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der rothen Laterne erkennen. Lange Reihen glänzender, schimmernder Punkte übereinander fortlaufend und aufsteigend lassen auf eine terrassenförmige Lage der Stadt der Syrioten schliefsen. Sechs Stunden Rast in dem ruhigen Hafen konnten dem geschaukelten Körper nur wohlthun.

Am 16. waren wir auf dem ägäischen Meere bei abscheulich hoher See. Die Fahrt ist hier selten angenehm; der kurze Wellenschlag verleiht dem Schiffe eine ewig schaukelnde Bewegung. Bei einbrechender Nacht hatte der Dampfer bereits den Eingang der Dardanellen erreicht, Freitag Vormittag sah uns auf dem Marmora-Meere. Seine Küsten, hier Europa, dort Asien -traten näher und näher aneinander heran. Endlich lag am Eingange des Bosporus Konstantinopel in vielgepriesener Schöne vor uns.

Rasselnd senkte sich der Anker in den Meeresgrund. Bis hieher hatten wir das Ziel unserer Wanderung glücklich erreicht. In verhältnifsmäfsig kurzer Zeit, nämlich 124 Stunden, war der weite Weg von Triest bis Konstantinopel unter sehr günstigen Umständen von dem Dampfer zurückgelegt worden.

II. Kapitel.
Konstantinopel.

Es hat ein Reisender einmal die Bemerkung gemacht, man müsse, um sich ohne Beeinträchtigung eines vollständigen Reisegenusses zu erfreuen, vom Meere aus einen Blick auf Konstantinopel werfen, von da aus die Bosporus - Fahrt unternehmen und ohne auszusteigen, gleich wieder umkehren. Der Mann hat so Unrecht nicht! Die byzantinische SiebenHügelstadt vom Decke des Schiffes aus gesehen, ist feenhaft schön - wie viel Beschreiber sind nicht voller Entzücken des Anblickes! - Kaum aber hat der Reisende Angesichts Pera, der Frankenstadt, den Fufs auf's Trockene gesetzt, so zerfliefst das poetische Bild in die prosaischste Nüchternheit.

Das Boot des Lloyd führte uns von dem Standorte des Schiffes im Hafen durch ein Gewirr von Booten, Kaiks, Omnibus - Dampfschiffen nach Topchane oder dem „Kanonenhause" hinüber. Ein Führer, Jude seinem Aus

sehn nach, übernahm es, uns den Weg nach dem empfohlenen Gasthof Missirie in Pera zu zeigen. Auf einem schrecklichen Steinpflaster mufsten wir, noch dazu bergan steigend, durch unergründlichen Koth eine halbe Stunde lang fortglitschen, bis wir uns endlich in der Hauptstrasse Pera's vor dem Eingange des europäisch eingerichteten Hôtels befanden, in dem man sich gegen 17 Francs täglicher Pension häuslich niederlassen darf.

Grofströpfig fiel am Tage unserer Ankunft und an dem darauf folgenden der Regen vom Himmel. Am 18. machten wir den Versuch, unter Führung eines türkischen Kawassen der K. preufsischen Gesandtschaft, zu einer Badstube zu gelangen, um die vielgerühmte Annehmlichkeit einer türkischen Abwaschung in bester Form zu geniessen.

Die Häuser an beiden Seiten der Strafsen, die wir durchwateten, schienen in einem grofsen See zu stehen, der durch aufgethürmte Kothberge und da, wo der Weg abschüssig geht, wie nach Galata und der Badstube zu, durch rauschende Giefsbäche herabfliefsenden schmutzigen Regenwassers unterbrochen wird. Da hiefs es, sich wacker durchzuarbeiten. Die Mehrzahl der Europäer wanderte in gewaltig grofsen Wasserstiefeln einher, die berittenen suchten sich aufserdem durch Regenröcke und Regenmäntel zu schützen. Die Hauptstrafse Pera's ist ziemlich eng, und führt bei vielen türkischen Friedhöfen vorüber, welche fufshoch über dem Strafsenniveau liegen. Der Mohamedaner liebt es, den Wanderer auf seiner Reise durch ein solches Memento mori! an das letzte Reiseziel zu erinnern. Bis tief in Asien hinein sind die Leichenäcker zu beiden Seiten. der Karawanenstrafsen angelegt.

Laden drängt sich an Laden in der Strafse. Ein jeder hat sein meist in französischer Sprache abgefafstes marktschreierisches Aushängeschild. In gleicher Weise hat jede Strafse ihre besondere französische Benennung, wahrscheinlich eine Reminiscenz civilisatorischer Bestrebungen aus den Zeiten des Krimkrieges her.

