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sie bauten feste Städte und zogen vom Niagara bis zum Mississippi eine Kette von Forts, um die englischen Colonisten einzu schließen. Wo ist diese weite französisch amerikanische Herrschaft geblieben? Sie ist wie im Winde zerstoben. Ob in einem Volke etwas Mark für die Zukunft steckt, muß sich in seinen Colonien zeigen. Der ärmste deutsche Pennsylvanier, der leider unter einer fremden Regierung sich hier ansiedeln mußte, wurde Stammvater vieler wohlhabender Familien, von den französischen Städten, obwohl sie schon nach Tausenden von Einwohnern zählten, sind bloß die Buchstaben übrig geblieben, der Amerikaner spricht St. Louis, Detroit, New-Orleans nicht nach französischem Klange, sondern wie es seiner eigenen Zunge gefällt. Selbst in ihren beiden legten Hauptstädten, wo die Franzosen noch am dichtesten festsißen, in New-Orleans am Mississippi und Montreal am St. Lorenz, schwinden sie mit jedem Jahre sichtlich zusammen vor der sie umzingelnden Energie der Ger

manen.

Von den Franzosen rühren die fabelhaften Geschichten her, die sich noch jest vom Niagara in Voltsbüchern umhertreiben. Kein Vogel, heißt es zum Beispiel noch in Meyer's Universum, flöge über den Niagara, der nicht von dem Luftwirbel erfaßt in den Schlund falle, und die Anwohner brauchten kein Wild zu schießen, denn der Niagara lege ihnen genug Bären und Hirsche, die sich seinen weiten Strudeln genaht, zerschmet tert zu Füßen. Diese Märchen so wie über: haupt das Kolossale, mit welchem der Niagara in die Vorstellung der Menschen eintrat, haben ihre Wirkung geübt. Den Amerikaner locte es tiefer in's unbekannte Innere. Denn mußte er nicht auf den Reiz und Ruhm hoffen, dort noch mehr solcher Riesenwerke der Natur zu entdecken? Für den Europäer erhöhten jene Ideen den Zauber der neuen Welt. Aus allen Ländern geben sich jezt Einwanderer und Touristen am Niagara ihr Stelldichein. Wie mancher fein gebildete Deutsche hat in der Jugend seine Phantasie am Niagara geweidet, jezt hat er ihn gesehen und sist irgendwo an einer trüben Lache im Urwalde, vergraben mit all seinem Wissen und Können in eine Blockhütte, und seines Lebens ganzes Resultat ist um kein Haar besser als das eines rohen Bauern auch. Der Niagara hat nicht wenig beigetragen, die Ansicht hervorzurufen, Amerika sei ein Monatshefte. Bd. IX. Nro. 49. October 1860.

