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Zeitschrift

der

Deutschen geologischen Gesellschaft.

4. Heft (October, November, December) 1890.

A. Aufsätze.

1. Beiträge zur Kenntniss der fossilen
Arachniden.

Von Herrn ERICH HAASE in Königsberg i. Pr.

Hierzu Tafel XXX u. XXXI.

1. Die ,,Anthracomarti“.

Nachdem bereits 1834 in Cyclophthalmus (= Microlabis) CORDA eine zu den Scorpiones gehörige Arachniden - Form der Steinkohlenformation entdeckt worden, wurde die erste Vertreterin der übrigen Ordnungen der Arthrogastren erst 1868 von G. H. SCUDDER1) unter dem Namen Architarbus rotundatus beschrieben.

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SCUDDER erkannte sofort die Aehnlichkeit der fossilen Form mit den Phalangiiden" und Phryniden, die sich besonders in der „Anordnung der Beine" zeigte und hob den breiten Ansatz des Thorax an das Abdomen" als einen an die „Phalangiiden erinnernden Charakter hervor, während er zugleich die scharfe Umgrenzung, Grösse und Segmentzahl des Hinterleibes und die Wölbung der Mitte der Grundsegmente desselben“ als Zeichen näherer Verwandtschaft mit den Phryniden anführte.

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Bald darauf erkannte H. WOODWARD 2) eine schon 1837 von BUCKLAND in dem „Bridgewater Treatise" unter der Bezeichnung

1) G. H. SCUDDER. Suppl. to the Descript. of Articulates etc. (Rep. Geol. Survey Illinois, III, 1868), p. 568.

2) H. WOODWARD. On the discovery of a new and very perfect Arachnide from the Ironstone of the Dudley Coal-Field (Geol. Magazine, VIII, 1871), p. 385-388, t. IX.

Zeitschr. d. D. geol. Ges. XLII. 4.

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„Curculioides Prestvicii als Rüsselkäfer gedeutete ArthropodenForm der Steinkohle als arthrogastres Arachnid und stellte sie als Eophrynus Prestvicii zu den Cherneten (Pseudoscorpiones). Im nächsten Jahre beschrieb H. WOODWARD 1) aus der Kohle von Lancashire eine neue Arthrogastren - Form. welche er nach ihrer anscheinenden Aehnlichkeit mit ScUDDER'S Art der Gattung Architarbus einreihte und A. subovalis nannte.

Ers 12 Jahre später wurde eine weitere Arthrogastren-Form von ausgezeichneter Erhaltung und bedeutender Grösse in der Steinkohle von Zwickau entdeckt, welche H. B. GEINITZ2) als Kreischeria Wiedei ebenfalls zu den Cherneten und zwar näher zu Architarbus stellte.

Im selben Jahrgange derselben Zeitschrift beschrieb auch F. KARSCH) eine neue Arthrogastren-Form als Anthracomartus Voelkelianus und versuchte zugleich, eine systematische Uebersicht der bekannten Steinkohlen - Arachniden zu geben.

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So schloss er Kreischeria von den Pseudoscorpionen besonders wegen ihrer immensen Körpergrösse" aus und stellte sie zu den Opilionen in die Familie der Troguliden. Für Architarbus, Anthracomartus und Eophrynus glaubte er dagegen eine neue Ordnung arthrogastrer Spinnen aufstellen zu müssen, welche er nach seiner neuen Form Anthracomarti benannte. Zwar unterschied er dieselbe durch die von oben her sichtbaren Palpen und Kieferfühler" von der Familie der Troguliden. doch lässt sich seine Diagnose sowohl auf die Ordnung der Opiliones als auch auf die der Chernetes anwenden, da sie kein diese ausschliessendes Merkmal enthält.

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Seine Anthracomarti theilte KARSCH in die zwei Familien der Architarb(o)idae und der Eophryn (o)idae, von denen nur erstere eine gleiche Zahl der Dorsal- und Ventralplatten des Hinterleibes und ein glattes Integument besitzen sollte und aus den Gattungen Architarbus und Anthracomartus bestand.

In der umfassenden Zusammenstellung der paläozoischen Arachniden, welche SCUDDER Zwei Jahre später gab1), bezeichnete

1) H. WOODWARD. On a new Arachnide from the Coal-Measures of Lancashire (Geol. Mag., IX, 1872), p. 385-387, t. IX.

2) H. B. GEINITZ. Kreischeria Wiedei, ein fossiler Pseudoskorpion aus der Steinkohlenformation von Zwickau (diese Zeitschr., XXXIV, 1882), p. 238-242, t XIV.

