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mühsamen, aber ihm und seinem Land angepaßten Hackbau des Bodens aufzugeben und die anderwärts einträglichere, aber für seine Landesverhältnisse (Bodenbeschaffenheit, Klima, Viehstand 2c.) sehr wahrscheinlich weniger geeignete Pflugwirtschaft anzunehmen.

Dieser gesunde Instinkt und diese richtige Erkenntnis dessen, was ihm frommt, im Verein mit seinem Mangel an Wünschen und Bedürfnissen, die seine Lebenssphäre nicht berühren, mit seiner zähen Beharrung auf den uralten, für ihn zweckmäßig erkannten Kulturformen und mit seiner robusten körperlichen und geistigen Gesundheit sind für den Neger aber auch der stärkste Schutz gegen alle solche fremde Kultureinflüsse, unter deren Wirkung die weniger widerstandsfähigen, begehrlicheren Naturvölker, wie die Australier, viele Ozcanier, die nordamerikanischen Indianer, die Hottentotten, so furchtbar gelitten haben. Glücklicherweise bewahrt ihn zugleich die für Europäer ungünstige klimatische und ökonomische Beschaffenheit des größten Teiles der oftafrikanischen Länder vor dem Schicksal der genannten Naturvölfer: verdrängt zu werden durch dauernd einwandernde Scharen von Europäern. Und weil auch die übrigen fremden Völkerelemente in Ostafrika (Araber, Inder 2c.) dem Neger gegenüber außerordentlich in der Minderzahl sind und wohl immer sein werden, so läuft die ostafrikanische Negerrasse im Ganzen auch keine Gefahr, durch Mischung mit solchen Elementen Einbuße an ihrer ursprünglichen gefunden Eigenart zu erleiden, wie sie viele Ozeanier, Südamerikaner, Westafrikaner in so erschreckendem Maße erlitten haben.

Es ist daher alle Aussicht vorhanden, daß auf diesem urkräftigen Boden die weitere Kultur des ostafrikanischen Negers sich innerhalb des von seiner und seines Landes Eigenart gegebenen Spielraumes selbständig weiter entwickeln wird, indem sie ihre eigene Quellen reicher erschließt und von fremden Elementen das Homogene annimmt, das nicht Assimilierbare aber abweist.

Dies sind also auch die Punkte, wo eine europäische Kolonisation einzusetzen hat, wenn sie die gesunde Entwickelung des Negers und den wirtschaftlichen Erfolg des Kolonisten ernstlich beabsichtigt. Schuß der Person und ihres Besißes muß natürlich die Grundlage bilden; er

Hans Meyer, Kilimandscharo.

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wird im wirksamen Bereich unserer Verwaltung, also namentlich im Küstengebiet, in den küstennahen Vorzugsgebieten und im Umkreis der inländischen Stationen sehr wohl ausführbar sein. Aber die starke Passivität des Negers gegen alle das Niveau seiner geringen Bedürfnisse übersteigenden Anforderungen an seine Produktionskraft ist nur durch Zwang zu besiegen. Wir müssen den Neger zwingen, über seinen geringen Bedarf hinaus nach bestimmten Grundsäßen die für den Massenerport geeigneten Gewächse seines Landes zu kultivieren und ihm den Mehrertrag seiner Produktion abkaufen. So wird er zu größerer Kapitalbildung veranlaßt, an höhere Bedürfnisse innerhalb seiner eigentümlichen Kulturentwickelung, in der er ja alle ihm nicht homogenen fremden Kulturelemente instinktiv oder bewußt zurückweist, gewöhnt und so allmählich zu höheren Stufen seiner eigenen Kultur emporgehoben. Nicht die Überpflanzung unserer europäischen Kultur auf den Neger, sondern die Hebung und Verdichtung der eigenartigen Negerkultur muß unser Ziel sein.