jüngerer Erdtheil als die alte Welt, denn diese Wasserfälle sind noch wie ein stehendes Stück aus der Vorzeit. An jene Ideen von der Jugend Amerika's knüpfte sich nun die Vorstellung von der jungen Menschheitsepoche, die hier beginne, von der Weltgeschichte, die mit klingenden Flügeln über's Meer nach Westen ziehe. Kein schärferer Beobachter kann es sich freilich verbergen, daß in den Gesichtszügen der jugendlichen Völker Amerika's sich einige unheimlich greisenhafte Mienen verstecken. Doch jene jungen Völker selbst wollen nichts davon wissen. Am meisten unter ihnen brauset die Jugendkraft bei dem Freistaatenvolke, das die Nachfolger der Franzosen, die Engländer, wenigstens von dem einen Ufer des Niagara vertrieben hat. Tausende aus diesem Volke begeistern sich täglich bei seinem Fluthen und Donnern an zwei ganz bestimmten Gedanken, der eine ist patriotischer, der andere industrieller Natur. Der Amerikaner betrachtet nämlich den Niagara als sein nationales Riesenjuwel, gleichsam als seines Landes natürliches Wappen, und sein Nationalstolz wächst dabei in ähnlichen Verhältnissen. Der zweite Gedanke äußert sich darin, daß der regelrechte Amerikaner, wenn er fünf Minuten den Niagara beschaut hat, sein Notizbuch hervorzieht und zu rechnen anfängt, wie viel Wasserkraft hier herunterstürze und wie viel Fabrikräder damit zu treiben wären. Man lacht wohl über diese poesielosen Menschen, allein dem Amerikaner erscheint wirklich seines Landes industrielle und Handelsströmung als eine Alles mit sich fortreißende Hochfluth, und daß sie mit so riesiger Wucht sich weiter wälze, daran arbeitet mit aller Kraft seines Verstandes und seiner Muskeln der entlegenste Farmer in Minnesota, wie der ärmste Maschinen= heizer in Pittsburg. Und wenn der Niagara des Amerikaners Nationalgefühl noch mehr anschwellt, wenn dieser den Besit solchen Weltwunders als einen wörtlichen Beweis mehr ansieht, daß sein Volk das auserwählte sei und daß dessen manifest destiny sich erfüllen werde, jener seltsame Zukunftsglaube, welchen der Amerikaner in den Worten ausspricht: Wir erobern Amerika, die Russen erobern Europa, und zulezt schlagen wir auch die Russen aus dem Felde," nun, dann muß man auch gestehen, es ist etwas Großes und Gewaltiges um das Nationalgefühl in den Vereinigten Staaten. Dort überwindet es spielend Gegensäße der Interessen, der Raçen

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und Confessionen, wie sie kein anderes Volk | von Leben zu erwecken. Das Val del Bove im Innern birgt, dort diftirt es nach ist wie ein ungeheures Amphitheater der außen ohne Bedenken die am raschesten zum Unterwelt, leblos, tonlos, von grauenhafter Ziele führende Politik, die Politik des Egois: Dede. Anders wirkt die neptunische Kraft. mus im großen Stile. Kein Gefühl der Sie arbeitet von oben in die Erdrinde hinein, Humanität oder Stammesverwandtschaft wird langsam, aber unablässig, und ihre Werkdie Amerikaner hindern, die Engländer, welche stätte ist fort und fort umgeben