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Forschen wir an den Gehängen noch höher hinauf, so finden wir an der Ostseite einen gewaltigen schönen Talboden, fast intakt und von beträchtlicher Breite am Westgehänge der Pleiades. Seine ersten Spuren bemerkt man bei La Praz hoch über dem sich hier stark emporhebenden, heutigen Talboden in 835-845 m Höhe. Diese Terrasse verbreitert sich immer mehr nach Norden über Saumont-devant und derrey (setzt sich hier aus zwei Leisten in 820-830 und 850860 m); sie sinkt dabei auf 825 m. In dieser Höhe bricht sie am Rande der Feygire-Schlucht ganz scharf ab, um jenseits derselben wieder scharf einzusetzen und bis Châtel St. Denis auf 800-815 m herabzusinken. (Siehe Tafel 1, III, No. VI.) Dabei verbreitert sich die durch die Terrasse eingenommene Fläche des Talgrundes nordwärts. Bei Crauxtalon bildet die Schlucht der Veveyse de Châtel nur mehr einen schmalen. Schnitt, bis sich endlich die Veveyse selbst bei Châtel zu diesem Boden emporhebt und weiter oberhalb auf ihm fliesst; die ganze Weitung bei Châtel gehört zu diesem Niveau (St. Denis-Niveau). Angesichts dieses ausgezeichnet entwickelten Talbodens und seines nach Norden gerichteten Gefälles kann es keinem Zweifel unterliegen, dafs die Gewässer, welche diesen Boden schufen, nach Norden abflossen, dafs die HauptWasserscheide weiter im Süden lag als heute. Wir sind zu einem ähnlichen Ergebnisse gelangt wie am Flon; nur können wir es hier, dank dem besseren Erhaltungszustande der alten Formen, klar erkennen. Im ältesten Quartär flofs aus der Gegend des Genfer Beckens ein Talsystem von der weiter südlich gelegenen Wasserscheide dem Norden zu, die erst mit der Austiefung des Genfer Beckens während der jüngeren Eiszeiten durch siegreiche Bäche gegen Norden gedrängt wurde. Seit der grofsen Interglazialzeit haben diese Bäche ein Gebiet erobert, das nördlich der ursprünglichen Wasserscheide lag. Das ganze heute noch nicht von der Verjüngung erreichte Veveyse-Gebiet gehört zu dem nach Norden entwässerten St. Denis-Niveau. Auch im Veveyse-Tale hat ein Gletscherarm ähnlich dem Oron-Gletscher die Talformen des St. Denis-Niveaus etwas modifiziert. Die Niederung von St. Denis ist auffallend reich an länglichen, in der Südnord-Richtung hinziehenden, aus rotem Molasse-Konglomerat bestehenden Rundhöckern, die wohl der selektiven Eiserosion zuzuschreiben sind. Solche Rundhöcker sind auf der Karte 1:25000 die Punkte 840, 850, 860, 863, 823, 841, 825/822, 827, 856 (mit dem Schlofs St. Denis). Ja, die Umgebung des Sees Lussy mit ihrem dicken Torfmantel zwischen typischen Rundhöckern, mit einer Reihe abflufsloser kleiner Wannen, macht den Eindruck eines Zungenbeckens, das dem erwähnten Zungenbecken von Oron entsprechen und einem Veveyse-Gletscherarme ange

hören würde. Leider konnte ich die Gegend nördlich des Sees nicht genauer untersuchen, um hier etwaige Moränen festzustellen').

