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Lustigung anzupassen, so kommen wir zu der Antwort, daß man sich von denjenigen Vorurtheilen und Mißverständnissen nicht freimachen kann, welche in gleicher Weise, wie bei den zeichnenden Künsten, aus der Zeit der Manier und der akademischen Schulansichten, aus einer mehr, als ein Jahrhundert andauernden Verstimmung des Urtheils und des Geschmacks emporgewachsen sind. Hier hört man Berufungen auf D'Avenant, Dryden, Aubrey und Betterton; dort wird mit Sicherheit ausgesprochen, die englische Nation habe ihren größten Dichter länger als ein Jahrhundert vergessen. Jenes beruht auf einer ungenügenden Prüfung des Werthes, der diesen Autoritäten beizumessen ist, diese Meinung ist ein thatsächlicher Irrthum. Beides aber kommt in der Wirkung darin überein, daß sich in Bezug auf die Berechtigung zum Urtheil über Shakspere die mangelhaftesten Ansichten bilden. Nicht daß die Ueberlieferungen über Shakspere und seine poetische Bedeutung gänzlich unterbrochen, sondern daß die Träger derselben der poetischen Atmosphäre aus Shakspere's Zeit entrückt worden waren, das ist das wahre Verhältniß der Sache. Deshalb können wir uns auf dem Wege, den wir zusammengehn wollen, der, wenn gleich unerfreulichen, Betrachtung dieser Gegenstände nicht entschlagen.

Daß die Ueberlieferung nicht völlig abriß, dafür sorgten, vielleicht unbewußter Weise, mehrere nicht unbedeutende Schauspieler, von denen Einige bis spät in die Zeiten der Revolution lebten, Andere das Ende derselben noch sahen. Unter diesen waren sogar Einige die ihre alte Kunst nach der Restauration wieder aufnahmen. Zu Jenen gehört der schon erwähnte Joseph Taylor, der ohne allen Zweifel ein ausgezeichneter Schauspieler der Shakspere'schen Gesellschaft gewesen war. Wiewohl er derselben nicht zu allen Zeiten angehört hatte, ist es dennoch nicht zu bezweifeln, daß er nach Burbadge die Rollc des Hamlet übernommen hat. Es ist sogar möglich, daß ihm über dieselbe noch Shakspere's Anweisungen zugänglich gewesen sind. Mindestens sind Nachweise vorhanden, daß er um 1613

zu Shakspere's Gesellschaft zurückgekehrt ist, und andere Rollen von Burbadge ihm außer der des Hamlet noch zugefallen sind. Sein Tod trat um das Jahr 1653 oder 1654 ein, wo er zu Richmond in dürftigen Umständen verstorben sein soll. Lowin, der ebenfalls in dem Verzeichniß der Folio-Ausgabe als Mitglied der Gesellschaft von Shakspere aufgeführt ist, starb in hohem Alter nach der Rückkunft Carls II. als Besizer eines Gasthauses in der Nähe von London. Er ist derselbe, der für die Rolle des Fallstaff berühmt gewesen war. Steeven's führt zwar an, daß er auch den Hamlet gespielt habe und daß die schon erwähnte Stelle wegen der Wohlbeleibtheit auf ihn zu beziehen sei. Es ist aber nicht wahrscheinlich, daß diese Nachricht gegründet sei. Zwei andere Schauspieler Namens Hart und Mohun sind schon in meinem vorigen Schreiben als solche aufgeführt worden, welche im königlichen Kriegsdienst zu Officieren befördert wurden. Sie hatten vor der Revolution als Capellknaben des Königs ihre Kunst erlernt und waren daher im Jahre 1660 noch jung genug, um auf der Bühne thätig zu sein. Hart wird besonders als Othello gerühmt.

