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Corneille's „Médée"

in ihrem Verhältnisse zu den Medea - Tragödien des Euripides und des Seneca betrachtet, mit Berücksichtigung der MedeaDichtungen Glover's, Klinger's, Grillparzer's und Legouvé's.

Τὴν Εὐριπίδεω μήτ' ἔρχει μήτ' ἐπιβάλλου
Δύσβατον ἀνθρώποις οἶμον ἀοιδοθέτα.
Λείη μὲν γὰρ ἰδεῖν καὶ ἐπίῤῥοθος· ἦν δέ τις αὐτὴν
Εἰςβαίη, χαλεποῦ τρηχυτέρη σκόλοπος.
Ἂν δὲ τὰ Μηδείης Αιητίδος ἄκρα χαράξῃς,
Αμνήμων κείσῃ νέρθεν· ἔα στεφάνους.
Anthol. pal. VII, 50.

Vorbemerkung.

Pierre Corneille begann seine dramatische Laufbahn mit dem Lustspiel »Mélite«, welches 1629 zum ersten Male aufgeführt wurde 1). Die günstige Aufnahme, deren sich dieser dramatische Versuch erfreute, bewog ihn, sich gänzlich dem Dienste der Musen zu widmen, und so verfasste er denn ziemlich rasch nach einander: »Clitandre<<, >>la Veuve«, »la Galerie du Palais«, »la Suivante« und »la Place Royale. Doch sind dies mehr oder weniger Nachahmungen spanischer Intriguenstücke, da ja, nachdem der Einfluss der italienischen Literatur, der sich seit der Mitte des 16. Jahrhunderts in Frankreich geltend gemacht hatte 2), allmählich nachgelassen hatte, namentlich

1) Die Chronologie der Stücke Corneille's ist bekanntlich ziemlich schwankend und ungewiss; wir folgen hier, wo es ohne Nachtheil für die Sache geschehen kann, der gewöhnlichen Annahme.

2) »Als am 27. September 1548 der König Heinrich mit seiner Gemahlin Catharina von Medici nach Lyon kam, wurde daselbst nicht, wie es bisher immer üblich gewesen war, zur Feier des Einzuges ein »>Mystère«< oder eine > Moralité« aufgeführt, sondern eine Vorstellung der » Calandria<< von dem Cardinal Bibbiena, des damals weitberühmten, des ältesten italienischen Lustspiels, gegeben, und zwar nicht etwa in einer Uebersetzung, sondern im italienischen Original, von Schauspielern, die zu dem Endzweck ausdrücklich von Florenz und anderen Städten Italiens berufen waren.

Französische Studien. I, 3.

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In

durch Urfé's Hirtenroman » Astrée« und Racan's Schäferspiel » Arthénice << «1) an seine Stelle der der spanischen Literatur getreten war, welcher sich sofort nachdrücklich und weithin geltend machte. 'Das einzige Stück von Rotrou, das sich auf dem Theater behauptet hat, >> Wenzeslaw«<, ist nach Francisco de Rojas, die nicht aufgeführte >> Prinzessin von Elis « von Molière nach Moreto, »Don Garcia von Navarra<< ist nach einem Ungenannten gearbeitet, das >> Festin de Pierre« trägt seinen Ursprung an der Stirne, die Werke des Thomas Corneille braucht man nur anzusehen, um zu erkennen, dass sie bis auf wenige Ausnahmen Bearbeitungen spanischer Stücke sind, ebenso die älteren Arbeiten Quinault's, nämlich seine Komödien und Tragikomödien. Racine ist vielleicht der älteste Dichter, der die Spanier nicht gekannt zu haben scheint, wenigstens keinen Einfluss von ihnen erfahren hat' 2). Besonders die Pflege, welche das Schäferdrama und die Tragikomödie damals fanden, war ein Resultat dieser Einwirkung, der natürlich Corneille sich ebenso wenig entziehen konnte, wie die übrigen Dichter. Indessen zeigte er sich insofern als ein originaler Dramatiker, als er in seinen Lustspielen eine einfachere und natürlichere Handlung und Sprache zur Geltung zu bringen suchte, während die übrigen Dichter dieser Periode einem ungemein schwülstigen Stile huldigten, dem sogenannten Marinismus 3), und auf öffentlicher Scene, vor den Augen des Publicums Vorgänge geschehen liessen, die einzig und allein nur dadurch erklärt werden können, dass die weiblichen Rollen von Männern gegeben wurden 4). Unter

