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LIBRA OF T

und dort hatte die Sonne den Schlamm so hart getrocknet, daß wir über die tiefen Spuren der Flußpferde von Rand zu Rand springen konnten. Dann folgte ein offener Wasserlauf, schwarz und bewegungslos wie der Styr. Aus Papyrusstämmen wurde eine schwanke Brücke zusammengeschichtet, die aber unter der Last der Träger sich tiefer und tiefer senkte, so daß die lezten Karawanenleute, bis an die Schultern einsinkend, sich durch das dunkle Wasser mit den Füßen tasten mußten. Stellenweise hatte sich der Schlamm zu kleinen Inseln mit Busch und Baumwuchs verdickt, aber wir kamen darum nicht leichter vorwärts; das knietiefe Stampfen durch den Morast, das Abhacken der Papyrusstämme, das Durchwaten durch die Wasserrinnen, das Forthelfen Ermüdeter und Gefährdeter dauerte 21/2 Stunden. Fast alle Lasten wurden naß. Mitunter erschreckte uns ein in nächster Nähe schnaubendes Flußpferd oder der penetrante Moschusgeruch eines verborgenen Krokodils. Fremdartig wie eine phantastische Scenerie aus vergangenen Erdperioden war unsere Umgebung, vor allem der Papyrus selbst mit seinen durchschnittlich 4 m hohen armdicken Stämmen und 1/2 m breiten Blattrosetten. Endlich fühlten wir wieder festen Boden unter den Füßen, das Papyrusdickicht ging in hohen Wasserwald über und nach weiteren 100 m konnten wir am jenseitigen Rand des schmalen Uferwaldes unter hohen Mimosen Lager schlagen.

Mit Angelhaken fingen einige Träger im Sumpf mehrere bis 9 kg schwere bärtige Welse, die etwas sett, sonst aber nicht übel schmeckten. Scharen von Meerkazen kreischten uns aus den Bäumen die Tafelmusik. In der Nacht aber war die Plage der Moskitos, die in Tausenden und Abertausenden aus dem Sumpf erstanden, so quälend, daß kein Mensch im Lager ein Auge schloß. Mit dem hohen Diskant ihres Summens verschmolz das leise Flattern der Fledermäuse und Nachtschwalme, das gelegentliche tiefe Grunzen der Nilpferde im Sumpf, der laute Schrei eines Affen im Wald, das kurze Gebell eines Leoparden in der Steppe zu einer Harmonie echt afrikanischer Wildnis, die niemals vergißt, wer sie einmal gehört.

Nur wenig erquickt zogen wir mit Tagesgrauen von dannen. An den dem Sumpf nächsten Rundhügeln betraten wir wieder

vulkanischen Boden und kreuzten bald den Pfad, der nach Taweta führt. Unsere Führer verließen uns, aber die unteren Wadschimbahügel, die sogenannte Makessa-Gruppe, am Fuß des Kilimandscharo waren uns eine weit sichtbare Richtungsmarke, auf die wir pfadlos durch das verfilzte Steppengras nach Norden hin marschierten. Auf dem Kilimandscharo wallten die Nebel, und zur Rechten fern über dem dunkeln Waldstreif von Taweta wirbelten die bläulichen Rauchwolken der gastlichen Eingeborenen auf. Die Sonne über uns und der Boden unter uns glühte, und der Durst brannte uns gegen Mittag schier die Kehle durch, da es Niemand für nötig gehalten hatte, aus dem schlammigen Sumpfwasser einen genügenden Marschvorrat mitzunehmen. In wachsender Geschwindigkeit eilte Jeder dem noch zwei Stunden entfernten Habaribach zu, der uns vor zwei Monaten auf dem Weg nach Modschi zuerst getränkt hatte.

