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und den aus ihr verfertigten Stoffen den gewichtvollsten Repräsentanten aller Geldmittel besitzt, so sind das Resultate, die überraschen, vielleicht von der Mehrzahl der Leser als neue oder bisher unbeachtete aufgenommen werden, die wir aber doch auf keinem anderen Wege als dem der vergleichenden Statistik mit Hilfe der neuesten Culturgeschichte ermitteln können. Ich bitte inzwischen für diese Abhandlung erwägen zu wollen, dafs hier über die Baumwolle nur in ihrem Einflusse auf den allgemeinen Handelsverkehr gesprochen werden soll; für den inneren Verkehr bleiben allerdings Getreide, Eisen und andere Metalle, Steinkohlen, selbst Wolle nach den einzelnen Ländern in vorwiegender oder gleicher Bedeutung mit der Baumwolle.

Auf die frühere Geschichte der Verwendung der Baumwolle und die Entwickelung der ihr angehörigen Gewerbe im Alterthum und Mittelalter, wie anziehend dieselbe auch an sich ist, soll hier nur soweit eingegangen werden, als nachzuweisen bleibt, dass Baumwolle und die aus ihr verfertigten Stoffe zwar eine der vielen begehrten Waaren des Orients waren, aber keineswegs den Weltmarkt bereits regierten oder mächtig erweiterten. Lange vor unserer historisch sicheren Kenntnifs wurde bereits im südlichen Asien, westlich bis nach Persien und Arabien hin, die Baumwolle als die Hülle des den Wicken ähnlichen Samens aus der wallnufsgrofsen Fruchtkapsel der Baumwollbäume zur Bekleidung angewandt '). Neben dem 12 bis 20 Fufs hohen Baume wurde auch schon im Alterthume die staudenartige Baumwollpflanze in der Höhe von 4 bis 10 Fufs in Ostindien wie in Aegypten angebaut, welche sechs bis zehn Jahre in jenen Gegenden fruchtbar bleibt, während gegenwärtig, vorzugsweise in den nordamerikanischen Staaten, wie in West- und Ostindien, die krautartige, 1 bis 2 Fufs hohe und nur einen Sommer ausdauernde Baumwollpflanze (Gossypium herbaceum) cultivirt wird. Der Handel mit den indischen und persischen Baumwollstoffen erscheint in der historischen Zeit als ein gewöhnlicher und lange ausgeübter 2). Fortdauernd haben die Phönicier, namentlich in Tyrus, dieselben Stoffe auf den gewohnten Handelswegen bezogen und entweder in blendender Weisse oder geziert in kostbarer Farbenpracht als die schmuckvollsten leinenen Stoffe" nach allen Küstenländern des mittelländischen Meeres ausgeführt. Der Geschmack für diese Stoffe war so in Nord-Afrika und Süd-Europa gewonnen und ihr Gebrauch, durch das Klima eigenthümlich begünstigt, erhielt sich fortdauernd, der Kostbarkeit wegen damals freilich nur unter den wohlhabenderen Be

1) Theophrastus de plantis IV, c. 9; Plinius hist. nat. XII, c. 10 und 11 und XIX, c. 1; Herodotus III, c. 106; Arrhiani Peripl. mar. Erythr. an mehreren Stellen, namentlich bei dem Handel in dem Barygazenischen Meerbusen.

2) Heeren's Ideen, in s. gesammelten Werken Bd. XII, S. 325-328.

wohnern, von denen baumwollene Stoffe gerade in Verbindung mit der noch kostbareren Seide und den beiden edlen Metallen desto eifriger begehrt wurden.