3) F. KARSCH. Ueber ein neues Spinnenthier aus der schlesischen Steinkohle und die Arachniden der Steinkohlenformation überhaupt (diese Zeitschr., 1882), p. 556–561, t. XXI.

4) G. H. SCUDDER. A Contribution to our knowledge of Palaeozoic Arachnida (Proceed. Amer. Ac. Arts and Sciences, XX, Boston 1885), p. 13-23.

Dieser zwar KARSCH'S Definitionen etwas scharf als both insufficient and to some extent based on altogether subordinate characteristics", fasste aber doch alle aus der Kohle bekannten Arachniden mit Ausnahme der bereits früher zu den echten Spinnen gestellten Gattungen Protolycosa RÖMER und Palaranea FRITSCH, Weiter der als zu den Pedipalpi (i. sp. Thelyphonidae) gehörig erkannten Gattung Geralinura und endlich der echten Scorpione, in eine Ordnung zusammen, die er zwar ebenfalls „Anthracomarti KARSCH" benannte, zu der er aber im Gegensatz zu KARSCH auch die Kreischeria stellte 1).

Auch SCUDDER lässt etwaige Beziehungen seiner Ordnung"

zu den Chernetes und Opiliones unberührt.

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Die Anthracomarti SCUDD. zerfallen in 5 Familien, welche hauptsächlich durch den Körperumriss, die Einlenkung der Beine und die Zahl der Hinterleibsringe sich unterscheiden:

1. Arthrolycosidae HARGER mit Arthrolycosa HARGER und Rakovnicia KUSTA);

2. Poliocheridae SCUDD. mit Poliochera SCUDD.:

3. Architarboidae KARSCH mit Geraphrynus SCUDD., Architarbus SCUDD. und Anthracomartus KARSCH;

4. Eophrynoidae (SCUDDER nec KARSCH!) mit Kreischeria und Eophrynus.

Endlich führte J. KUSTA) in seiner Uebersichtstabelle der Rakonitzer carbon - permischen Fauna als zur Ordnung der Anthracomarti KARSCH gehörig die Familie der Arthrolycosidae HARGER mit Rakovnicia und den drei neu aufgestellten, später zu behandelnden Gattungen Eolycosa, Geralycosa und Scudderia, und die Familie der Architarbidae KARSCH mit den Arten von Anthracomartus und einer neuen Form, Eotarbus litoralis, auf, welche ebenfalls unten besprochen werden soll.

Der grösseren Sicherheit der Resultate wegen wollen wir mit der Beurtheilung derjenigen Formen beginnen, von denen uns bisher allein die bisher gegebene Diagnose vorliegt, um zu denen überzugehen, von welchen auch Abbildungen existiren und mit denen zu schliessen, welche wir selbst untersuchen konnten.

SCUDDER'S Poliocheridae (1. c., p. 16) werden von ihm gekennzeichnet durch den viereckigen Cephalothorax, das wahr

1) Dasselbe System der Arachniden übernahm SCUDDER auch für ZITTEL'S „Paläozoologie“, II, 1885, p. 734-737.

2) Vergl. J. KUSTA. Neue Arachniden aus der Steinkohlenformation von Rakonitz (Sitzb. d. k. böhm. Ges. d. Wiss., Prag 1884 [1885]), p. 400, fig. 3.

) Ebendaselbst, 1888 (1889), p. 207.

scheinliche (apparent) Ausstrahlen der Hüften von einer „Mittellinie" und die gerundete Form des aus vier Segmenten bestehenden Hinterleibes.

Schon diese geringe Zahl der Abdominalringe dürfte darauf hinweisen, dass wir in Poliochera eine stark durch Reduction modificirte Form der Arthrogastren zu erblicken haben. — In der That findet sich nun auch bei einer recenten Gattung der Troguliden, Cryptostemma GUÉRIN. ein ähnlicher Körperumriss, eine Längsfurche auf dem Cephalothorax und anscheinend vier Hinterleibssegmente, von denen ebenfalls wie bei Poliochera das basale nur ein Drittel der Länge der übrigen erreicht. Auch ist die very indistinct or no" Längs sculptur des Hinterleibes von Poliochera mit den deux impressions obliques à la base de chaque segment" von Cryptostemma Westermanni GUER. Guinea 1) vergleichbar. Schliesslich beträgt, um auch das nach meiner Ansicht für die Bestimmung von Verwandtschafts- Beziehungen epimorpher Arthropoden ziemlich nebensächliche Criterium der Körperlänge heranzuziehen, dieselbe bei der CryptostemmaArt 10 mm und bei Poliochera punctulata SCUDD. 15 mm. Somit dürften wir nach der blossen Diagnose SCUDDER'S Poliochera zu den Troguliden stellen.