von dem wenigstens das linke Niagaraufer hartnädig lebensvollen Spiel der Farben und Töne festhalten, auch von dort zu vertreiben. Dies und Wolkengebilde. Das Val del Bove wird sich erfüllen, wenn endlich die Neger: deckt uns das Innere des Aetna auf, vom sclaverei, dieser schwarze Dämon der neuen Gipfel bis fast zu einer Tiefe von 4000 Fuß. Welt, den Bruch der Union herbeiführt. Seine Wände bestehen aus gleichförmig über Dann werden sich ohne Zweifel die Neueng- | einander liegenden Schichten von Lava und landstaaten mit dem englischen Canada zu Tuff, welche durchsezt sind von einer zahleinen neuen Staate einigen. Dann wird an losen Menge neuerer vulcanischer Gänge: beiden Ufern des Niagara, wo Engländer das zeigen uns deutlich drei verschiedene Peund Amerikaner so oft blutig auf einander rioden. Diese regelmäßige Lagerung der trafen, nur ein Volk wohnen und die Forts | Lavaschichten über einander war nur dann werden verschwinden, welche sich jezt noch möglich, wenn sie sich als feurig flüssige am Ein- und Ausgange des Stromes die Masse ergossen aus Spalten in ebener Gegend, feindlichen Flaggen in's Gesicht wehen lassen. fast wagerecht übereinander, also wahrscheinlich Das Völkertreiben also an den Ufern des zu einer Zeit, als das Ganze noch unter Niagara hat oft gewechselt: veränderte sich dem Meere lag. Dies war das Erste. Jezt denn niemals etwas Anderes auf dem mei durchbrachen, und das war das Zweite, vullenweiten Gebiete dieser Wasserfälle? Wenn canische Stöße die Lagerungen wieder, und stätige Wassergewalt irgendwo die Erdober in den Rissen stieg neuere Lava empor, fläche, menn auch noch so leise, umbildet, | welche zu Trachyt- und Basoltgängen vermußte das nicht hier, wo die Natur so sehr härtete. Endlich drittens hob ein furchtim Großen gearbeitet hat, am deutlichsten | barer Andrang der unterirdischen Gluthen werden? In der That, so verhält es sich. Diese Stätte ist ein aufgeschlagens Buch, in welchem wir ein paar Capitel aus der Geschichte der Erdbildung lesen. Vielleicht gibt es nur noch eine Stelle auf der Erde, welche darin dem Niagaragebiete gleichzustellen, diese ist das breit aufgerissene Thal an der Ostseite des Aetna, das Val del Bove. Dort in Europa hat die Feuergewalt einen Rie senspiegel ihrer Wirksamkeit aufgestellt, hier in Amerika that das Gleiche ihrerseits die andere Kraft, welche zugleich mit jener unsere Erdrinde gestaltet, die Wassergewalt. Am Aetna ist es ein weiter Thalkessel, welchen Felsgestalten von gigantischen Umrissen umragen, am Niagara ist es eine meilenlange Schlucht, senkrecht eingeschnitten in Gesteinslager. Die plutonische Kraft wirkte von unten hebend, spaltend, hoch aufschleudernd Gluthmassen und Trümmer unter entseßlichem Krachen; ihr Andrang kommt auf einmal, | stoßweise, mit ganzer Macht, dann sinkt sie plöglich zurück in die Tiefe und läßt ihr Werk unter dem lichten Himmel dastehen starr und finster, selbst der bunte Metallglanz vermag nimmer einen täuschenden Schimmer zu orientiren.