Bei dem Uebergange des Alterthums zum Mittelalter finden wir in den grofsen Handelsstädten am Mittel- und Schwarzen Meere blühende Manufacturen, die auch mit Weberei und Färbung baumwollener Stoffe sich beschäftigten. Alexandrien und Constantinopel stehen in erster Reihe. Jährlich in regelmässigem Wechsel aus dem arabischen Meerbusen im Sommer auslaufend, kehrten die Handelsflotten mit indischen Fabrikaten und Rohstoffen belastet von der ostindischen Westküste oder von Taprobane (Ceylon) im December zurück '). Nicht minder lebhaft sah man die Caravanenzüge auf Antiochia, nach der West- und Nordküste Klein-Asiens, aus Persien durch Armenien nach den Handelsplätzen am Schwarzen Meere ziehen. Die mittelasiatische und europäische grofse Völkerwanderung, sammt dem bald darauf eintretenden verheerenden Religions-Eroberungskriege des Islam, unterbrachen auf vier Jahrhunderte die gemeinsame Verbindung und Entwickelung des Handels und der Industrie. Mit dem unversöhnlichen Feinde des Christenthums, der die Herrschaft über den gröfsten Theil der Heimath der Baumwollen-Industrie errungen, durften die christlichen Völker keinen Handelsverkehr treiben. Spanien, zwischen christliche und muhamedanische Reiche vertheilt, bot dafür zuerst wieder die Vermittelung und Anknüpfung neuer Handelsverbindungen an. In dem südlichen arabischen Spanien trifft man bereits im zehnten Jahrhundert auf den Anbau der Baumwollen - Staude; im Königreich Granada erblühten die kräftigsten Manufacturen der Baumwolle - Weberei während des eilften und zwölften Jahrhunderts und erreichten in dem darauf folgenden dreizehnten ihre höchste Blüthe. In Unter-Italien, Sicilien, auf Cypern und in Rumelien wurde gleichfalls Baumwolle gebaut, jedoch nicht ausreichend für den Bedarf dieser Länder 2). Das übrige südliche und südöstliche Europa kam im Zeitalter der Kreuzzüge wieder in nähere Berührung mit Klein-Asien, Syrien, Armenien und Aegypten, wo überall die Baumwolle-Cultur noch vorherrschte, wenn auch der frühere Wohlstand der Länder untergegangen war. Aus Armenien wurden die feinsten Baumwollen-Stoffe bezogen, und in diesem Lande erneuerte man zugleich die Erfahrung, dafs noch feinere Baumwolle in Persien und Ostindien gewonnen und dort zu noch werthvolleren Stoffen verarbeitet würde, welche nach allen Richtungen hin im mittleren und

1) Arrhiani Peripl. an mehreren Stellen.

2) Marino Sanuto bei Bongars Gesta Dei per Francos II. P. XIV, c. 3 und E. Meyer, Gesch. der Botanik IV, S. 114; vergl. S. 111.

östlichen Asien starke Verbreitung fänden. Wenige Jahre vor Ablauf des dreizehnten Jahrhunderts gelangten Europäer zuerst zur Kenntnifs von China, und Marco Polo's Berichte setzen schon damals die allgemeine Verwendung der Baumwolle zur Bekleidung der Chinesen aufser allen Zweifel (1295-98), wie sie uns denn gleichzeitig neue Nachrichten über die in Persien, Ostindien u. s. w. überall verbreitete Baumwolle-Cultur liefern 1).

Unterdessen waren durch das in den Kreuzzügen neu angeregte Bedürfniss nach baumwollenen Stoffen selbstständige Gewerbe für dieselben in den grofsen Städten des nördlichen und mittleren Italiens, wie in Sicilien und Catalonien begründet. Von Italien aus verbreiteten sie sich im fünfzehnten Jahrhunderte nach den gewerbfleifsigen Städten in Flandern und Brabant und auch schon nach einigen grösseren Städten am Rhein, sowie unter der Regierung Ludwigs XI. nach einigen französischen Städten an der Loire.

