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ཝཱ

Sitten und Tugenden am meisten bei2). Wahrlich die Musik bildet am besten die Sitten, und verbess sert den wilden Zustand der Seelen. Aber wohlgemerkt, wir geben die Lonkunst nicht für eine Quelle der Tugend aus: wir behaupten bloß, daß sie, durch die Kunst, einen großen Reiz, eine größere Leichtigkeit erhalte. Wir behaupten von dieser Tugend, was Möser von der Liebe sagt. Die Liebe, spricht er, ist eine Lugend, wer sie aber von alle dem

dieselbe Allgemeinheit hat, wie das Wort en, und die gewöhnliche Uebersetzung desselben ist, durch den Zusatz: Ge. müthszustände oder Temperamente. Daher scheint mir auch der Ausdruck genau und philosophisch zu seyn. So wie man auch in Aristoteles Problemen überall findet: quoiwμœ ̈ñýwv — nicht nɑdwv — eine Aehnlichkeit mit Charakteren oder Gemüthsstimmungen, nicht mit Leidenschaften. 2) Nach den Gründen, die Prof. Hauser*) aus den gemeinsten ersten Begriffen der Vernunft und aus der Erfahrung der größten Meister entnommen zu haben vorgiebt, stellt wohl Niemand das wirkliche Daseyn eines musikalischen Schönen, das von unsern Meinungen und von unserm Geschmacke durchaus unabhängig ist, mehr in Zweifel; auch wird wohl Niemand an dem aufgefundenen Mittel zweifeln, wodurch wir uns den ges waltigen und wunderbaren Einfluß erklären können, den die große Wohlthäterin Musik stets auf das menschliche Gemüth ausgeübt hat, indem sie, wie er sagt, durch ihre zauberischen Wirkungen auf dasselbe nicht bloß oft Retterin der Gesundheit, und des Lebens war, sondern auch, mehr als jede andere Kunst, höchst bildend auf das Herz wirkte, die Leidenschaften mäßigte, die Sitten verfeinerte, die Menschen: zur Geselligkeit, zur Einigkeit und Liebe verband, des Lebens Arbeit erleichterte, und uns oft auf den Schwingen ihrer heiligen andachtsvollen Harmonien, wie ein überirdischer Genius, vor den Thron der Gottheit

*) Dessen: Versuch über das Schöne in der Musik. Ein Programm. (Erfurt, 1834) p. 28. fld.

entblößen wollte, was sie von der Güte unserer Meis nungen, von der Harmonie der Empfindungen, von eisnem zärtlichen Kummer, von einsamen und zerstreuten Entzückungen, und andern, durch menschliche Ausdrücke, noch nie geschwächten Begeisterungen, er hält; wer ihr die Reizungen der Schönheit, die Schmeichelei der Siege, die sinnlichen Erkenntlichkeiten und dieß Gefühl keuscher Wollust entziehen wollte, der würde zwar die Liebe, wie sie als eine Lus gend von den Weltweisen beschrieben wird, behalten, aber ihr ihren Reiz nehmen, und hoffentlich nicht so grausam seyn, sie unter Menschen zu suchen 3). — Aus diesem Grunde fucht auch der brittische Anthropo loge uns mißtrauisch gegen einen Mann zu mas chen 4), der durch die Eintracht lieblicher Löne nicht gerührt wird. In seinem Kaufmanne von Venedig", Aft V. Sc. I. sagt er:

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Gelenkt hab' Orpheus Bäume, Felsen, Fluthen,
Weil Nichts so stöckisch, hart und voll von Wuth,
Das nicht Musik auf eine Zeit verwandelt.

Der Mann, der nicht Musik hat in ihm selbst,

Den nicht die Eintracht füßer Löne rührt,

Laugt zu Verrath, zu Räuberei und Lücken,
Die Regung seines Sinnes ist dumpf wie Nacht,
Sein Trachten düster, wie der Erebus.
Trau keinem solchen 5).

trug, wo sie uns die Belohnungen unerschütterlicher Hoffnung und die Seligkeiten eines reinen Herzens vorempfinden ließ.“

3) Ueber den Einfluß der Musik auf die Tugend. M. vgl. auch die neuesten Mannichfaltigkeiten. IV. Jahrg. S. 488. 4) Was übrigens zu weit gegangen ist. Vgl. Thl. I, p. 202,

Shakespeare's Bösewichter sind deßhalb immer Mus sikscheu6). Wenn nun aber menschenfeindliche Gesinnungen und Thaten, niedrige elende Ausbrüche des Neids, der Bosheit, der Schadenfreude, fast immer nur Ausflüsse eines schwarzen, gallsüchtigen Herzens sind, und schon ihrer Natur nach in dem Zustand mürrischer Mißmüthigkeit liegen, so muß sich anderer Seits die Tonkunst überhaupt sehr gut mit der Lugend vertragen können, weil sie das Herz in den Zus stand der Behaglichkeit, der Ruhe, der Zufriedens heit seßet. Die allerbeste Vorbereitung zur Tugend, sagt Junker, ist diese, daß sie die Seele von der unmåßigen Liebe des sinnlichen Vergnügens abzieht. Sie lehrt sie nach und nach auch an solchen Gegenständen ein Vers gnügen finden, deren unmittelbare Wirkung auf die sinnlichen Werkzeuge, sie sich nicht bewußt ist; dadurch, daß sie die Seele auch an edlen Vergnügungen Geschmack finden lehrt, vervielfältigte sie zugleich die Quelle ihrer Freuden, und sichert sie immer vor Ekel und Ueberdruß. Da die Musik nun an solchen sinnlichen Gegenständen Vergnügen findet, bei welchen sie sich der Berührung des Organs nicht bewußt ist, so lernt sie auch an solchen Geschmack finden, die

