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VII.

Am westlichen Kilimandscharo.

achdem im Jahre 1848 der Missionar Rebmann den Kilimandscharo entdeckt

hatte und bis zur Landschaft Madschame am Westabfall des Gebirges vorgedrungen war, hat die Erpedition des deutschen Reisenden Klaus von der Decken 1861 Madschame wiederum besucht und von dort aus das Gebirge zu erschließen versucht. Seitdem ist mancher Europäer dorthin gelangt, aber durch keinen ist unsere auf den Decken'schen Reise-Ergebnissen beruhende Kenntnis von jener großartigsten Seite des äquatorialafrikanischen Schneeriesen wesentlich erweitert worden.

Ich hatte deshalb auch die Westseite des Gebirgsstockes in meinen Forschungsplan mit einbezogen und rüstete mich nun, um Mitte November, zu einem Aufstieg am Süd- und Westkibo. Die westlichen Dschaggastaaten waren aber gerade jezt der Schauplah besonders erbitterter Fehden zwischen den Häuptlingen Mandara von Modschi und Sinna von Kiboso, an welchen die kleineren Nachbarn notgedrungen teilnehmen mußten. Ich vermochte deshalb nicht, quer durch

Dschagga direkt auf mein Ziel loszugehen, sondern mußte von Marangu durch den Urwald zu den Grasmatten oberhalb der Waldregion aufsteigen, um von dort, westwärts über den Dschaggaländern entlang wandernd, den südlichen und westlichen Fuß des Kibo zu erreichen.

Am 14. November machten wir uns erst Mittags im stechenden Sonnenbrand auf den Weg, da die beiden von Mareale gestellten Führer nicht früher aufzutreiben gewesen waren, und stiegen langsam durch den offenen Busch in die schattigen, bachdurchrieselten Bananenhaine hinein, auf dem nun schon zum fünftenmal in diesem Jahr begangenen Pfad über die Kulturgrenze und die folgende Farnregion hinaus, zum unteren Urwaldrand, wo wir auf der kleinen orchideentragenden Kampine am murmelnden Ruabach wie früher die Zelte aufschlugen. Meine Karawane war diesmal nur 20 Mann stark, also beweglich genug, um alles Mögliche mit ihr auszuführen. Herr Purtscheller war zwar noch recht angegriffen infolge von bösen Verdauungsstörungen, die er sich durch reichlichen Genuß von Dschagga= Bananen zugezogen hatte, welche in reifem Zustand seltsamerweise nicht einmal die Sansibarträger ungestraft genießen konnten, erhoffte aber, ebenso wie ich für mein aus Ugueno stammendes Fieber, baldige Besserung von der Höhenluft.

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Schon die erste Nacht im 1960 m hohen Ruabachlager war bei +5o C. Minimumtemperatur köstlich erfrischend. Vom Bach drang summendes Murmeln, aus dem tauigen Riedgras unserer Kampine das Zirpen der Cikaden und aus dem Waldesdickicht bisweilen das ferne Posaunen eines Elefanten an unser Ohr. Und funkelnd klar brach der Morgen an. Im Urwald prangten nun viele Pflanzen, die früher im graugrünen Moosbehang gestanden hatten, in vollem Blütenschmuck. Besonders wirkungsvoll hoben sich die mit rotbraunen Blütentrauben belasteten Sumachbäume und die weißblütigen hohen Dracänaformen, welche den Hauptbestandteil des Waldes bilden, von den tiefstehenden indigoblauen Staudenblütlern ab, über welche im Dämmerlicht des Waldes einzelne durch das Blätterdach dringende Sonnenstrahlen spielend hinwegtanzten. Gegen Mittag traten wir auf die offene Grasflur über der Waldregion hinaus und wanderten

auf ihrem von roten Immortellen und Amaryllen durchwehten Teppich nunmehr nach Westen. Bald zogen dunkelgraue Wetterwolken aus Südosten heran, und ehe wir unsere Strohhütten am Muëbach (2890 m) erreichten, brach das Gewitter los in so urgewaltiger Heftigkeit, daß die meisten Träger, vom Hagel gepeitscht, sich halb ohnmächtig vor Kälte und Entsezen neben ihre Lasten warfen und nur durch Hiebe gezwungen werden konnten, bis zu den schüßenden Hütten weiterzugehen. Zwei Stunden tobte der Sturm, und noch eine halbe Stunde nachher bei strahlender Sonne lagen Hagelförner von Kaffeebohnengröße 2 cm hoch auf dem Grasboden. Kein Wunder, daß in solchem Wetter unsere mitgeschleppten Hühner elend umgekommen waren, aber auch sehr erklärlich war es bei unseren Verpflegungsverhältnissen, daß wir ihnen troßdem noch nachträglich feierlichst den Hals abschnitten, um sie mit nicht allzuschlechtem Gewissen verzehren zu können.

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Auf den stürmischen Nachmittag folgte eine klare, kalte Nacht. Kaum graute der Tag, als ich zum Aufbruch antrieb, konnte aber diesmal die Leute selbst nicht durch Androhen von Schlägen aus den Grashütten heraustreiben; die Furcht vor der Kälte, welche vor Sonnenaufgang noch -12° C. betrug, war stärker als der sonst nie versagende Respekt vor dem geschwungenen Bergstock. Da ich die Berechtigung des Verlangens dieser nur notdürftig gekleideten großen Kinder wohl einsah, gab ich nach und wartete bis nach Sonnenaufgang. Von den wärmenden Strahlen hervorgelockt und ermutigt, sette sich die kleine Karawane in Bewegung, um auf dem neutralen Pfad über der oberen Urwaldgrenze mit uns nach Westen hinüberzuziehen.