In diesem Zustande eines noch sehr beschränkten Bedarfs an baumwollenen Geweben wurde durch die Entdeckungen der Portugiesen der Seeweg um Afrika nach Ostindien und China, den damaligen Hauptsitzen der Baumwollen-Industrie, gefunden, und die erste Grundlage zur europäischen Herrschaft in Ostindien gelegt. Durch die gleichzeitige Entdeckung einiger Inseln Westindiens und die rasche Ausbreitung der Spanier in Central-Amerika erwarb man die Erfahrung, dafs auch in Amerika die Wolle eines Baumes zur Bekleidung gebraucht wurde, indem Kleidungsstücke aus diesem Stoffe durch Cortez an den Hof Kaiser Carl's V. gesandt wurden. Aber der Rohstoff blieb kostbar, denn er wurde bei der durch das Klima in Ostindien, wie in Mexico und NeuSpanien begünstigten Schlaffheit der Urbewohner ohne Eifer und nur für den eigenen Bedarf gewonnen; aufserdem vertheuerte die Schwierigkeit und die lange Dauer des Transports den Stoff aufserordentlich, so dafs in dem darauf folgenden sechszehnten und siebzehnten Jahrhunderte die Baumwolle, wie die in Indien und China daraus gewebten Stoffe zwar als eine vielfach begehrte, aber doch immer nur als eine untergeordnete Waare im Welthandel sich geltend machen konnte.

Doch kennen wir aus dieser Zeit 2) schon Manchester als den für die Fabrication baumwollener Waaren bedeutendsten Ort Englands. Er kaufte den Rohstoff in Cypern und Smyrna ein. Indefs stieg der Gesammtwerth der in ganz Grossbritannien verfertigten Baumwollwaaren vor der Thronbesteigung des Königs Georg III. (1760) nicht über 2,000,000 Thaler, während die jährliche Einfuhr an roher Baumwolle

1) Meyer a. a. O. IV, S. 122-131.

2) Roberts (Lewis) Treasure of Traffic vom Jahre 1641.

zwischen 1,500,000 und 2,000,000 Pfd. Gewicht blieb. Nur durch Ersparnifs an Arbeitslohn und durch Ermässigung der Kosten des Rohproducts konnte der bewundernswerthe Aufschwung dieser Industrie hervorgerufen werden. Jene brachte der erfinderische Geist einer Reihe bemerkenswerther Mechaniker, die mit James Hargreaves aus Blackburn in Lancashire im Jahre 1767 beginnt, der die Handspinnerei durch die nach seiner Tochter Jenny benannte Spinning-Jenny verdrängte, welche acht Spindeln durch ein Rad in Bewegung setzte und die achtfache Arbeit in gleicher Zeit und mit gleichem Kostenaufwande zu verrichten verstattete. Nach wenigen Jahren war diese Maschine auf 80 und dann auf 120 Spindeln erweitert, die mit gleicher Mühe ein Kind in Bewegung erhielt. Schon 1769-71 führte Richard Arkwright die durch Wasserkraft getriebene Walzen - Spinnmaschine ein, welche nach dem Ablauf seines Patents (1785) mit der ersten Maschine verbunden, seit 1789 in Manchester, seit 1792 in Glasgow durch Dampfkraft geleitet, später durch neue Verbesserungen, wie die von Crompton, Richard Roberts '), gegenwärtig mit 1100 bis 2200 Spindeln auf einem Doppelstuhl arbeitend, immer nur unter der Aufsicht eines einzigen Mannes, das Maximum in der feinsten Garnspinnerei leistet. Bekanntlich wird die Feinheit nach der Anzahl Stränge (Strains) von 840 Yards auf 1 Pfd. Baumwolle (1151,5 Berl. Ellen) mit einer bestimmten Nummer bezeichnet, so dafs bei No. 40, in der Regel die höchste Nummer für die Handspinnerei, 40 Strains von 840 Yards oder 46,060 Berliner Ellen (über 4 geogr. Meilen) 1 Pfd. Gewicht haben müssen, bei No. 200 aber 200 Strains von 840 Yards oder 230,300 Berl. Ellen (20 geogr. Meil.) und bei No. 250 gar 250 Strains von 840 Yards oder 287,875 Berl. Ellen (mehr als 25 geogr. Meil.), jetzt wohl die höchste Nummer für die feinsten Musseline, die in den Handelsverkehr kommen. Und doch hat man in Nottingham die Kunst bis zu No. 450 getrieben, d. h. 1 Pfd. Baumwolle bis zu einem Faden von 45 geogr. Meilen gesponnen!