die gesammte Masse in die Höhe, und indem sie sich zu einem Berge emporwölbte, stürzte eine Seite desselben ein und es entstand das Val del Bove. Von nun an floß bei neuen Ausbrüchen die Lava von der Höhe des Berges herunter und bedeckte wie mit einem Mantel seine Seiten, nur das Val del Bove vermochte sie nicht wieder auszufüllen. So stellt uns dies Thal die Entstehungsgeschichte des Aetna vor Augen und läßt uns in Zeiträume hineinblicken, in deren Tiefe sich der menschliche Geist verliert. Eine gleiche Fundgrube für geologische Untersuchungen gewährt das Niagaragebiet. Die beste Ausbeute gab der gemeinschaftliche Besuch des Engländers Lyell und des New-Yorker Staatsgeologen James Hall. Es war dem Verfasser dieser Skizze vergönnt, mit ihren Werken in der Hand acht Tage lang am Niagara umherzustreifen und die Ansichten dieser ausgezeichneten Forscher mit der Natur zu vergleichen.

Ehe wir nun an die Erörterung gehen, wie der Niagara entstanden ist, wird es dienlich sein, sich auf seinem Gebiete zunächst In dem Eriesee ist die

ganze Wassermasse versammelt, welche im | blöcke. Wiederum folgt ein weit in das Geweiten Nordwesten der Vereinigten Staa stade hineingerissener Kessel, der sogenannte ten aus tausend Flüssen und Seen zu Wirbelpfuhl, in welchem die Gewässer in sammenfließt. Jeder der großen Landseen breiten brausenden Wirbeln umherkreisen. entläßt sie vermehrt in den folgenden See Steigt man bis zu ihrer Tiefe hinab, so durch schmale Durchlässe, da jeder folgende starren rings düstere Felsen, scheinbar bis See ein wenig tiefer liegt als sein Vorgänger. hoch in die Wolken. Uralte Baumriesen, Um aber aus dem Eriesee in den leßten, den umhangen von dichtem Flechtwerk, umstehen Ontariosee, zu kommen, hat die gesammte die weiten öden Wasserwirbel. Schlamm Wassermasse auf zwölf Stunden Weges ein und Sümpfe und ein furchtbares Gewirr von Gefälle von 334 Fuß zurückzulegen, denn modernden Stämmen und Rankengewächsen um so viel steht der Spiegel des Ontario | hemmen den Eintritt in das feuchte Waldniedriger als der des Erie. Der Durchlaß dunkel. Aus dem Wirbelpfuhl fließt der zwischen beiden Seen ist der Niagarastrom, Strom ruhiger ab, aber noch anderthalb nur etwa zwölf Stunden lang, zugleich die Stunden windet er sich in der finstern Schlucht Grenze zwischen den Freistaaten und den dahin, dann tritt er auf einmal in die freundenglisch-canadischen Besizungen. Bei seinem liche lichte Ebene hinaus, eingefaßt zu Füßen Ausflusse aus dem hellen Eriesee strömt das der Schlucht von zwei Städten, Queenston und Wasser die erste halbe Stunde reißend schnell, Lewiston. Ruhig und glatt fließt der Strom dann aber gleitet der Niagara sanft und noch die leßten drei Stunden bis zum blanflar durch eine Gegend, welche so ganz nie ken Seespiegel des Ontario. Sein Gefälle drig und eben ist, daß ein Anschwellen des bis dahin beträgt nur noch 3 Fuß, während Wassers auf nur 30 Fuß das Tafelland der Strom auf gleicher Wegeslänge in der weit und breit überschwemmen müßte. Wie Schlucht 104 Fuß Gefälle zurücklegte. ein ruhiger See dehnt daher der Strom seine Wellen aus bis zu einer halben Stunde Breite, umfließt mehrere bebüschte Inseln und ver: einigt zulegt seine Gewässer zu einer Breite von fast einer Wegstunde. Auf diesem Wege von fünf Stunden beträgt das ganze Gefälle des Stromes kaum 12 Fuß. Dann aber wird das Wasser unruhig, es beginnt im Flußbette eine schiefe Ebene, auf deren Höhe aber der Strom sich wieder theilt vor der Ziegeninsel, einem kleinen waldigen Felseilande. Der stärkste Strom bleibt auf der Canadasseite, auf weniger als einer halben Stunde Weglänge schießt er hier 52 Fuß tosend und schäumend nieder, immer rascher und rascher, bis er am Ende der Ziegeninsel plößlich hinabstürzt 160 Fuß tief in einen Felsenkessel. Unterdessen zertheilte sich die Strömung an der amerikanischen Seite in mehrere Arme, welche durch und um die Insel eilen, um sich zulezt dicht neben ein ander in gleicher Höhe hinabzustürzen, und zwar im rechten Winkel mit dem Hauptstrome, zugekehrt mit ihrer ganzen Breitseite dem jenseitigen User.

Geht man nun am Rande der Schlucht, so sieht man von den Fällen an noch über eine Wegstunde das Wasser tief unten fort stürzen, schäumend beneßt es hier die steile Wand, dort eine Schlammbank, an den meisten Stellen Reihen herabgestürzter Fels

Wie aber, fragt sich Jeder unwillkürlich, kommt in diese ebene Gegend eine solche Schlucht? Der furchtbare Wasserandrang konnte wohl ein Bette ausschleifen, aber niemals die Felslagerungen spalten. Brach sie denn ein Erdbeben aus einander, oder hat vielleicht in uralten Zeiten die Meerfluth diese Schlucht aufgerissen? Beides kann die Ursache nicht gewesen sein. Denn ein Erdbeben spaltet den Boden nicht in solchen Krümmungen, und anstürmende Seewogen können nicht eine lange enge Schlucht einbrechen, die senkrechte parallele Wände hat, gleichweit am Ende wie am Anfange, und auf ihrem Grunde ausgehöhlter ist, als an den Rändern. Auch hat sich in den letzten Jahrhunderten Manches bei den Fällen verändert und verändert sich noch fortwährend, ohne daß Erdbeben, Seewogen oder sonst ein besonderes Naturereigniß dort umherges stört haben. Der erste gebildete Weiße, welcher den Niagara erblickte, war der Franziscaner Hennepin, ein Flamander, im Jahre 1678. Erstaunt und entzückt darüber versuchte er, die Fälle zu beschreiben und aus der Dertlichkeit zu erklären und nahm auch eine Abbildung davon auf. Diese zeigt uns, daß er die Natur zwischen dem Eriesee und den Fällen wohl aufgefaßt hat. Er beschreibt und zeichnet nun einen dritten Wasserfall, auf der canadischen Seite, dem amerikanischen