Paris trat zuerst im Jahre 1571 eine italienische Truppe auf, die des Directors Albert Ganasse, und im Jahre 1577 liess sich daselbst die Gesellschaft der >>I Gelosi« (d. h. die Eifersüchtigen nämlich auf ihren Ruhm -) nieder.<< Adolph Ebert, Entwickelungsgeschichte der französischen_Tragödie, vornehmlich im 16. Jahrhundert. Gotha 1856. p. 90 u. 122 f. - Vgl. Lotheissen, Geschichte der französischen Literatur im 17. Jahrhundert, I. Band, Wien 1878, p. 52 f.

1) Ersterer erschien 1610, letzteres gegen 1618.

2) A. W. Schlegel, Ueber dramatische Kunst und Literatur. Vorlesungen. Zweite Ausgabe, Heidelberg 1817. Th. II, p. 122. (Es braucht nicht erst bemerkt zu werden, dass im Einzelnen sich gegen Schlegel's Urtheil mancherlei einwenden liesse.) Es lag dies zum Theil in den politischen Verhältnissen. »Die Verbindung mit Spanien, die in jener Zeit fast drohte, Frankreich seiner Universalmonarchie einzuverleiben, war niemals eine lebhaftere.<< Ebert, a. a. O. p. 184.

3) Vgl. Lotheissen, a. a. O. Bd. II. Wien 1879, p. 158 f. Jules Levallois, Corneille inconnu, Paris 1876, passim.

4) Fontenelle, Vie de Corneille, Euvres diverses, nouvelle édition, à la Haye, 1744, t. VI, p. 62: »Le théâtre était assez licencieux; grande familiarité entre les personnes qui s'aimoient. Dans le »Clitandre de P. Corneille, Caliste vient trouver Rosidor au lit; il est vrai, qu'ils doivent être bientôt mariés, mais un honnête spectateur n'a que faire des préludes de leur mariage, aussi cette scène ne se trouve que dans les premières éditions de la pièce.. Rien n'est plus ordinaire dans les pièces de ce temps-là que de pareilles libertés, les sujets les plus sérieux ne s'en sauvent pas. Dans la célèbre »Sophonisbe« de Mairet, lorsque Massinisse et Sophonisbe arrêtent

suchen wir dagegen die oben erwähnten dramatischen Dichtungen Corneille's, die aus dem Zeitraume von 1629 bis 1634 datiren, etwas genauer, so können wir leicht bemerken, wie der Dichter sich einestheils bemüht, den Rahmen des Lustspiels zu erweitern, anderntheils aber auch fortschreitend darnach strebt, die Handlung zu vereinfachen und dem Ausdrucke Klarheit und Eleganz zu verleihen, wie denn schon »Mélite« sich vortheilhaft vor den übrigen Stücken dieser Zeit auszeichnet; denn 'wenn man auch in der Handlung etwas mehr Wahrscheinlichkeit und Consequenz wünschen kann, so würde man doch darin wenigstens vergebens die seltsamen Ungeheuerlichkeiten der Dramen dieser Periode suchen. Fügen wir gleich hier noch mit Herrn Gaillard (Eloge de Corneille) hinzu, dass diese >>Mélite, obwohl an sich so unvollkommen, und weit hinter Corneille's eigenen späteren Werken zurückstehend, doch das beste Stück von Hardy ebenso überragt, wie der »Tartuffe« oder der »Misanthrope<< sich über >> Mélite« erhebt' 1). So relativ bedeutend nun auch Corneille's Lustspiele sind, absoluten Werth besitzen sie durchaus nicht. Wenn aber gar Fontenelle in seinem »Leben Corneille's<< in Betreff dieser Periode bemerkt: »Wir befinden uns hier in einer Zeit, in welcher das Theater durch die Gunst des grossen Cardinals zur Blüthe gelangte, Fürsten und Minister haben nur zu befehlen, dass Dichter, Maler, kurz Alles, was sie wollen, entstehen, und es entsteht. Es giebt eine Unmenge von Genies der verschiedensten Art, die nur auf deren Befehl, oder vielmehr auf ihre Gunst und Gnade warten, um sich zu melden. Die Natur ist immer bereit, ihrem Geschmacke zu dienen. << 2) « so möchte man in der That versucht sein, wie Taschereau sagt 3), zu glauben, dass er sich lustig mache. Denn selbst Corneille, »le poète comique«, würde, wenn er nichts weiter als seine Lustspiele geschaffen hätte, ebenso der Vergessenheit anheimgefallen sein, wie z. B. diejenigen Dichter, mit denen er das >Fünfmännercollegium < 4) bildete, und wie die übrigen fast alle sammt ihren Werken. Nur ein einziges von diesen letzteren hatte