Und was von der materiellen Kultur gilt, das gilt erst recht von der geistigen. Was wir in tausendjähriger harter Kulturarbeit errungen haben, bis es ganz unser geistiges und ethisches Eigentum geworden ist, können wir nicht einfach auf den Neger übertragen wollen, wenn wir es ehrlich mit ihm und mit uns meinen. Selbst wenn er die ungeheure Kluft, die zwischen unserer und seiner Kultur klafft, überspringen wollte, würde er es nicht können, ohne dabei arg zu Schaden zu kommen. Einzelne begabte Naturen ausgenommen, von deren hoher Zivilisierung und Europäisierung“ dann namentlich die Missionare gar viel Aufhebens zu machen pflegen, werden aus der systematischen Überpflanzung europäischer Geisteskultur auf den Neger, wie sie besonders von den englischen protestantischen Missionen geübt wird, immer nur sogen. „Hofenniggers" hervorgehen, d. h. nur der Dressur und dem äußeren Schein, aber nicht dem inneren Wesen nach europäisch gesittete und gesinnte Afrikaner. Die französische katholische Mission, die den Neger vor Allem zur produktiven Arbeit zu erziehen sucht, ihn zuerst auf eine höhere materielle Kulturbasis stellen will, um erst nach dem Arbeiten das Beten folgen zu lassen, sie hat

ihre Aufgabe viel richtiger erkannt und zeitigt weit schönere Erfolge als ihre englische und leider zum großen Teil auch ihre deutsche Schwestermission, aber auch die französische Mission ist darin auf dem falschen Wege, daß sie den Neger von seinem Mutterboden loslösen, ihn aus seiner eigentümlichen Negerkultur herausheben will. Daraus kann gar keine gesunde Entwickelung erwachsen, sondern einzig und allein im inneren Ausbau der eigenartigen kraftvollen Negerkultur kann der normale Fortschritt sich vollziehen. Hier also liegt eine der Hauptaufgaben unserer Kolonisation, und wenn diese große Aufgabe, wie oben ausgeführt, nur durch klug und zielbewußt angewandte Zwangsmittel (Kulturzwang) gelöst werden kann, so ist dieser Zwang nicht nur als das beste Mittel zur zivilisatorischen Veredelung des Negers gerechtfertigt, sondern auch als die wirksamste Methode zur kulturellen Hebung des Landes geboten. Nicht in etwa verborgenen Mineralschäßen des Erdbodens, nicht in den freien Erzeugnissen des Pflanzen- und Tierreiches, sondern in der urwüchsigen, aber großenteils noch latenten Arbeitskraft des Negers, die unseren Kultivationsbestrebungen dienstbar gemacht werden kann, liegen die Reichtümer der Vorzugsgebiete von Äquatorial-Afrika. Und diese Schäße zu heben, das ist ja doch der Endzweck der praktischen Kolonisation; wir wollen nicht nur den Neger zivilisieren, sondern auch realen Nußen ziehen aus unseren Kolonien. Reale Ziele und ideale liegen also hier ebenso nahe bei einander wie die Mittel zu ihrer Erreichung, und nur englische Humanitätsheuchelei pflegt gemeinhin zu leugnen, daß die Kolonisation nicht ebensowohl den Nußen der Kolonisatoren erstrebe wie den zivilisatorischen Aufschwung des kolonisierten Landes und seiner Bewohner.

Aber unsere Parole muß lauten: „Langsam vorgehen!" Denn eine Kolonie ist kein industrielles oder merkantiles Unternehmen, das bei geschickter Leitung schnell Gewinn bringen kann, sondern ein staatliches Gebilde, das langer Zeit zu seiner inneren Festigung bedarf und, wenn diese Kolonie von der Natur so stiefmütterlich ausgestattet ist wie der größte Teil des äquatorialen Ostafrika, im Gang seiner Entwickelung nicht nach Jahren, sondern nach Jahrzehnten zu rechnen

hat. Freilich gehört zur Förderung dieses Entwickelungsganges vor Allem der gute Wille der Regierung des Mutterlandes und vollkommene Klarheit ihrer Ziele. Nun ist aber nur das Eine klar, daß der Nachfolger unseres großen Reichskanzlers von Kolonialpolitik, insbesondere von afrikanischer, sehr wenig wissen will. Zwar ist hierin unter dem Druck der Verhältnisse allmählich eine kleine Besse= rung eingetreten, aber immer noch stockt in Südwestafrika, in Kamerun und in Ostafrika das frühere flotte Tempo der Kolonisationsarbeit in bedauerlicher Weise. Mit Recht fühlt jeder gute Deutsche und Kolonialfreund die Unerträglichkeit solcher Zustände. Die meisten haben aber ihren Unwillen an die falsche Adresse gerichtet, indem sie nicht die Regierung, sondern die in der Kolonie thätigen Beamten für das Unheil verantwortlich machen wollten, und haben das System Soden" in Ostafrika angeklagt anstatt die Kolonialregierung in Berlin.