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Since nough so stockish, hard, and full of rage,
But musick for the time deth change his nature.
The man that no musick in himself,

Nor is not mov'd with concord of sweet sounds,

Jo fit for treasons, stratagems, and spoils;
The motions of his spirit are dull as night,
And his affections dark as Erebus:

Let no such man be trusted.

6) M. vgl. die Abhandlung über Physiognomik, im Göttinger Taschenkalender vom Jahr 1778.

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gar nicht auf die Sinne wirken; wie das morali, sche Gefühl. So führt die Lonkunst die Seele von Stufe zu Stufe ihrer Vollkommenheit immer näher. Tugend, sagt Schmidt, ist Harmonie. Die Lon kunst, sagt Junker, beruht gleichfalls ganz auf den Geseßen. der Harmonie. Wie verwandt ist also der Geschmack an der Kunst, dem Geschmack am Guten und sittlich Schönen! Wie hålt er gleichen Schritt mit der moralischen Empfindung! Beider Quelle liegt in der Einrichtung der menschlichen Natur, beide stüßen sich auf gleiche Grundsäße; beide entdecken, was recht und unrecht, regelmäßig und unres gelmäßig ist; beide freuen sich) über diese Entdeckung. 3 u dem kommt noch, daß die Tonkunst, außerdem, daß sie der Seele die Liebe zur Harmonie beinah zum nothwendigen Geseß macht, sie zugleich auf eis nen hohen Grad von Weichheit, von Zärtlichkeit stimmt, empfindsamer macht, und das Temperament harmonis scher und sanfter bildet. Dadurch wird sie ein hefs tiges Gegenmittel gegen die Gährung und Hiße der Leidenschaften, dadurch erhöht sie die sympathes tischen Triebe der Liebe und des Wohlwollens 7), das durch verwahrt sie vor den groben Ausbrüchen unges felliger Leidenschaften. Diese Weichheit, diese sanfte Güte, diese Empfindsamkeit, die sich von der Tonkunst herschreibt, ist gewiß an sich gut, die Quelle gesells schaftlicher Tugenden, und Triumph für die Kunst selbst. Aber man sagt vielleicht:,,die Tonkunst ist eine weichliche Wissenschaft s), eine weibische Kunst, die

7) Vgl. Th. I. Seite 246. ff.

8) So war sie wenigstens bei den Atheniensern; und so fanden sie die Römer in Griechenland und Egypten bei ihrer

geschickt ist die Herzen kraftlos zu machen, das Feuer zu-tilgen, die Herzhaftigkeit auszu löschen.“ Gesezt auch, um nur Etwas darauf zu antworten, gesett auch, dieser Einwurf wåre wahr, so könnte er es doch bloß einseitig seyn: denn wir haben gesehen, daß es die Tonkunst eben so gut in ihrer Gewalt habe, bes herzt zu machen, den Muth zu entflammen, gute Krieger zu bilden. Wir haben und können uns auf ges wisse Erfahrungen berufen, wo sie diese Wirkung hervorgebracht hat: wir können und haben es in unserer Macht, diese Erfahrungen zu unterstüßen mit der alls gemeinen Anerkenntniß, daß Sie dieß zu thun im Stande sey. Gefeßt also, sie macht einerseits weichlich, es ist eben so gewiß, daß sie anderseits stark, bes herzt, groß und muthvoll mache.

Mars hat die Harmonie auf seinen Kriegswagen neben den Sieg gestellt. Glückliche Verbindung!

Laßt es seyn, daß sie weichlich mache. Aber ich frage: Hat man denn nicht immer gegen diese weibischen Melodien geeifert? hat man sich nicht schon ewig lang und ewig oft wiederholt unsern Rondo's widerseßt, die eigentlich in diese Klasse gehören ? ist man nicht mit der strengsten Geißel der Kritik über unsere weichlichen Modekomponisten her? schreit man nicht ewig: „erniedrigt die Tonkunst nicht unter

Eroberung. Plato verwies deßwegen die lydische Tonart (s. oben Th. I. p. 279. Anm. 98) aus seiner Republik, weil sie ihm zu weichlich war. Aristoteles klagte über die allzugroße Verfeinerung der Musik zu seiner Zeit: ein Beweis, daß ihre wundervollen Wirkungen zu seiner Zeit schon aufgehört hatten. — Arikorenus klagt ebenfalls darüber, daß man zu seiner Zeit die Musik zu sehr versüßen wollte. (luxaíver).

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