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leur mariage, ils ne manquent pas de se donner des arrhes. Pendant que le théâtre était sur ce pied-là, Lucrèce n'étoit pas un sujet à rebuter; aussi du Ryer l'a-t-il traité sans scrupule, Rotrou a fait une Crisante, qui est une autre héroine_violée par un capitain romain«. Vgl. Lotheissen, Bd. II, p. 23 ff.; Ebert, a. a. O. p. 188. E. Lombard, Etude sur Alexandre Hardy in der »Zeitschr. für neufranz. Sprache und Literatur«, herausgegeben von Körting und Koschwitz, Bd. I, p. 359, Force du sang, p. 372 Scedase, p. 379, Lucrèce.

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1) Taschereau, Histoire de la vie et des œuvres de Pierre Corneille, IIème édition, Paris 1856, p. 12. Besonders berücksichtigt Levallois in seinem obengenannten Werke die wenig bekannten Lustspiele Corneille's. 2) Euvres diverses, t. VI, p. 58.

8) a. a. O. p. 12.

4) »Les cinq auteurs«: Corneille, Boisrobert, Colletet, De l'Etoile und Rotrou.

sich, als unser Dichter bereits den Höhepunkt seines Ruhmes erreicht hatte, noch auf dem Repertoir der Pariser Theater erhalten; es war dies Mairet's >> Sophonisbe<<. Es ist heute schwer zu errathen, welch ein glücklicher Zufall diesem Dramatiker seine »Sophonisbe< diktirte; doch blieb sie das einzige Stück, in welchem er sich ein wenig über seine Zeit erhob. Mit dem Triumphe, den dasselbe errang, hatte Mairet auch schon den Gipfel seines Ruhmes erklommen; denn seine folgenden Tragödien gingen rasch und ziemlich unbemerkt vorüber 1). Dagegen erscheint jenes Trauerspiel, welches im Jahre 1633 zuerst aufgeführt wurde 2), auf Corneille einen tiefen Eindruck gemacht und ihm den Weg angedeutet zu haben, den er künftighin einschlagen müsse. Das Lustspiel passte nicht wohl für das systematische und wenig geschmeidige Talent des Dichters; er konnte seine eigenthümlichen Vorzüge: Grösse, Kraft, Adel der Gesinnung und des Ausdrucks nur in der Tragödie entfalten; und diese Laufbahn seines Ruhmes betrat er mit » Médée«, welche im Jahre 1635 zum ersten Male über die Bretter ging, und von der die Franzosen die Epoche ihres klassischen Trauerspiels datiren 3).

Trotz der Mahnung des Dichters Archimelos in seinem Epigramme 4), haben nach Euripides noch gar manche Tragiker es versucht, die Fabel der Medea dramatisch zu behandeln, wie wir denn wissen, dass bei den Griechen Neophron, der jüngere Euripides, Herillos, Melanthios (oder Morsimos), Dikaiogenes, Diogenes Oinomaios, Antiphon, Karkinos, Biottos und aus späterer Zeit Pompejus Macer, bei den Römern Ennius, Attius, Ovidius Naso, Curiatius Maternus, Lucanus, Seneca, Bassus 5), von den Neueren die Franzosen Jean de la Péruse 6), Pierre Corneille, Clément, Hoffmann, Longuepierre, Hippolyte Lucas, Legouvé 7), der Engländer Richard Glover, die Italiener Lodovico Dolce und Niccolini, die Deutschen Klinger, Soden, Grillparzer und Conrad (Prinz Georg von Preussen) je eine Tragödie dieses Namens verfasst haben; ausserdem hatten die alten griechischen

1) Vgl. Lotheissen, Bd. I, p. 333 f.

Ebert, a. a. O. p. 208. — Guizot, Corneille et son temps, Paris 1852, p. 163 f.

2) Es erschien erst im Jahre 1635 unter dem Titel: La Sophonisbe, tragédie, dédiée à Monseigneur le Garde des Sceaux, Paris, chez Pierre Ricolet, 1635.