Soden ist nach der Willkürherrschaft, der finanziellen Regellosig= feit und den vielen wirtschaftlichen und politischen Mißgriffen des vorausgegangenen Militärregiments, das mit der Niederwerfung des Aufstandes seine Aufgabe vorzüglich gelöst hatte, die rechte Persönlichkeit in Ostafrika gewesen, aber mit den von Berlin empfangenen Weisungen und der von der Regierung vorgenommenen Beschneidung des auf der Höhe der Wissmann'schen Ära allerdings unhaltbaren ostafrikanischen Budgets waren auch ihm die Flügel beschnitten, so daß er weder unsere militärischen, durch das mehr „schneidige“ als vorsichtige Vorgehen unserer Truppenführer erlittenen Schlappen wettmachen konnte, noch sein im Beginn seiner Gouvernementsführung aufgestelltes friedliches Kolonisationsprogramm ganz ins Werk zu sehen vermochte. Daß dieses Programm darauf abzielte, alle Kultivationsarbeit auf die küstennahen Gebiete zu beschränken und die Haupthandelsroute Küste-Tabora-Seengebiet möglichst zu sichern, war ein glänzender Beweis für Sodens klare Erkenntnis der wirtschaftsgeographischen Beschaffenheit der Kolonie, und daß auf diesem einzig richtigen. Wege zu kolonisatorischen und finanziellen Erfolgen in Deutsch-Ostafrika noch keine größeren Fortschritte gemacht sind, lag wahrlich nicht

am „System Soden". Soden ist gegangen, weil er sein Progamm gegenüber der Berliner Regierung nicht durchzusehen vermochte, und sein Nachfolger ist ein zwar schneidiger", aber in kolonialen Dingen. gänzlich unerfahrener Soldat. Der Wechsel ist sehr zu bedauern, denn allein die eingehendste Sachkenntnis und das ruhigste, zielbewußte Vorgehen, niemals aber überwiegende militärische Auffassung mit ihrem Drang nach kriegerischen Ruhmesthaten können in Ostafrika wirkliche Kolonisationserfolge haben. Das Heil Deutsch-Ostafrikas ist hauptsächlich von der ruhigen Verwaltungsthätigkeit eines weniger schneidigen" als landeskundigen und bedächtigen Gouverneurs, das Heil unserer Kolonien vorwiegend von einer möglichst weitgehenden Lostrennung ihrer Geschicke von der Regierung des grünen Tisches zu erwarten. Ein Mittel dazu sehe auch ich in der schon anderseits gestellten Forderung, daß an Stelle der vom Auswärtigen Amt ressortierenden Kolonialabteilung ein selbständiges Kolonialamt geschaffen werde, dessen Staatssekretär selbst in den Kolonien durchaus bewandert, von praktisch erfahrenen Referenten für jede einzelne Kolonie beraten und selbständig genug sein müßte, um seine sachgemäßen Vorschläge und Anordnungen dem Kanzler und dem Reichstag gegenüber vertreten und durchseßen zu können; ob aber eine solche Einrichtung ausführbar ist, wird mehr von staatsrechtlichen als von wirtschafts- und kolonialpolitischen Erwägungen abhängen.

Sollte es jedoch dazu kommen, so wird zweifellos auch dem Soden'schen Programm, das sich ja mit meinen früheren Vorschlägen ganz deckt, die nachdrücklichste Förderung sicher sein und damit zunächst in Usambara sich die Hoffnung auf das segenspendende Plantagengebiet erfüllen, von dem unsere Kolonisten und Kolonialfreunde schon so lange träumen. In dieser Zukunft wird auch für den Kilimandscharo ein neues Leben beginnen. Auf ihm wird sich die Kultivation auf den Dschaggagürtel und die darüber bis zum Urwald reichende Farnzone beschränken, weil sowohl unten in den dürren Steppen wie oben in der Region der ewigen Nebel und Regen europäische Kulturen unmöglich sind; aber in Dschagga ist Raum genug

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