grade gegenüber. Schon siebenzig Jahre, das Gesetz herrscht, daß das Gestein nach später war dieser dritte Fall verschwunden: unten hin weicher, nach oben hin härter und damals war der schwedische Naturforscher | feinkörniger wird. Kalm da, welcher auf seine Zeichnung an die Fällt nun der Strom an der senkrechten Stelle des dritten Falles ein a sezte und Felswand hinunter, so wird sie an drei Steldazu in der Note bemerkte: Hier war len zugleich angegriffen. Erstens wird das früher das Wasser von seinem graden Laufe | Gestein auf der Fallhöhe von den raschen weggezwungen durch einen vorspringenden Wellen und mitlaufenden Kiesen und RollFelsen, der, als er noch stand, das Wasser schräg abwendete, kreuzweise zum andern Fall." Kalm erzählt, daß dieser Felsen einige Jahre früher eingestürzt sei. Es steht nun feiner fest, daß in den Jahren 1818, 1828, 1850 große Felsblöcke an den Fällen los brachen und mit donnerähnlichem Krachen in die Tiefe stürzten, und Anwohner des Nia gara wollen behaupten, seit den leyten vierzig Jahren hätten sich alle Fälle viel tiefer ein gefressen und von der Ziegeninsel einige Acer Landes abgerissen.

steinen abgerieben. Die obere Kalksteinplatte wird daher am Fallrande nach und nach dünner. Die nächst darunterliegenden Schichten sind geschüßt, weil der Strom, auf der schiefen Ebene heranstürzend, im weiten Bogen über die Felsenkanten hinausschießt. Am mächtigsten aber wirkt die Stoßkraft des Wafsers zweitens unten, wo seine Wucht aufprasselt. Da bricht, höhlt und spült es so lange, bis es einen hinlänglich tiefen Kessel gegraben hat oder auf härteren Felsgrund kommt, der dann bereits durch tieferes Wasser geschüßt wird. Zwischen dieser stürzenden Wassersäule und der hinteren Felswand kreisen und rollen daher die heftigsten Wirbel, welche unablässig tiefer in das rückliegende Gestein einfressen. Während dieses auf dem Grunde vor sich geht, wird drittens auch das nächst darüber liegende Schiefergestein durch unaufhörliche Sprigwellen und eindringende Feuchtigkeit gelockert und zerbröckelt. Die festere Kalksteinmasse bleibt nun so lange über der ausgebröckelten Höhlung vorragend liegen, als noch so viel Schiefermasse da ist, um den Schwerpunkt der Kalksteinplatte sammt dem Wasserdruck auf derselben zu tragen. Verliert endlich die obere Platte diese Stüße, so bricht sie ab, neigt sich, oder stürzt ganz herunter, und das alte Spiel des Wassers beginnt von Neuem zunächst gegen die unteren weichsten Schieferlager.

