Inhalts-Verzeichniss des XXX. Bandes. Abhandlungen. Ueber Wesen und Bedeutung der vergleichenden Sprachwissenschaft. Bemerkungen über den Unterricht in der deutschen Grammatik. Von 1 69 83 Dialectisches. Von Dr. Sachs. 135 Eine catalonische Dialektprobe. Von C. M. Sauer. Ueber den Gebrauch des Artikels im Neuhochdeutschen. Von Dr. Edman. 225 Deutsche Sprüche aus alter Zeit. Von C. W. Neumann Beiträge zur englischen Lexicographie. III. Artikel. Von Dr. A. Hoppe. 321 Ueber russische Volkspoesie, namentlich die Heldensage und die histo- rische Dichtung. Von Julius Altmann Sitzungen der Berliner Gesellschaft für das Studium der neueren Sprachen 395 Beurtheilungen und kurze Anzeigen. Klopstock und Meta. Von Ludwig Brunier. (Hölscher.). Deutsche Grammatik. Von Dr. Wilhelm Fricke. (e.) J. Frischlin's Hohenzollerische Hochzeit 1598. Von Dr. A. Birlinger. Germania. Herausgegeben von Fr. Pfeiffer. (Dr. Sachse.) Brieflicher Sprach- und Sprechunterricht der französischen Sprache. Von Ch. Toussaint und G. Langenscheidt. Schulgrammatik der englischen Sprache. Von Dr. W. Zimmermann. Altdeutsches Handwörterbuch. Von W. Wackernagel. (Dr. Sachse.) 428 Wörterbuch der altmärkisch-plattdeutschen Mundarten. Von J. F. Dan- Personal History of Lord Bacon. By W. H. Dixon. (D. Asher) Italienische Anthologie. Zusammengestellt von Fil. Zamboni. (Prof. Stilschule zu Uebungen in der Muttersprache. Von Dr. M. W. Götzinger 434 Von L. Rudolph. (W. H.). Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit. (Dr. Sachse.) Alkoran der Liebe. Von Hussein-Ali-Mirza. Deutsch von J. Altmann Brieflicher Sprach- und Sprechunterricht für das Selbststudium der eng- Programmens chau. Göthe's Balladen: Der König von Thule und Erlkönig. Griechisch Fragments du Faust de Goethe. Traduits par le Prince de Polignac et le Dr. Braunhard. Zu Richard II. Von Dr. Riechelinann. Die etymologischen Elemente der französischen Sprache. Von Dr. Monographische Studie über Alessandro Manzoni. Von C. M. Sauer. Sur le style de Rabelais etc. Von Dr. Eckerdt. (A. Beauvais.) „Als.“ Ein Beitrag zu dem deutschen Wörterbuche etc. Von J. Schraut. 205 205 206 207 207 207 209 449 Ueber Wesen und Bedeutung der vergleichenden Sprachwissenschaft. I. Allgemeiner Ueberblick. Zwei grosse umfangreiche Gebiete der Wissenschaft sind es, welche in unserm Jahrhundert erst zu einer gewaltigen und tiefen Ausbildung gelangt sind, deren Tragweite über das eigentlich gelehrte Gebiet weit hinausgeht, deren Bedeutung mehr und mehr auch von den Nichtfachgelehrten, ja selbst von den wissenschaftlichen Laien anerkannt und mit Recht angestaunt wird, da die Folgen der wissenschaftlichen Untersuchungen in jenen beiden Gebieten tief eingreifen in das Leben der Völker. Ich meine die Natur- und Sprachwissenschaft, denn dadurch, dass die Männer der ersten Wissenschaft es verstanden, das Licht selbst zum treusten Zeichner zu benutzen, den Dampf zum dienstbaren Geist sich zu schaffen, mit dem sie in riesenhafter, den Alten ungekannter und ungeahnter Schnelle über Land und Meer fahren lehrten; dass sie mit Hülfe anderer Kräfte in Minuten und Secunden meilen weit Nachricht verbreiteten und Antwort wieder empfingen; dadurch dass sie für unendlich viele sonst durch Menschenhand zu besorgende Geschäfte die verschiedenartigsten, kunstreichsten Maschinen herstellten, die weit schneller, billiger und besser arbeiteten; dadurch dass sie überhaupt in die Grundbestandtheile unseres Erdballes und in die waltenden Kräfte tiefer eindrangen, und tiefsinnig und geistvoll für das praktische Leben verwandten: durch alles das rissen sie die Völker aus dem jahrhundertelangen Gleise heraus und Archiv f. n. Sprachen. XXX. schufen in so kurzer Zeit so tiefgehende Veränderungen, dass die gesellschaftlichen Verhältnisse kaum zu folgen vermochten und Uebelstände und zeitweilige Missverhältnisse unvermeidlich waren. Dadurch geschah es aber auch andererseits, dass ein Jeder das Wesen einer neuen Zeit verspürte, ein Jeder fühlte, dass er in einem grossen bedeutungsvollen Jahrhundert lebe. So bedeutend aber auch die Umwälzungen durch diese Wissenschaft sind und wenn sie auch wie ein Polyp mit tausend Fängen in das Leben des Einzelnen so gut wie in das ganze Getriebe des Völkerconnexes und Völkerverkehrs hineingegriffen hat und ein ganz neues Leben hervorruft; so betreffen doch alle diese Einflüsse, Veränderungen und Umwälzungen zumeist nur das äussere Leben und die äussern Lebensverhältnisse. Dagegen das andere Agens des Zeitgeistes unsers Jahrhunderts, ja vielleicht des Zeitgeistes einer neuen Entwicklungsstufe der Menschheit, trägt die Bestimmung in sich, beengende Fesseln zu brechen, langjährige Vorurtheile niederzutreten oder zu Tode zu hetzen; die Frage vom menschlichen Ich und der eigentlichen Wesenhaftigkeit des Menschen lösen zu helfen, sowie andererseits weitverbreitete und getrennte Völker als Brüder, Blutsund Stammverwandte sich wiedererkennen zu lassen; das ganze geistige Capital der verschiedensten Nationen zusammenzubringen und auf diese Weise die menschheitlichen Verhältnisse viel tiefer und richtiger zu fassen und zu beurtheilen, als es bisher möglich war; sowie hinwiederum den Völkern bisher unbekannte Mittel zu leichterem Verkehr in die Hand zu geben und auf diese Weise eine höhere Sorgsamkeit, eine geistigere Intensität hervorzurufen; die Geschichte der Menschheit um Jahrtausende hinauf in das Alterthum zu bereichern, und bis zu einem gewissen Grade den Völkern ein Prognostikon in die Zukunft zu geben. Und dieses zweite Agens ist im weitesten Sinne des Wortes die Sprachwissenschaft. Beide, Natur- und Sprachwissenschaft sind umfangreiche, unermessliche Wissensgebiete, und sowohl in ihrem theoretischen Wissen als der praktischen Verwendbarkeit, sowohl in ihren Folgen als Seitengängen von unberechenbarer Wichtigkeit und Tragweite. Beide sind Weltwissenschaften, die nach Umfang und Tiefe, nach Raum, Zeit, die sie umspannen, allen andern Wissens |