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aus

Die von SCUDDER zu der Familie der Architarbidae gestellte Gattung Geraphrynus (1. c., p. 16) hat ebenfalls von einer Mittellinie ausstrahlende Hüften, dagegen ein spindelförmiges, aus neun" Segmenten bestehendes, an der Basis nicht eingeschnürtes, am Ende gerundetes Abdomen. Leider hat SCUDDER nicht erwähnt, ob die large triangular post-thoracic plate, crowding the middle of the first five short segments out of a straight transverse line" der Bauch- oder Rückenseite angehört, doch lässt die entschiedene Angabe über die Insertion der Hüften annehmen, dass die Ventralseite des Abdruckes vorliegt.

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Dann entspricht die postthoracic plate", welche die 5 nächsten kurzen Segmente in der Mitte zusammendrängt, der stark vorgewölbten, bei geschlechtsreifen Thieren am mächtigsten entwickelten Genitaldeckplatte des zweiten Abdominalsegments der Phryniden (vergl. Taf. XXX. Fig. 1 gen. u. 2, II). Zwar besteht das Abdomen auch bei Phrynus (Tarantula) aus 12 Segmenten, doch sind dieselben erst bei genauerer Untersuchung erkennbar und hätte auch Geraphrynus, wenn unsere Deutung der „postthoracic plate" richtig ist, mindestens zehn Hinterleibsringe besessen.

1) Vergl. WALCKENAER et GERVAIS. Hist. nat. Ins. Aptères, Paris 1844, III, p. 131, t. 39, f. 4.

Weiter spricht die Angabe SCUDDER'S über das mediane Zurückweichen der hinter dieser grossen Platte liegenden kurzen Segmente für die Zugehörigkeit von Geraphrynus zu den Pedipalpi Denn auch bei Thelyphoniden und Phryniden springt die rückwärts gerichtete Vorwölbung der Genitaldeckplatte gegen die Mitte der beiden folgenden schmalen Ventralschienen vor. Diese schmalen Platten gehören dem III. und IV. Abdominalsegment an und tragen an ihrem Vorderrande die Lungenstigmata.

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Auch das Ausstrahlen der Hüften von einer Mittellinie" spricht nicht gegen die Zugehörigkeit zu den Pedipalpen, da sich bei den Thelyphoniden ebenfalls diese ursprünglichere Anordnung der Beine erhalten hat, während sie schon bei den Phryniden in die strahlige, um eine centrale Sternalplatte gruppirte Insertion übergeht.

Die Kiefertaster (maxillary palps, patte-mâchoires) von Geraphrynus carbonarius, sind „slender than the legs, longer than the cephalothorax and of uniform size throughout", was ebenfalls auf Pedipalpen-artige Formen hinweist. Ebenso lässt das anscheinend sitzende, hinten abgerundete Abdomen auf die Verwandtschaft mit Phrynus schliessen, welche auch im Gattungsnamen ausgesprochen ist.

Um nun zu denjenigen Formen der Anthracomarti ScUDD. überzugehen, von denen wir schon eine bildliche Darstellung besitzen, so zeichnet sich vorerst Arthrolycosa HARGER durch den runden, das Abdomen an Breite übertreffenden Cephalothorax, das Ausstrahlen der Hüften von einer Mittelgrube und das schmälere ovale, aus 7 Segmenten bestehende anhangslose Abdomen aus, dem jede Längssculptur 1) fehlt Nach SCUDDER'S Prüfung (1. c., p. 15) der im Yale College Museum befindlichen Type enden die Taster nicht scheerenförmig, wie HARGER es angegeben.

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Gestützt auf die Resultate einer neuerdings unternommenen Freilegung der Type vermochte auch CH. E. BEECHER) die Angaben SCUDDER'S über die Tasterform zu bestätigen. Seine weiteren Feststellungen, welche sich auf die Anordnung der Augen, die Gliederung und Richtung der Mandibeln, den Besatz der Rückenplatten des 7 gliedrigen Abdomens mit Knötchen beziehen, machen. es sehr wahrscheinlich, dass engere Verwandtschaftsbeziehungen zwischen Arthrolycosa und Protolycosa und ebenfalls der recenten

1) Damit sind die später zu besprechenden Dorsopleuralnähte gemeint.

2) Americ. Journ. of Science (3 S.), Vol. XXXVIII, p. 219-223 (nach BERTKAU Ber. für 1889, p. 27).

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