3) Geschichte der französischen Nationalliteratur von Fr. Kreyssig, 5. Aufl. von Dr. F. Lamprecht. 1879, p. 190.

4) Siehe p. 3.

5) Ausserdem ist noch ein Cento aus Vergilianischen Versen von Hosidius Geta (um 200) anzuführen.

6) Schlegel bezeichnet die »>Medea« dieses Dichters als eine blosse Uebertragung des Seneca (Vorlesungen über dramatische Kunst und Literatur, II, p. 72), dem sich Patin (Etudes sur les tragiques grecs; Euripide, t. I, Paris 1858, p. 159) anschliesst: >> traduite de Sénèque«, während Ebert (a. a. O. p. 129) erklärt: »Sie war keineswegs eine blosse Uebersetzung, obwohl Seneca mannigfach benutzt und an verschiedenen Stellen auch frei übertragen ist.<< 7) Ins Italienische übersetzt von J. Montavelli.

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Komödiendichter Strattis, Kantharos, Antiphanes und Eubulos je eine Parodie >>Medea« gedichtet, und besitzen wir ferner noch ein Melodrama von F. W. Gotter, das Textbuch zu Cherubini's Oper 1), eine tragédie-opéra » Médée von Thomas Corneille und eine tragédie-opéra >> Jason et Médée« vom Abbé Pellegrin 2).

Von den älteren dramatischen Bearbeitungen sind uns nur die des Euripides und die des Seneca vollständig erhalten, und gehen auf diese auch wohl die sämmtlichen neueren Tragödien und Opern zurück 3).

>> Diese verschiedenen Ausführungen des nämlichen Gegenstandes «, bemerkt Fr. Schiller einmal, als er von der Realisirung einer und derselben Idee durch mehrere Künstler redet 4), »gewähren ein ganz eigenes Interesse des Verstandes, wovon der freilich keinen Begriff hat, der sich den Eindrücken künstlerischer Werke nur gedankenlos hingiebt. Eine gleich grosse Anzahl wirklicher Meisterwerke, aber von verschiedenem Inhalt, würde unstreitig einen höhern Kunstgenuss, aber vielleicht keinen so reichen Begriff von der Kunst verschaffen, als diese vielseitige Realisirung desselben Thema's mir wenigstens gegeben hat.«< So lehrreich und interessant es nun ebenfalls hier auch sein würde, das Verhältniss aller Medeen, soweit sie uns erhalten sind, zu einander zu untersuchen, wie dies Professor L. Schiller mit mehreren in seiner unten (Anm. 2) citirten Abhandlung zum Theil wenigstens bereits gethan hat, so dürfte es doch ein zu weitschichtiges Werk erfordern, und wir wollen uns daher im Folgenden darauf beschränken, die Medea des Corneille mit der des Euripides und mit der des Seneca zu vergleichen 5), wobei wir nebenher dann auch noch die gleichnamigen Trauerspiele des Engländers Richard Glover, der Deutschen Klinger und Grillparzer und des Franzosen Legouvé mit in das Bereich unserer Untersuchung ziehen werden.

Folgende Ausgaben der betreffenden Werke werden wir unserer Abhandlung zu Grunde legen:

1) Dasselbe ist von dem Franzosen Etienne Framery nach Hoffmann's Tragödie verfasst (deutsch mit Rezitativen von Franz Lachner, neu bearbeitet von H. Mendel).

2) Vgl. über diese verschiedenen Dichter besonders: Patin, a. a. O. livre IV, chap. 5, passim. L. Schiller, Medea im Drama alter und neuer Zeit. Programm; Ansbach 1865. N. Wecklein, Ausgewählte Tragödien des Euripides, erstes Bändchen: Medea, zweite Aufl., Leipzig 1880. Einleitung p. 24 Anm.

3) Vgl. p. 8 Anm. 1.

4) Im Eingang seiner Schrift: »An den Herausgeber der Propylaeen.« (Schiller nimmt hier übrigens nicht Bezug auf die Medea-Sage, sondern auf Hektors Abschied und auf den Raub der Rosse des Rhesus.)

5) Dies hat auch bereits Professor Bühler in seiner Schrift: »Aehnlichkeiten und Verschiedenheiten in der Medea des Euripides, Seneca und Corneille.<< Gymnasialprogramm. Donaueschingen 1876 ausgeführt.

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