Selbst dieser St. Denis-Boden, in dem heute die obere Veveyse de Châtel fliefst und der besonders gut von Vieux Châtel oder La Ceigue zu übersehen ist, ist noch nicht die älteste, höchste Landoberfläche, die wir an der Veveyse feststellen können. Das Waldsträsschen, das am linken Ufer der Veveyse de Châtel aufwärts führt, geht über sanft geböschte Abhänge von terrassenartiger Breite mit sanfterem Gehänge aufwärts, während nördlich davon der Flufs sich in jugendlicher steiler Schlucht in die sanften, alten Formen eingerissen hat. Schön übersieht man die alte, bergige Landoberfläche, die weithin ausgereift ist, etwa von La Cierne (1088 m), und sie tritt auch auf der SiegfriedKarte deutlich hervor, weil die junge Schlucht dicht bewaldet und unwegsam ist, während die weicheren, sanfteren Gehänge oberhalb als Wiesen verwendet und von den Kommunikationsmitteln auch benutzt werden. Diese alten Flächen ziehen von Les Mayens (1000), wo sie 150 m über dem heutigen Veveyse-Tale beginnen, über Les Paccots (1078 m) nach les Mollies (1109 m) und haben ihr Gegenstück am anderen Ufer in den Flächen von Mollie de Crey 1061, 1042 m. Die junge Schlucht ist etwa 100 m tief, damit anzeigend, dafs die alte Landoberfläche etwa mit 100 m das St. Denis-Niveau überragt hat. Der Bach hebt sich in dieses älteste Mayens-Niveau bald oberhalb der Brücke des Brasseyres (986 m) empor. Dasselbe Niveau können wir auch im Tale der Feygire feststellen. Besonders schön übersieht man es von der Alm Les Crêtes 1197 m aus; am gegenüberliegenden südlichen Ufer sieht man die breiten, ebenen, zum Teil versumpften Flächen von Fontannaz David (1142 m), von Preizimavaud (1181 m) und Mossettes (1143 m) immer in 1120-1150 m Höhe. Darauf liegt der östliche Issalets-See (1122 m). Hierher gehören auch die weichen. Matten des nördlichen Ufers um La Tornare und den Lac des Joucs (1235 m). Diese alten Flächen ziehen ins Quellgebiet, heben sich dabei auf 1230-1260 m bei Les Preises, auf 1300-1400 m in der Umgebung von Cherresaula-derrey und -devant; auch diese Oberfläche liegt nahe der Mündung etwa 150 m über dem heutigen Veveyse-Niveau, sie gehört also in die Entwickelungsreihe des Mayens-Niveaus.

Auch das Feygire-Tal hat sich in den Mayens-Boden in enger, gänzlich unwegsamer Schlucht eingerissen; die kleineren Bäche strömen

1) Blanchet (Verhandlgn. der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft 1843. Lausanne, S. 74) erwähnt schon vor 65 Jahren Moränen aus der Umgebung von Châtel St. Denis.

ihm in zahlreichen Racheln zu, während die grösseren hängengeblieben sind, das heifst, einen ausgeprägten Gefällsbruch aufzuweisen haben. zwischen dem reifen Oberlauf und dem jugendlichen Unterlauf ').

Wir sahen, dafs schon im St. Denis-Niveau die Veveyse nach Norden flofs und dann vom Süden her angezapft wurde; umsomehr war diese Entwässerungsrichtung auch im Mayens-Niveau nördlich, dem Rheine zugewandt. Welchen Weg nahmen die Gewässer dorthin? Diese Frage zu beantworten, war aus zwei Gründen nicht leicht: 1. weil das Eis der letzten Eiszeiten die älteren Talformen so umgestalten konnte, dafs im Hügelland sich nichts davon erhielt, 2. weil das Eis, das ohne Rücksicht auf niedrige Wasserscheiden sein Material transportierte, eine derartige Mischung des Materials bewirkte, dafs man alte Wasserläufe an den ihrem einstigen Einzugsgebiete eigentümlichen Sedimenten zu erkennen kaum hoffen konnte, da man überdies im Vorland fluviatile Ablagerungen von verschlämmten Moränen kaum unterscheiden kann. Um Aussichten zu haben, etwas über Veränderungen einer alten Hydrographie auszusagen, musste man typisch fluviatile Sedimentation ohne Anzeichen von Moräne finden.

