Imatges de pàgina
PDF
EPUB

er unseren Dichter den Hans in allen Ecken nennt, der sich einbilde der einzige Bühnenerschütterer des Landes zu sein. Es ist offenbar der Ausdruck einer überaus leidenschaftlichen Erregung, und man ist vollständig berechtigt die Vorwürfe und Beschuldigungen, welche er enthält, für übertrieben, wenn nicht für völlig ungegründet zu halten, wogegen anderer Seits die Gewißheit daraus hervorgeht, daß schon in dieser frühen Zeit Shakspere's Ansehn und Ruf die besten seiner Zeit überragt habe.

Diese Art die ganze Auslaffung zu betrachten gewinnt noch mehr Grund durch ein ferneres Dokument aus derselben Zeit. Der Dichter Chettle, der diese nachgelassene Schrift seines verstorbenen Freundes Green nach deffen Tode veröffentlicht hatte, fühlte sich kurz nachher veranlaßt, in seiner Vorrede zu kind hearts - dream folgende Erklärung gegen Shakspere auszusprechen:

,,Ich bin eben so betreten, als ob ich der erste Urheber des Fehltritts wäre; denn ich selbst habe gesehen, daß er eben so gebildet in seinem Benehmen, als ausgezeichnet in dem Stande ist, dem er angehört*); überdieß bezeugen mehrere Personen von Ansehn die Aufrichtigkeit seines Wesens, was seine Rechtschaffenheit beweist, und die heitere Anmuth seiner Schriften, was für seine Kunst spricht.“ Nach dieser Mittheilung können Sie leicht fragen, wozu der Lärm, den man von diesem Pamphlet in fast allen englischen Schriften über Shakspere macht? Gewiß ist es mindestens, daß eine unbefangene Betrachtung des Ganzen zu der entgegengesetzten Ueberzeugung führen mußte. Daß Shakspere im Beginn seiner Laufbahn nur mit der Umarbeitung, mit der Verbesserung älterer Stücke beschäftigt gewesen, daß man daher bei jeder Spur

*) Hier steht,,excellent in the qualitie he professes". Nach Inhalt des kleinen Pamphlets: Stephen Gosson's school of abuse, wo derselbe Ausdruck gebraucht wird, bezeichnet das Wort:,,quality" ganz speciell den Schauspielerstand. So wird es wenigstens von Malone (Historical account of the engl. stage Basil 1800 p. 233) erklärt.

eines früheren Stückes von gleichem Gehalt und Titel berechtigt sei, dasselbe für das Werk eines anderen Verfassers und die Quelle Shakspere's zu halten, das geht aus dem ganzen Handel bestimmt nicht hervor. Wohl aber muß man, selbst bei nur mittelmäßiger Bekanntschaft mit den damaligen Zuständen, bei der Kenntniß der lebhaften Theilnahme aller Gebildeteren an dramatischen Arbeiten, bei den allseitigen Beweisen von der weitverbreiteten wissenschaftlichen, selbst classischen Bildung unter den höheren Ständen damaliger Zeit zu der Ueberzeugung kommen, daß Shakspere in der kurzen Zeit von vier bis fünf Jahren - denn länger konnte sein Aufent halt in London kaum gedauert haben - sich einen Ruf erworben hatte, der mit der Annahme, daß seine meisten Dramen von Anderen entlehnt seien, durchaus unvereinbar ist. Nur so viel gestatten Sie mir noch hinzuzufügen: Es ist besonders wichtig, daß diese urkundlichen Nachrichten vor den Zeitpunkt fallen, wo sein Gedicht,, Venus und Adonis" bekannt sein konnte. Denn dadurch wird auch der oft wiederholten Behauptung widersprochen, daß Shakspere's dichterisches Ansehn und die ihm allgemein zugewendete Theilnahme vorzugsweise durch dieses und seine Lucrezia begründet worden sei. Hiermit sei diese allgemeine Betrachtung geschlossen. In meinem nächsten Schreiben lassen Sie uns zu der speziellen Betrachtung Hamlet's zurückkehren.