Nach Galata zu geht's von Stufe zu Stufe bergab auf dem unbequemen holprigen Steinpflaster. Die Thür der Badstube war endlich erreicht. Weniger schmuckvoll im Innern als die arabischen Bäder, wie man sie in Kairo und Damascus sieht, hatte das türkische den grofsen Vorzug reinlichen, sauberen Aussehns. Der Besitzer des unsrigen war ein Armenier. Die Söhne Haik's, mit denen ich seit meiner Rückkehr aus Afrika zum erstenmale hier wieder zusammentraf, haben in der neuesten Zeit

eine grosse Bedeutung für den Gesammtorient gewonnen. Von Natur mit grofsen geistigen Anlagen beschenkt, voller Scharfsinn und Feinheit, alles leicht auffassend, unternehmungslustig, aber vorsichtig speculirend, dabei mäfsig in seinen Ansprüchen und Bedürfnissen, repräsentirt der Armenier den Geldbesitzer, den grofsen Kaufmann und Industriellen, den eigentlichen Vermittler des Westens mit dem Osten. In der Türkei und in den abhängigen Provinzen dieses Reiches, wie in Aegypten, Syrien und KleinAsien, im Kaukasus, in Persien überall ist es der Armenier, welcher sich auf fremden Boden ansiedelnd bald eine bedeutende Rolle in allen auf Gelderwerb gerichteten Geschäften spielt, und mit kluger Berechnung und Schlauheit die einflussreichsten Personen in seine Netze zu ziehen weifs. Er ist schliefslich die Seele des ganzen Geldverkehrs.

Unser Armenier, der Badstubhalter, empfing uns mit ächt türkischem Ceremoniel, eingeleitet durch die üblichen Worte: salam aleikum „Friede sei über Euch!" Ich will mich nicht in die ausführliche Beschreibung der Geheimnisse des Bades versteigen, welche bis zum unvermeidlichen, aber wohlthuenden Kef am Schlusse aus einer Reihe gut einstudirter und ausgeführter Abreibungen, Abwaschungen, aus Kneten und Verrenken der Glieder bestehen. Das kann man nur empfinden, wie die Wärme des Sonnenstrahles. Das Bad hatte über zwei Stunden gedauert. Wir verliefsen es, zufriedener mit der Wirkung der Behandlung als mit dem Preise, der für drei Personen nicht weniger als sechs preussische Thaler betrug. Achmed, der grofsbärtige türkische Kawafs, geleitete uns durch Regen und Koth bis zur Herberge heimwärts, wo wir bei dem hellen Kaminfeuer sitzend, die nafskalte Witterung zu vergessen suchten.

Konstantinopel hat so gut wie Berlin seinen Winter und seine Regenzeit. In den europäisch eingerichteten Häusern schützen französische Kamine vor der empfindlichen Kälte. Die Türken und ich füge gleich hinzu die Araber und Perser - dagegen erwärmen sich mit Hülfe des sogenannten Mangals. Dies ist eine sonderbare Vorrichtung, die wohl eine nähere Beschreibung verdient.

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Man läfst über Nacht auf dem Dache des Hauses ein mit glühenden Holzkohlen angefülltes und mit Asche bedecktes Metallbecken Mangal genannt ausglimmen, und stellt es in die Mitte des Zimmers. Ein kleiner, etwa anderthalb Fufs hoher Tisch wird darüber gesetzt und über den Tisch eine grofse Decke ausgebreitet, die mit ihren Enden allent

halben den Erdboden oder richtiger den Teppich berührt. Die Familie kriecht nun, um sich zu wärmen, etwa bis zur Brusthöhe von den Füssen unter die Decke, und so haben bisweilen 12 Personen hinreichend Platz und Gelegenheit, von unten herauf warm zu werden.

an,

Die ärmeren Leute, besonders in den persischen Häusern, construiren gleich beim Bau ihrer Wohnungen ein Kohlenloch in der Mitte, über das Tisch und Decke gebreitet wird, und wärmen sich in der beschriebenen Weise. Besonders häufig wenden die Frauen sammt ihren Kindern diese Wärmmethode an, ja schlafen selbst die Nacht hindurch mit dem Mangal, obgleich die Gesundheit darunter leidet, und die Ausdünstung der Kohlen sogar den Tod bei kleineren Kindern herbeigeführt hat. Eine europäische Dame, welche in Teheran zur Winterzeit die Ehre hatte, in den Harem des Schah eingeführt zu werden, fand die Frauen des Hofes unter der Decke des Mangals nebeneinander hockend. Man schien so wenig Auffallendes in der augenblicklichen Lage zu finden, so erzählte sie mir, dass sie sogar aufgefordert wurde, einen Platz unter der Decke mit einzu

nehmen.