Betrachtet man das Kartenbild der Veveyse-Läufe, so drängt sich dem Beobachter der Gedanke auf, dem Lugeon') Ausdruck verliehen hat, dafs die Veveyse einst von Châtel St. Denis direkt gegen Westen an der Stelle des heutigen Passes von Remaufens zur Broye flofs. Es ist allerdings merkwürdig, dafs gerade an der Stelle, wo die Veveyse den scharfen Knick nach Süden macht, in der Fortsetzung des bisherigen Laufes ein ganz niedriger, reifer, breiter Pafs zur Broye hinüberführt. Die Morphologie dieses Passes spricht weder dafür noch dagegen; denn in der senilen Landschaft des Hügellandes finden sich zahlreiche ähnliche und nur vom Eise überflossene Pässe, die nie ein Bach benutzt hat. Dagegen gelang es, dank einem glücklichen Zufalle, einen positiven Beweis für die Vermutung zu erbringen. Als ich Mitte Mai 1908 die Gegend studierte, legte man eben einen etwa 4 m tiefen, schmalen Graben von 1,5 km Länge bei Tatroz quer über das senile Tatrel-Tal, wodurch Gelegenheit gegeben wurde, die sonst unter Alluvium und Verwitterungsdecke begrabenen Ablagerungen zu sehen. Da fand ich, nachdem anfangs nur anstehende Molasse-Nagelfluh und Glaziales zu sehen war, in 770 m Meereshöhe den typischen Quer

1) Die Bäche, die aus den Sümpfen von Terrasses, Mossettes und Fondannaz David kommen, haben ihren Unterlauf fast nicht eingeschnitten, während das Gefälle derselben um 100co emporspringt; man kann fast von Stufenmündungen sprechen.

2) Lugeon a. a. O. Bull. Soc. Vaud. Sc. nat. 1897, S. 76.

schnitt eines etwa 15-20 m breiten Baches: die nicht grofsen typischen, gerundeten Geschiebe haben fluviatile Struktur und werden von einem Lehmband durchzogen; das Ganze liegt auf einem an Kalkkonkretionen reichen Lehm und dieser auf Eisenstein und Molasse. Was das Material anbelangt, konnte festgestellt werden, dafs es 1. langgestreckte fluviatile Geschiebe sind, 2. dafs erratisches Material und gekritztes Material fehlt, 3. dafs die petrographische Zusammensetzung eine Herkunft aus zersetzter Molasse-Nagelfluh ausschlofs, dagegen eine solche aus den Préalpes, vor allem der Moléson-Kette, verriet. Kein kristallines Gestein kommt vor, dagegen zahlreiche dunkle Jurakalke, braune Neokomkalke, Couche rouge-Geschiebe, helle Malmkalke, dunkle Triaskalke, alle in den Fazies der Klippes externes und Préalpes medianes. Diese Bildung zeugt also zweifellos von einem kräftigen Bache, der schon einen guten Weg hinter sich hatte und von der MolésonKette über den Pass von Remaufens, in dessen unmittelbarer Nähe die Ablagerungen liegen, herabkam. Die heutige Wasserscheide liegt sogar tiefer als Châtel St. Denis, nämlich in 805 m, ist aber nur schmal, talartig; die grofse, breite Wasserscheide lag etwa in 835-840 m und konnte von der Veveyse, die auf dem Mayens-Niveau flofs, bequem überschritten werden. Einen solchen Veveyse-Lauf betrachte ich als präglazial, weil er genau in die senile, ganz schwachkuppige Oberfläche des Hügellandes ausmündet, welche nach Brückner') als präglazial anzusprechen ist. Andererseits wissen wir, dafs die Anzapfung der Veveyse in dem wahrscheinlich dem M R-Interglazial angehörigen Chardonne-Niveau schon vollendet war, also altglazial ist. In den vielfachen Talböden der Veveyse haben wir einen klassischen Pegel für die Erosionsphasen im Rhone-Gebiete, für eine in ruckweisen Etappen vor sich gehende Anzapfung. Es liegt nahe, diese Erosionsphasen im Rhone-Tal, die eine Unterschneidung der früheren Talböden und darauf eine plötzliche Verjüngung verursachen, mit den Eiszeiten zu parallelisieren. Andererseits verbinden sich einzelne der Terrassen mit Rückzugsphasen der Bühlzeit, die dadurch eine neue Beleuchtung erfährt. Schliesslich gestattet die Veveyse-Geschichte die Lösung des Problems der Rhein-Rhone-Wasserscheide anzubahnen. Darüber mehr in den folgenden Abschnitten.

