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bodenlose Unkenntnis in ostafrikanischen Dingen herrschte hier vor! Es ist gewiß eine nicht geringe Verfündigung, die von manchen unserer ersten ostafrikanischen Kolonialagitatoren an den Kolonien selbst begangen worden ist, daß sie, teils aus idealer Begeisterung, teils um Propaganda für Ostafrika zu machen und die Mittel für koloniale Unternehmungen zusammenzubringen, das Land als Ganzes so geschildert haben, wie es nicht ist. Es wird noch viel ernste Arbeit kosten und manche bittere Erfahrung gemacht werden müssen, bis nicht sowohl in Ostafrika selbst als vielmehr in Deutschland über Ostafrika an Stelle der optimistischen und pessimistischen Extreme eine sachliche Beurteilung allgemein wird, welche das Land durch ungefärbte Gläser anschaut, das Schlechte vom Guten trennt, Aussichtsloses liegen läßt und Vielversprechendes würdigt und aufnimmt.

Nach sechstägiger Fahrt näherten wir uns der einförmigen Palmenküste der Insel Pemba. Am nächsten frühen Morgen hob sich vor uns, wie ein Gedankenstrich mit einem Ausrufungszeichen, ein langer dunkler Streifen aus dem Wasser, der durch einen vertikalen Eckpfeiler begrenzt war: die Insel Sansibar mit dem Leuchtturm der Nordwestspize. Auf unserm Mast steigt der Postwimpel lustig flatternd in die Höhe und wird, wie wir durchs Glas erkennen, vom Leuchtturm weiter signalisiert, nach der noch unsichtbaren Stadt Sansibar, wo das Hissen der Postflagge auf dem Sultansturm der Stadt das Nahen der sehnsüchtig erwarteten Europapost verkündet. Drei Stunden lang fahren wir an der niedrigen Küste entlang, nur ein paar hundert Meter von den dunkeln Palmwäldern entfernt und vorbei an Booten, Hütten, Dörfchen und arabischen Würfelhäusern. Die Meeresströmung wirkt uns hier in der Sansibarstraße stark entgegen, aber die See ist spiegelglatt. Die mächtigen Monsunwogen des Indischen Ozeans hatten sich schon in den lezten Tagen mit Annäherung an den Äquator mehr und mehr geglättet, der frische, freie Atem der hohen See war schwächer geworden und kräuselte gestern nur noch die Oberfläche der Dünung; und heute breitet sich das glatte graue Meer in schwüler, vom nahen Land geheizter Atmosphäre unter einem tropisch-grauen Himmel aus.

Fern im Osten schimmern graublaue Bergkonturen: Afrika, die Berge von Usambara, mein Forschungs- und Leidensgebiet vom vergangenen Jahr. An Deck unseres Dampfers wird seit Tagesgrauen gelaufen, gerufen und gepackt, der Dampfkran rasselt und hebt Koffer und Kisten aus dem Laderaum, Taue werden gezogen und Boote flar gemacht, und landfertig im Tropenwichs stehen die Passagiere, halten mit den Ferngläsern Auslug und begrüßen Bekanntes mit Freuden, Neues mit Interesse. Endlich tauchen vor uns am flimmernden Lufthorizont Masten und Schiffskörper, groß und klein, aus den Fluten, und links von ihnen auf dem Land erscheinen blendend weiße Punkte und Streifen in großer Zahl; es ist die Stadt Sansibar. Der hohe, bizarre Sultansturm und der weite Palast erheben sich jezt stolz über die Häusermasse. Vor ihnen auf offener Reede die Sultansund Handelsdampfer, die deutschen, englischen, italienischen, portugiesischen Kriegsfahrzeuge, das plumpe Telegraphenschiff, die kleinen Segler und arabischen Dhaus lassen erkennen, daß wir uns dem wichtigsten Platz des äquatorialen Ostafrika nähern. (Siehe Tafel 1.) Zwischen den Schiffen ziehen wir langsam zu einer roten Boje hin= durch, wo wir mit Tauen festgelegt werden. Von allen Seiten rudern und segeln die Boote der Neger, der Inder, der europäischen Kaufhäuser und Konsulate heran, und freudige Begrüßungsrufe hinab und herauf werden laut. Sowie das Fallreep rasselnd hinuntergelassen ist, drängen sich die Ungeduldigen hastig über die Treppe herauf, und nun gibt es ein Händeschütteln und Fragen ohne Unterlaß.

Mein lieber Freund Steifensand, der deutsche Vizekonsul, war einer der ersten an Deck. Mit Freuden folgte ich seiner Einladung, bei ihm im deutschen Konsulat zu wohnen, wo er in Abwesenheit des Generalkonsuls die Geschäfte der Reichsvertretung wahrnahm. Eine halbe Stunde später saß ich in einem behaglichen luftigen Zimmer des großen arabischen Gebäudes und gedachte mit meinem Gastfreund unserer wechselvollen Vergangenheit. Am Abend aber hatte ich die angenehme Überraschung, daß sich zwei Schwarze wieder zum Dienst bei mir meldeten, die auf der unglücklichen Erpedition des vorigen Jahres treu bei mir ausgehalten hatten: der Somali Ali und der

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