Gleich bei dem ersten Anblicke der Fälle ist man geneigt, diesen Berichten beizustimmen. Die Felsränder, über welche das Wasser stürzt, bieten überall nur rechtwinklige Zacken: linien, und senkrecht unter dem amerikanischen Fall liegen noch die Felsblöcke, welche aus den Lücken oben losgebrochen sind. Ist man unten in der weiten Schlucht, erblickt man hoch über sich an zahllosen Stellen das Gestein in Zacken und Tafeln und Blöcken frei in die Luft hineinragen. Fast überall sind die 300 Fuß hohen Wände in einer Krümmung von unten nach oben ausgebrochen. Wer zur Ebbezeit den Weg unten um Helgoland versucht, hat einen ganz ähnlichen Anblick. Diese Erscheinung erklärt sich aber, wenn man die Masse, aus welcher die Wände der Schlucht bestehen, näher betrachtet. Zwei sehr verschiedene Gesteinsarten lagern bei den Fällen wagerecht über einander, die obere 80, Den deutlichsten Begriff von dem inneren die untere etwa 90 Fuß mächtig. Die un- Bau des Niagarabettes gibt ein Gang hinter tere Gesteinsmasse ist eine Art dunkelbläu- den Hufeisenfall, eine der fabelhaftesten Fahrlichen Schiefers, den man Niagaraschiefer, ten, die man auf dieser Erde machen kann. auch Mergelschiefer nennt. Kurze Zeit ge- Weil nämlich die oberen Ränder des Felsens wässert zerfällt er leicht in kleine eckige Stück- etwas über dessen Fuß hervorragen und die chen. Ganz unten am Boden ist dies Ge- Wassermasse in einem festen dichten Strom stein am weichsten, je weiter nach oben, desto im Bogen herabstürzt, so bleibt zwischen diemehr verhärtet es sich, indem dünne Schich- sem und der Felswand ein Zwischenraum, ten unreinen Kalksteins durchlaufen, bis es in welchen man ziemlich weit eindringen kann. in seinen obersten Theilen ganz in Kalkstein | Mühsam tlettert man zwischen Felsbrocken übergeht. Dieser bildet die obere viel här und kochender Brandung dem Führer nach tere Masse. Er ist zwar durchaus nur regel in die Sturzbäder hinein. Hier tritt man mäßig geschichtet, jedoch enthalten auch die auf festeres Gestein, welches einen schmalen, unteren Schichten mehr Thon und Bitumen, aber ebenen Pfad bildet, hinter die wirbelndie oberen mehr Kiesel, daher hier ebenfalls | den Wassersăulen. Da befindet man sich in

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falbem Lichte, wie in einem engen, lang ge: | daß wir das obere Kalksteinlager zwischen
wundenen Höhlengang, dessen Wandung auf jenen früheren Ufern wie eine Mulde aus-
der einen Seite der mit ungeheurer Gewalt getieft finden, fünfmal so breit als die jeßige
stürzende Wasserfall, auf der anderen ein Schlucht, welche grade längs der Mitte dieser
Gestein bildet, welches so locker ist, daß sich Mulde und zehnmal tiefer eingerissen ist.
leicht Stückchen abschlagen lassen. Man steht kein Zweifel also, es gab eine Zeit, wo die
offenbar auf einem vorspringenden Felsrande, jezige 1000 Fuß breite Schlucht noch nicht
vor und unter welchem ein weiter Kessel aus- bestand, sondern der Niagara als ein mäch-
getieft ist, der das Wasser aufnimmt. Wenn tiger 5000 Fuß breiter Strom daherzog.
man den Führer fest anfaßt, kann man vor-
gebeugt sich überzeugen, daß dieser Kessel noch
viele Fuß unter dem Plaze liegt, wo man
steht. An die freie Luft zurückgekehrt, wo
die Brust sich erleichtert fühlt und tief Athem
holt, sieht man jene wohlgelegene Felsplatte
einige Schritte weiter zu Tage treten und
erkennt, daß sie zwar nur 6 Fuß dick ist,
aber allerdings aus einem sehr festen, grauen
Kaltstein besteht.