IV.

Thomas Lodge.

Epistel von
Shakspere

Erste Spuren eines Drama's unter dem Titel Hamlet.
Nash. Henslowes Tagebuch.

Druck von 1603.

als namenloser Dichter. — Francis Meres.
P. Colliers und Anderer Meinungen darüber.
über die Entstehung desselben.

Verehrter Freund!

[ocr errors][merged small]

Sie werden aus dem Inhalt meines gegenwärtigen Schrei bens sehr bald erkennen, daß Alles, was meine beiden lezten

Briefe enthalten, zu der Erörterung der Geschichte der Tragödie Hamlet in engster Beziehung steht. Schon sehr früh, und zwar zu einer Zeit, wo es für keinen der älteren Commentatoren denkbar erscheint, daß Shakspere schon dramatische Arbeiten abgefaßt habe, wird nach vorherrschender Meinung ein Hamlet erwähnt. Dieß ist der Fall in einer Epistel von Thomas Nash, welche dem Menaphon des Robert Green zur Einleitung dient. Das Urtheil der Commentatoren über das Alter dieser Auslassung schwankt zwischen den Jahren 1587 und 1589. Malone sezt auf Farmers Autorität dieselbe sogar erst in das Jahr 1591. Sie werden mir, wie ich hoffe, erlassen, diese chronologische Frage genauer zu erörtern, da es hier auf den Unterschied von zwei Jahren nicht ankommen kann. Die bezügliche Stelle findet sich am ausführlichsten in Malone's Versuch, die Reihenfolge der Stücke Shakspere's zu bestimmen, unter dem Titel: Hamlet (abgedr. J. Bells ed. 1788 Prolegomena 297.) Das Wesentliche, was auf die Eristenz eines früheren Hamlet bezogen worden ist, enthält einen ziemlich scharfen Tadel gegen Leute,,,die in allen Gebieten der Kunst herumschwärmen, in keinem aber etwas leisten, das Gewerbe eines Notars (the trade of noverint) zu welchem sie von Natur bestimmt sind, verlassen, um sich mit künstlerischen Versuchen zu beschäftigen, und die kaum im Stande sind das Latein eines Armenfünderverses (their neckverse) zusammenzubringen, wenn sie deffen bedürfen; dennoch gibt der englische Seneka, beim Kerzenlicht gelesen, manchen guten Spruch her, wie: Blood is a beggar (das Blut ist ein Bettler) u. s. w. und wenn ihr ihn bei einem kühlen Morgen recht schön bittet, so wird er euch ganze,, Hamlets", so zu sagen alle Hände voll tragischer Reden liefern."

Sie werden nicht anstehen, den sehr zweifelhaften Werth der ganzen Auslassung für die Geschichte unseres Hamlet zu erkennen. Es konnte nicht fehlen, daß man in der Anspielung auf einen Mann, der seinem Berufe nach mit juristischen Arbeiten zu thun habe, eine besondere Veranlassung fand, um an Shakspere zu denken. Denn man mußte sich wohl der