Da plöglich trat ein neues Hindernis ein. Die beiden Führer, welche uns Mareale mitgegeben hatte, um uns nach Madschame zu geleiten, und welche nach Landesbrauch die Hälfte ihrer Bezahlung voraus erhalten hatten, mochten sich die Sache in der Nacht anders überlegt haben und erklärten nun, offenbar auf Verabredung, daß sie weder den Weg wüßten noch uns rieten, weiter vorzudringen, da wir unfehlbar den meuternden Mandara- und Sinnakriegern in die Hände fallen würden. Ich schaute mich im Kreis meiner Leute um,

und ein Blick auf die drei mitgenommenen Somali zeigte mir, daß ich verstanden wurde. Ruhig legte ich dem verständigeren der beiden Führer die Hand auf die Schulter, und sofort war er von hinten gepackt und gebunden. Der andere entwischte. Erst hielt ich unserm Gefangenen eine eindringliche Rede über seine Thorheit und unsere Klugheit, drückte ihm dann, als ich sah, daß er sich wirklich nur vor den räuberischen Mandara- und Sinnaleuten fürchtete, als kräftigstes Schußmittel unsere kleine Fahne in die Hand und hieß ihn auf dem Pfad vorangehen, indem ich ihm zur Einschüchterung mit Niederschießen drohte, wenn er einen Fluchtversuch wagen werde. „Mkumbo“ gehorchte nun willig und trennte sich von Stund an bis zur Heimkehr nicht mehr von seiner Fahne. Als drolliger Spaßmacher und in dem wunderlichen Kostüm, in das ihn Mareale gesteckt hatte (— auf dem Kopf den verwetterten Filzhut eines Missionars, auf dem Leib einen alten Paletot vom Grafen Teleki, an den Füßen ein Paar zerrissene Schnürschuhe von mir, in einer Hand die Fahne, in der anderen einen Speer), ließ er uns bald seine anfängliche Unart vergessen.

Der Gewittersturm des vorherigen Nachmittags hatte dem Mawensi sowohl wie dem Kibo einen blendenden Neuschneemantel umgelegt, der das Relief der Felspartien herrlich hervorhob. Auf unserm Pfad durch die Grasfluren brannte die Sonne heiß und ließ für den Mittag wieder Gewitter und Regen erwarten, aber nur langsam kamen wir dem Kibo näher in dem Maß, in welchem wir uns vom Mawensi entfernten. Nach Überschreiten einer größeren Zahl kleiner Bäche, die meist in dieser Region kurz oberhalb des Urwaldes und unterhalb der oberen Plateaustufe entspringen und in ihren tiefen Erosionsschluchten häufig von zwei baumartigen Senecio-Arten (Senecio Johnstoni und eine andere mit dünnem glatten Stamm und vielfacher Verästelung) gesäumt sind, kletterten wir über einen hohen grasigen Lavarücken hinweg in eine weite Mulde, von deren Rand aus sich ein umfassender Ausblick auf den aus der blaudunstigen Westebene aufsteigenden Vulkan Meru bot. Deutlich war sein nach Osten geöffneter großer Kraterkessel mit den westlichen zackigen Steilwänden und einem hohen Eruptionskegel in seiner Mitte zu erkennen.

Wir traten nun in das Gebiet von Kiboso ein. In der ge= schüßten wassersammelnden Mulde zieht der Urwald und über ihm die Strauchvegetation merklich weiter zum Sattelplateau hinauf als im Often des Gebirges. Ihre kleinen Rinnsale passierten wir in ihrem moosgepolsterten seneciengesäumten Oberlauf, wo das Bachbett nur in vereinzelten Steinlachen Sickerwasser enthält. Um die weißen Blüten der Proteaceen schwirrten die kolibriartigen, Honig naschenden Sonnenvögel, mehrfach wurden kleine hellgraue Antilopen (Dr. Abbotts neue Art) flüchtig, und einmal sahen wir einen prachtvoll gezeichneten Leoparden in langen Säßen entspringen. Vor den Wildgruben, welche die Kibosoleute hier unmittelbar neben dem Pfad 4-5 m tief ausheben und mit Gestrüpp verdecken, muß man sehr auf der Hut sein.

In heißem Marsch durch das Gewirr von Erikastauden kamen wir höher und höher zur Basis des Kibo empor. Gegen Mittag wurde aber das Auftürmen der in Südosten sich sammelnden Wolkenmassen so drohend, daß ich an einem Rinnsal Lager schlagen ließ troz des Widerspruches des Führers Mkumbo, welcher fürchtete, daß der Rauch unserer Lagerfeuer die Wakiboso herbeilocken werde. Sein Bedenken ward aber gegenstandslos durch den Losbruch des Mittagsgewitters, das den gefürchteten Feinden zweifellos nur wenig Lust zu Beutegängen machen konnte. Was elementare Gewalt eines Gewitters heißt, lernt man nur im Hochgebirge kennen und doppelt in einem tropischen Hochgebirge. Vor dem prasselnden Hagel und heulenden Sturm flüchteten sich die Träger unter die nur geringen Schuß gewährenden Lavablöcke und Schichtenbänke, wo sie durch den anhaltenden Regen den ganzen Nachmittag und die ganze folgende Nacht bei qualmenden Feuern in ihren durchnäßten Hemden und mit hungerndem Magen festgebannt wurden. Dieser leytere Übelstand kam zu allen übrigen noch hinzu, denn es stellte sich heraus, daß die Leute in der sicheren Erwartung, schon in drei Tagen nach Madschame zu kommen, den vermeintlichen Überschuß an Nahrungsmitteln, die sie in Marangu erhalten, auf dem Marsch verschleudert hatten, um nicht zu schwer schleppen zu müssen.

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