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Nichts lehrreicher, nichts anziehender in Konstantinopel, als die Beobachtung und das Studium der Menschen auf den Strafsen Pera's oder Galata's! Die Europäer um mit den ehrenwerthen Landsleuten zu beginnen, die bereits bei den Türken unterschiedslos in die grofse Kategorie der Frengi gestellt werden mag sie der eigene Wille, mag sie Fügung des Schicksals an diesen äussersten Arm der politischen Kloake Europa's geführt haben, sind wohl aus aller Herren Ländern, von dem fein gekleideten Kaufmann und Beamten im türkischen Dienste an, bis zu dem zerlumpten Bettler hin. Am reichsten vertreten ist der Süden, da Griechenland, Italien und Frankreich eine nicht unbeträchtliche Beisteuer zur ethnographischen Liste geliefert zu haben scheinen. Männer und Weiber zeichnen sich durch eine ganz besonders ausgesprochene Putzsucht aus. Selbst das schlimme Regenwetter hält sie nicht ab, sich auf der Strafse im gröfsten Staate zu zeigen, und es gehört anfänglich alle Kraft dazu die Lachmuskeln im Zaum zu halten beim Anblick einer grofsmächtigen Crinoline, die von Füfschen getragen wird, welche auf zollhohen hölzernen Stelzschuhen trippelnd durch Koth und Regenwasser einherschreiten, nur um dem Bedürfnisse Genüge zu leisten, die bunten Fahnen auf der Strafse sehen zu lassen,

Wunderbar im Gegensatz dazu ist die asiatische Welt, in Physionomie und Tracht, welche hier schon in Pera mit der europäischen Bevölkerung in Berührung kommt, und meist der dienenden Klasse angehört. Sie ist am lächerlichsten da, wo sie in meist unschöner Nachäffung alles europäischen Wesens auftritt, bis zum türkischen Soldaten und Kawassen hin, der mit gravitätischer Miene die Strafse Pera's entlang schleicht. In jenem feingekleideten „citoyen“, der ernst und langsam einherschreitet, das pechschwarze starke Haar mit dem feinen Fefs bedeckt, mit der langen, hakenförmig gebogenen Nase und den schwarzen, stechenden Augen mit starken Augenbrauen darüber, erkennst du auf der Stelle den reichen Armenier. Sieh nur, wie er eine Kugel seiner Bernsteinschnur nach der andern bedächtig durch die Finger gleiten läfst, um Gelegenheit zu haben, die Brillanten seiner Ringe den Leuten zu zeigen. Der ruhelose Landsmann des ewigen Juden lässt sich nicht ableugnen aus jenem schönen, aber verschmitzten Gesichte mit bekanntem Rassentypus. Er geht in türkischer oder europäischer Tracht, je nachdem es seine besonderen Interessen erheischen. Werft einen Blick auf die Lammsmaske mit der spitzen, schwarzen Pelzmütze. Schwört er's auch ab, er ist und bleibt der geschmeidige Perser.

An der Farbe erkennt man den Mohren. Das hat man in Kontantinopel in Hülle und Fülle zu beobachten. In allen Abstufungen der Hautfarbe tritt die Negerbevölkerung als eine bedeutende Beigabe des afrikanischen Continentes auf, mögen die einzelnen theils als vielgesuchte Eunuchen, theils als Sclaven oder Diener ihr Leben fristen.

Einen traurigen Eindruck hinterliefs der Anblick der zahlreichen ausgewanderten Nogai-Tataren, welche bekanntlich die russische Nogai-Steppe in grofsen Massen verlassen haben und nach Konstantinopel gewandert waren, um ein neues Vaterland von den rechtgläubigen Muslimen zu empfangen. Die Versprechungen waren glänzender als die Erfolge, wenigstens lungerten sie obdach-, brot- und arbeitslos in den Strafsen Konstantinopels herum und bettelten mit wahrer Wuth jeden anständig gekleideten Spaziergänger an. In ihrem Kopfe, den eine mit Pelzwerk verbrämte Lederkappe bedeckt, zeigen sie viel Mongolisches. Die kleine Stumpfnase und die schräg stehenden Augen sind unverkennbare Merkmale davon.

Nach den Nachrichten, welche wir später an Ort und Stelle von einem

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