-

Sage erinnern, daß er bei seinem Eintritt in das Londoner Leben bei einem Rechtsanwalt gearbeitet habe. Auch die Hindeutung auf die Schwäche in der lateinischen Sprache war zu diesem Zwecke willkommen. So soll nach Knights Zeugniß Brown, der Verfasser einer Schrift über Shakspere's Sonnette die ich leider noch nicht habe zu Gesicht bekommen können keinen Anstand genommen haben, die Stelle auf Shakspere zu deuten und aus ihr zu schließen, daß ein älterer Hamlet vor ihm eristirt habe. Dagegen macht schon Malone in der genannten Schrift darauf aufmerksam, daß, wenngleich Nash hier auf einen dramatischen Schriftsteller verweise, die Bezeichnung auf Shakspere dennoch nicht unzweifelhaft sei. Allerdings muß mehr auf einen solchen geschlossen werden, der sich Seneka vorzugsweise zum Vorbild genommen hat, als auf Shakspere, der, wie Malone sagt, mehr aus dem von North überseßten Plutarch und aus Holinsheds Chronik entlehnt habe, als er der Uebersetzung des Seneka schuldig geworden zu sein scheine. Dazu giebt Malone noch eine Interpretation, welche mindestens nicht ganz mit Stillschweigen zu übergehen ist. Er meint nämlich das Wort hamlets fönne, in Betracht von Nashs eigenthümlicher Schreibart, auch folgenden Sinn haben:,, whole hamlets of tragical speeches“ d. h. ganze Dörfer voll tragischer Reden; so wie denn auch Shakspere im Cymbeline sage: pp. I't let a parish of such Clotens blood (,, die Wangen ihm zu röthen, ließ ich ein ganzes Dorf von Clotens bluten“). Ich laffe es dahin gestellt sein, ob diese Auslegung sich vollständig rechtfertige. Immerhin geht aber aus dieser Auslassung Malones hervor, daß die angezogene Stelle weder dafür einen entschei denden Beweis enthält, daß Shakspere hier gemeint sein müsse, noch die Eristenz einer Tragödie Hamlet vor dem Jahre 1587 oder 1589 außer Zweifel stelle. Es würde daher eben so übereilt sein nur darauf hin zu behaupten, daß Shakspere in dieser Zeit schon einen Hamlet abgefaßt habe, als es unangemessen ist anzunehmen, daß ein damals schon vorhandener Hamlet die Quelle Shakspere's gewesen sein müsse; dagegen

stellt sich auch Colliers eingeschaltete Bemerkung,,,daß der Zeitpunkt von 1587 aller Wahrscheinlichkeit nach ein bei Weitem zu früher sei, um Shakspere für den Verfasser des damals eristirenden Hamlet zu halten", nach dem, was ich in meinen vorigen Briefen angeführt habe, als unhaltbar heraus. Vielmehr würde ich, wenn überhaupt das Vorhandensein eines Hamlet in jener Periode sich bestätigt fände, unter den dort aufgeführten Gründen nicht bezweifeln, daß er von Shakspere verfaßt sein könne.

Weit bedeutender sind zwei andere Nachrichten aus der Zeit Shakspere's. Zuerst ist aus Henslowe's Tagebuch über die Stücke, welche auf der ihm gehörigen Bühne aufgeführt worden sind, die Thatsache ersichtlich, daß am 9. Juni 1594 auf dem Theater zu Newington-Butts Hamlet aufgeführt worden sei und Henslowe nicht mehr als 8 Schillinge eingetragen habe. Wie Sie in Knights einleitenden Bemerkungen zu der Tragödie Hamlet (Pictor. ed.) lesen können, hat Malone und nach ihm mancher Andere theils in der geringen Einnahme, die übrigens nur als der auf Henslowe gekommene Antheil anzusehen ist, theils in der nur einmaligen Aufführung des Stückes, die Berechtigung zu dem Schlusse finden wollen, daß dieß nicht Shakspere's Hamlet gewesen sein könne. Knights Einwendung gegen diese Annahme beruht zwar nur auf der Vermuthung, daß die Truppe Shakspere's, deren Auftreten auf dem betreffenden Theater übrigens an sich selbst unzweifelhaft ist, nur kurze Zeit, während der Herstellung des Globustheater, Henslowe's Bühne benutt habe. Da sie aber von guten Gründen unterstüht wird, genügt sie um so mehr für unseren Zweck, als es sich eines Theils nur um die Entkräftung einer nicht mit Gründen belegten Voraussetzung handelt, und andern Theils nachgewiesen ist, daß Malone's Zeitbestimmungen für die Entstehung der Shakspere'schen Stücke, seinem eigenen Bekenntniß zu Folge, der wesentlichsten Verbesserung bedurft haben. Ueberdieß behalte ich mir vor, Ihnen weiter unten Momente. mitzutheilen, aus denen die irrige Annahme Malone's und

v. Friesen, Briefe.

4

« AnteriorContinua »