IV. Verschiebung der Rhein-Rhone-Wasserscheide.

Durch die obigen Ausführungen bekommt die Frage, ob die Hauptwasserscheide vor und während der Eiszeit immer an derselben Stelle lag und so die Rhone seit alters gegen Genf flofs oder ob sie

1) Brückner, Alpen im Eiszeitalter. 1902, S. 471-473.

erst später an ihre heutige Stelle gerückt ist, eine Frage von nicht geringer Bedeutung für die Morphologie des südlichen schweizerischen Mittellandes überhaupt, ein erneutes Interesse. Zweierlei geht aus denselben mit Klarheit hervor: 1. dafs die Hauptwasserscheide im Flonund im Veveyse-Gebiet einst bedeutend weiter südlich lag und schon seitdem ein erkleckliches Stück in der Quartärzeit nach Norden verschoben worden ist; 2. dafs sie auch heute dank der glazialen Übertiefung noch nicht an ihrer endgültigen Stelle angelangt ist, wo sie nicht mehr eine jugendliche und eine senile Abdachung scheiden wird, sondern zwei im morphologischen Zyklus gleichweit vorgeschrittene Abdachungen. Sie mufs in Zukunft noch weiter nach Norden wandern, bis die jugendliche Abdachung soweit ausgereift, die senile soweit verjüngt ist, dass die Wasserscheide im Gleichgewicht sich befindet. Dieses Ergebnis schliefst von vornherein aus, dafs die Wasserscheide einst weiter nördlich lag, wie es bei einem vermeintlichen uralten Gleichgewicht zwischen Rheinund Rhone-System erforderlich wäre. Dagegen läfst es noch die Frage offen, wie weit im Süden diese Wasserscheide lag und wie sie verlief. Wie wir wissen, gehen die ältesten nordwärts gerichteten Terrassen am Flon und an der Veveyse gegen Süden in die Luft, da hier das tiefe Becken des Genfer Sees die ganze Masse des Mittellandes an einem Steilrand abbrechen läfst. Daher können wir nicht handgreiflich die alte Wasserscheide gegen Süden verfolgen. Und doch gibt es eine Reihe von Tatsachen, die uns hier zu einem Schlusse gelangen lassen.

Es handelt sich vor allem um die Frage: haben wir im östlichen Genfer Becken Anzeichen einer alten, hochgelegenen Abdachung gegen Westen und, wenn nicht, vielleicht gegen Norden? Diese Frage bejahte Brückner') in ersterem Sinne. Er hatte die Höhen des ganzen schweizerischen Mittellandes als eine Rumpffläche präglazialen Alters aufgefafst, auf dessen Oberfläche die präglaziale Rhone in etwa 900 m. in der Gegend von Villeneuve mündete. Sie soll hier entsprechend einer alten Abdachung schon im Präglazial nach Westen geflossen sein, und Beweis dessen sei die nach Westen sich senkende Terrasse von Thonnon. Die so herrliche terrassenförmige Oberfläche dankt aber diese Bildung der Akkumulation, zumeist gewaltigen Moränen, welche ein ganz unregelmäfsiges Relief des anstehenden Felsens verschüttet haben; diese Bildung mit ihrem bedeutenden Gefälle ist vielmehr als gewaltige Seitenmoräne einer Gletscherzunge aufzufassen wenigstens zum Teil, welche kurz vor Genf endete und deren Oberflächengefälle sich eben in dem Gefälle dieser Akkumulationsform ausprägt. Dieses

1) Brückner, Alpen im Eiszeitalter, 1902. S. 471.

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