Zu dem Allen gesellt sich der merkwürdige Umstand, daß selbst die puritanische Strenge und Härte kaum hinreichte, um das übermächtige Bedürfniß der Nation nach dramatischen Darstellungen mit einem Schlage zu ersticken. Das erste Verbot gegen alle theatralischen Vorstellungen vom Jahre 1642 muß nicht genügend gewesen sein, da das Parlament im Jahre 1647-48 ein zweites weit strengeres Anathem gegen dieselben schleuderte. Trozdem fanden noch immer Darstellungen dramatischer Stücke in größter Heimlichkeit statt. Die fanatisirten Soldaten O. Cromwell's brachen bei einer dieser Vorstellungen in den Schlupfwinkel ein und mißhandelten die Schauspieler auf grausame Weise. Man muß sich, wie ich vermuthe, von diesen Zuständen die Vorstellung machen, daß die siegreiche Meinung durch die Gewalt des Terrorismus oben auf erhalten wurde, nicht aber der Ausdruck von der Mehrheit der Nation war; eine Erscheinung, die sich in der Aufregung der Leidenschaften zu 9

v. Friesen, Briefe.

allen revolutionären Zeiten wiederholt. Die Bestätigung dieser Annahme liegt in der Thatsache, daß selbst unter der noch andauernden, wiewohl dem Verfalle entgegeneilenden Herrschaft der Puritaner ein eigenes öffentliches Theater errichtet wurde. Dieß geschah im Jahre 1656 und da der zu diesem Zwecke benuşte Raum in Rutlandhouse nicht mehr genügte, gründete man im Jahre 1658 ein neues Schauspielhaus in Drury-Lane. Der Mann dieser Unternehmung war der vielfach genannte Sir William D'Avenant, derselbe, der, wenn es sich um Traditionen von Shakspere handelt, in der Regel als der älteste und leider auch oft als der beste Gewährsmann bezeichnet wird. Bei so wichtigem Anlaß liegt es daher nahe, zu fragen, wer war dieser Mann uud welche Bürgschaft kann uns sein Ruf und sein Name für Ueberlieferungen geben, die mit dem Bilde, das wir uns von Shakspere nach seinen Schriften machen müssen, nur schwer in Einklang zu bringen sind?

Er war im Februar 1605 zu Orford geboren, wo sein Vater das vielbesuchte Gasthaus zur Krone besaß und den Ruf eines angesehenen Bürgers genoß. Schon hier knüpft die Tradition über Shakspere an, da sie die Mutter D'Avenant's zu einer überaus schönen Frau macht und berichtet, bei seinen wiederholten Reisen von London nach Stratford am Avon sei Shakspere oft in diesem Gasthause eingekehrt. Bei diesen Gelegenheiten habe sich zwischen dem Dichter und der schönen Frau ein Liebeshandel entsponnen und S. W. D'Avenant sei wahrscheinlich der natürliche Sohn von William Shakspere. Doch wer brachte diese Klatscherei auf? Man beruft sich dabei auf einen Orforder Gelehrten Namens Aubrey, der 1625 oder 1626 geboren war, und um 1700 starb. Unter dem von Malone (Histor. account p. 221.) aufgeführten Titel: MS. Aubrey Mns. Assmol. Oxon. Lives befinden sich in der Bodleian Library zu Orford einige Aufzeichnungen dieses Mannes über mehrere ausgezeichnete Schriftsteller, so auch über Shakspere. Hier ist es, wo unter Andern die alberne Sage darüber, daß der junge W. Shakspere ein Fleischerlehrling gewesen