Ohne mich auf die gleichmässig fortschreitenden Verbesserungen der Maschinen für die Weberei, Färberei und Druckerei der baumwollenen Stoffe weiter einzulassen, gehe ich dazu über, die Einwirkungen dieser Ersparnisse an Arbeitslohn auf den Verbrauch der rohen Baumwolle in Grofsbritannien und Irland zu prüfen. Es wurden in den Jahren 1771-75 im jährlichen Durchschnitt 3,000,000 Pfd. Gewicht

1) Die vollständigste Uebersicht der Verbesserungen und Erfindungen gewährt noch immer das klassische Werk von Edw. Baines: History of the Cotton Manufacture. London 1835. 8. Nächst diesem ist Andr. Ure, The Cotton Manufactures of Great Britain, compared with that of other Countries. London 1836. 2 vol. 8., deutsch von Hartmann, Leipzig 1837 und 1843, nachzuschlagen.

verbraucht '), bei 300,000 in dieser Industrie beschäftigten menschlichen Arbeitskräften, und dieses Quantum betrug damals ungefähr des Gesammtverbrauchs an Baumwolle in Europa. Die eminente Steigerung des Fabriken-Bedarfs an roher Baumwolle läfst sich in nachstehender Uebersicht treffend beurtheilen. Es wurden in jährlichem Durchschnitte verbraucht:

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Es hat demnach der Verbrauch der rohen Baumwolle in den letzten 80 Jahren die beispiellose Steigerung um das Dreihundertfache erfahren, und selbst noch in den fünfzig Jahren des laufenden Jahrhunderts hat dieser Verbrauch um mehr als das Sechszehnfache zugenommen, seit der Wiederherstellung des allgemeinen Friedens in Europa im Jahre 1815 noch um mehr als das Eilffache. Allerdings beträgt gegenwärtig die Consumtion der rohen Baumwolle in den britischen Manufacturen zwei volle Drittheile ihres Gesammtverbrauchs in ganz Europa, aber bei dem ungeheuren Umfange ihres Quantums dient diese Vergröfserung auch zugleich als schlagender Beweis, wie gleichfalls in den übrigen Staaten Europa's in demselben Zeitraume der Begehr nach roher Baumwolle sich gesteigert hat. Wäre die Maschinenthätigkeit nicht hinzugetreten, die Handspinnerei noch in demselben Zustande verblieben, wie vor dem Jahre 1767 in Europa, und wie sie noch jetzt in dem gröfsten Theile des südlichen und östlichen Asiens betrieben wird, so würden 91,380,000 Menschen erfordert werden, um das Quantum des britischen Verbrauchs im Jahre 1856 nach der Methode vor 1770 zu verarbeiten, d. h. gerade so viel Menschen als die Gesammtbevölkerung der drei Grofsmächte Frankreich, Oesterreich und Preufsen beträgt. Gegenwärtig sind indess in den 2210 grofsen britischen Baumwoll-Fabriken (Spinnereien und Webereien zusammengerechnet) 379,219 Arbeiter beschäftigt, die mehr

1) Ich habe die Wiederausfuhr der rohen Baumwolle aus den britischen Häfen von der vollen Einfuhr abgezogen; diese hat in der Regel zwischen 1 bis 5 pCt. geschwankt, ist also im Ganzen nur unbedeutend gewesen bis zum Jahre 1825; dann ist sie bis auf 10 - 15 pCt. der Gesammteinfuhr gestiegen und nur selten bis auf 56 pCt. zurückgegangen.

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