange Zeit hindurch als namenloser Dichter gearbeitet hat, erschöpfend zu erklären. Dazu kommt aber noch ein besonderer Umstand. Es ist oft ausgesprochen worden, Shakspere sei kein Scholar gewesen, d. h. er habe keine akademische Schulbildung besessen. Wir können diese Behauptung zugeben, ohne deshalb in den oft wiederholten Vorwurf einzustimmen, daß ihm jede Bildung gemangelt habe. In damaliger Zeit aber wurde die Ausübung der Poesie, selbst auch der dramatischen, beinahe als ein ausschließliches Vorrecht solcher betrachtet, die einen akademischen Cursus durchgemacht oder selbst einen akademischen Grad erlangt hatten. Sie finden unter Shakspere's Vorgängern nur wenige, bei denen dieß nicht der Fall gewesen wäre. Auch neigte die gesammte Stimmung der Zeit zu einer ausdrücklichen Vorliebe für gelehrte Bildung. Schon mit Heinrich VIII. begann diese Richtung. Unter der, im Lateinischen und Griechischen gründlich unterrichteten Königin Elisabeth fand sie begreiflicher Weise noch mehr Nahrung und Berechtigung. Sie werden sich daher leicht vorstellen können, daß ein junger Mann von |