Eine zweite Wahrnehmung: Wir gehen von den Fällen die drei Stunden Weges an der Schlucht hin bis zu der Stelle, wo der Boden sich plößlich steil hinuntersenkt und wir tief unten Queenston und den Niagara aus seiner Schlucht herauskommen sehen. Wir merkten auf unserm Wege nicht, daß der Boden leise anstieg: gleichwohl befinden wir uns an dieser Stelle über dem Wasserspiegel des Eriefees. Rechts und links starren FelsSteht nun durch geschichtliche Zeugnisse bänke zu Tage, deren Linie man, so weit das seit zwei Jahrhunderten fest, daß mächtige Auge reicht, verfolgen kann. Die Höhe die Felsstücke an den Fällen losbrachen und ab- ses Riffs selbst beträgt 38 Fuß über dem wärts stürzten, ergeben sich diese Thatsachen Eriesee. Hier war also, als das Gewässer als nothwendig aus der Art und Schichtung sich zuerst vom Eriesee her verbreitete, ein des Niagaragesteins und aus der Wirkungs- Damm, vor dem es sich seeartig stauen mußte. weise des stürzenden Wassers; so ist auch Daß wirklich vor Zeiten hier ein Süßwassersee klar, daß mit jedem aus seinem oberen Rande bestand, wird durch zwei Thatsachen auf das losbrechenden Stück der Wasserfall um eben Klarste bestätigt. Ganz oben in den vorher so viel zurückgewichen ist, als jenes Stück bezeichneten alten Flußufern, auf der ZiegenRaum einnahm. Der nächste Schluß ist: insel, und an verschiedenen anderen Stellen, der Strom selbst hat die ganze Schlucht vom weit vom Niagara, finden sich versteinerte Anfang bis zum Ende in die Felsen einge- Süßwassermuscheln, und zwar sind es genau graben. dieselben acht Arten, wie sie noch jezt im Sehen wir zu, ob sich äußere Wahrneh- | Eriesee und im Niagara leben, auch finden mungen finden, welche diesen Verstandesschluß sie sich ganz in dergleichen Art und Weise unterstüßen. Da zeigt sich nun eine Reihe unter einander gemischt wie dort. Auffallend von Thatsachen, welche die eine hinter der genug befinden sich alle diese Muschellager, anderen immer tiefer uns einen Blick in ent- obwohl sie an weit von einander entfernten Legene Perioden eröffnen. Punkten angebrochen sind und an anderen sich nur inselartig zeigen, in ungefähr gleicher Höhe über den Fällen. Deckte man eine Tafel über diese ganze Landschaft, so würde sie jene zerstreuten Punkte der obersten Muschellagerung fast zugleich berühren. Zugleich aber liegen sie alle nur so viele Fuß niedri ger unter dem vorher gedachten Queenstonriff, als etwa die Wasserhöhe betrug, auf deren Grunde die Muscheln lebten. Die andere Bestätigung bietet uns das Erdreich selbst. Es besteht auf dem Tafellande in seinen untersten Schichten aus Lehm, darüber liegen Betten von Sand und Kies und zwischendurch wieder Lehm, worin die Muscheln eingehällt ̧ find, und in welchem man auch neben dem amerikanischen Falle die Knochen eines det

Zuerst: an beiden Seiten der jeßigen Niagaraschlucht und eine Strecke von ihr entfernt, jedoch ziemlich parallel mit ihr, ziehen sich Terrassen hin, welche bis zu 40 Fuß anstei: gen. Zwischen diesen Terrassen, und noch mehr längs des Fußes derselben, finden sich eine Menge von Rollsteinen, welche nur vom Gestein oben am Eriesee abgebrochen sein können und hierher geschwemmt sind. Zwischen diesen Terrassen bewegte sich also einst fließendes Wasser, welches vom Eriesee her die Rollsteine mit sich führte, jene Terrassen sind nichts als frühere Flußuser. Sie sind zwar jezt vielfach verwaschen, durchbrochen und abgeplattet, aber ihre Linien sind noch deutlich zu erkennen. Es correspondirt damit,

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