Bevor wir aber unseren Modschiweg gefunden hatten, stand plößlich in der öden Strauchwildnis ein riesiges Rhinozeros kaum 30 Schritt vor uns und stierte uns mit aufgestellten Ohren und hochgehobenem Schwanz wie versteinert an. Mit unseren schlechten Gewehren war an eine Jagd auf das große Wild nicht zu denken; es wäre höchstens eine „Aasjägerei" geworden. Der Koloß kam aber, als wir anhielten, langsam ein paar Schritte näher, gerade auf Purtscheller zu, der ihm ohne Waffe gegenüberstand. Die Träger hatten sofort ihre Last abgeworfen und sich ins Gebüsch geduckt. Da plöglich rannte das Tier mit geradeaus gestrecktem Kopf auf Muinis rote Jacke zu, fehlte aber sein Ziel, da Muini einen Riesensat zur Seite machte, und galoppierte mit einer Eleganz der Bewegungen davon, die ich einer so ungeschlachten Kreatur nie zugetraut hätte. Die Heiterkeit hinterher war natürlich groß und hielt noch lange an, als wir bereits unter den Schattenbäumen des rauschenden Habaribaches uns gelagert, gebadet und getrunken hatten fast bis zum Ertrinken.

Mit Lust und lautem Lachen legten wir in der Frühe des nächsten Tages die drei Stunden nach Marangu hinauf zurück, wo wir Jedermann sehr überraschend kamen. Man hatte uns erst in mehreren

Tagen erwartet und war in Besorgnis gesezt worden durch allerlei Gerüchte über harte Kämpfe, die wir mit den Wagueno gehabt haben sollten. Um so stürmischer äußerte sich die Freude des Wiedersehens. Bei der wahnsinnigen Flintenknallerei geschah es aber diesmal, daß ein Tölpel aus Dummheit einen Schrotschuß losschoß und zwei Träger, die eben von Ugueno heimgekehrt waren, so schwer an den Oberschenkeln verwundete, daß sie drei Wochen später bei unserm Aufbruch zur Küste noch nicht marschfähig waren. So fand die Uguenoreise doch noch einen blutigen Abschluß.

Wieder folgten ein paar schöne Tage des Lagerlebens, des Materialordnens, der Korrespondenz, Lektüre und anderer beschaulicher Beschäftigungen. Aus Sansibar und Europa waren mit der Modschi= post wieder Briefe und Zeitungen angekommen, die nichts Betrübendes meldeten; und das ist genug. Einige Tage später kam Dr. Abbott zu Besuch auf seiner Rückkehr von Aruscha, südlich von Kahe, wo er in den Steppen Elefanten geschossen und dabei um Haaresbreite zertreten worden wäre. Kaum war er fort, als wir Missionsbesuch bekamen, und so brachte jeder Tag etwas Neues. Da unser Gemüscgarten in üppiger Fülle prangte, vermochte ich meinen Gästen Radieschen, Rettiche und Salat vorzusehen, wofür als sehr willkommene Gegengaben Salz und Kaffee in unsere bedenklich leer gewordenen Vorratskoffer wanderten.

Viel in Anspruch war ich in diesen Tagen durch ärztliche Behandlung von Dschaggakindern genommen, welche mir Mareale meist selber zuführte. Sie leiden an großen, bis 15 cm langen Geschwüren am Unterschenkel, die ohne äußere Ursache entstehen und monatelang die armen Kleinen durch offene Wunden peinigen. Die Krankheit ist sehr häufig, aber die einheimische Behandlung, bestehend im Auflegen von frischem Kuhdünger, ist schwerlich ein geeignetes Heilverfahren.

Erfreulichere Unterbrechungen waren die an mehreren Abenden sich wiederholenden Defilierkouren von jungen Weibern und Mädchen, die nur mit einem Läppchen und einer Perlschnur gegürtet, sonst aber mit Fett und rotem Thon festlich gesalbt, eine in gleicher Weise geschmückte Braut zur Hütte des jungen Gatten führten und

beim Gehen mit den faustgroßen Glocken, die sie an den Knöcheln trugen, eine liebliche Musik machten wie eine heimkehrende Kuhherde. Schade, daß man eine solche Szene nicht in Europa vorführen kann; man würde Respekt bekommen vor afrikanischer Sitte.

Die täglich aus Südosten heftiger wehenden Winde, die fast in jeder Nacht strömenden Regengüsse und das immer umfänglicher werdende Wolkentreiben am oberen Kilimandscharo mahnten uns zur Eile, wenn wir in den oberen Bergregionen noch etwas ausführen wollten. Schon lange trugen wir uns mit dem Plan eines Besuches des Süd- und Westkibo. Noch einmal, bevor wir uns zur Küste zurückwendeten, folgten wir daher zum Schluß unserer KilimandscharoFahrten dem Zug nach dem Westen, noch einmal dem Zug nach oben.

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