sei, ferner die über den Wucherer John Combes und mehreres der Art seinen Ausgang findet. Was uns Malone darüber mittheilt, trägt so sehr den Stempel des unhaltbaren Geklätsches, daß es kaum der ernsten Prüfung werth ist, welche ihm Malone widmet. Aber dennoch ist es in die Welt verbreitet worden und hat nicht verfehlt das Urtheil über Shakspere zu benachtheiligen. Man kann daher dem vor Kurzem laut ge= wordenen Eifer Bellew's (Sh. home Lond. 1863) nicht Unrecht geben, wenn er diese, wiewohl oft widerlegten, Gerede als ein Geflätsch der gemeinsten Art bezeichnet. Ist es ferner wahr, daß S. W. D'Avenant es nicht ungern hörte, wenn er für den natürlichen Sohn Shakspere's angesprochen wurde, weil er sich einbildete eine poetische Verwandtschaft mit ihm zu haben, so ist dies ein Grund mehr, alle Traditionen, die von dem jedenfalls sehr eiteln und in einem höchst abenteuerlichen Lichte stehenden Manne ausgingen, mit dem größten Mißtrauen zu betrachten. Nachdem er eine oberflächliche wissenschaftliche Bildung genossen hatte, kam er an den Hof Carls I. wurde an demselben nach Ben Jonsons Tode 1637 zum poeta laureatus ernannt und erhielt 1639 ein Patent zur Gründung eines neuen Schauspielhauses. Bei Ausbruch des Bürgerkrieges diente er dem König, fiel in die Hände der entgegenstehenden Partei und ward gefangen gesezt, entkam aber und leistete dem König abermals Dienste, wo er unter dem Herzog New-Castle zum lieutenant general of the ordnance befördert wurde. Selbst die Geschichte erwähnt ihn (The history of de rebellion by Edw. Earl of Clarendon London. Vol. III. p. 32.) wegen einer mißglückten Sendung der Königin an den König. Nachdem dieser am 1. Februar 1649 hingerichtet worden, fiel er abermals in die Hände der Presbyterianer, bei Gelegenheit eines, wahrscheinlich ebenso ungeschickt als sinnlos begonnenen Unternehmens behufs der Gründung einer Colonie in Virginien. Hier soll er durch Milton's Einfluß von der Hinrichtung errettet worden sein. Auch wird er in Milton's Leben erwähnt, da er denselben später von einem gleichen Schicksal erlöst haben soll.

Hier ist es, wo die Thätigkeit des immerhin merkwürdigen Mannes für die Bühne wieder beginnt. Da man unter dem immer mehr verlöschenden Feuer der puritanischen Gewaltherrschaft dennoch die erneute Darstellung der unmoralisch und als sündhaft verschrienen älteren Komödien, Historien und Tragödien scheute, so ergriff D'Avenant das Auskunftsmittel, dramatische Dichtungen seiner Schöpfung in der Form von Opern, aufgestust mit moralischen Redensarten und Tiraden, sowie verherrlicht mit glänzenden Dekorationen und Szenerien darzustellen. So hatte sich denn schon die ihrem Ende nahende Republik ein Hoftheater nach ihrer Art geschaffen. Als im Jahre 1660 der König zurückkehrte, wurde D'Avenant das Haupt der Schauspieler des Herzogs von York, die zuerst in dem sogenannten Cockpit bei Drury Lane und dann in Lincolns-Inn-Field spielten, während Henry Killegrew an der Spize der Schauspieler des Königs stand und mit diesen das Theater im Red-Bull benutte.

Zwischen diesen Gesellschaften entspann sich ein heftiger Kampf um den Vorrang im Beifall des Publicums, wobei, wie der Biograph von Betterton sich ausdrückt, Musik, Maschinerien und Szenerien als Kriegswerkzeuge dienten. Von der Bedeutung, welche die Lehteren mit D'Avenant auf dem Theater gewonnen, ist schon die Rede gewesen. Ich will daher dieses Thema nicht noch ein Mal aufnehmen. Noch neuer war jedenfalls die Zuflucht, die man zur Musik nahm, und es macht einen eigenen Eindruck, wenn der Dichter Dryden in seinem Aufsaße über heroische Theaterstücke, wie es scheint zum Lobe D'Avenants, bemerkt, daß er bei der Wahl seiner Musik die italienischen Opern und bei der Ausführung seiner Charaktere Corneille zum Muster genommen habe.

Sie werden meinen, es sei hiermit genug gesagt, um den Geist zu bezeichnen, in welchem die Wiederherstellung der Bühne in England ausgeführt wurde. Aber es bleibt noch Vieles zu sagen übrig. Daß man den tiefen Ernst, der neben der heitersten Laune in der Shakspere'schen Zeit herrschte, mit dem

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