Imatges de pàgina
PDF
EPUB

In der frohesten Stimmung und im Vollgefühl des erreichten Zieles liefen wir auf den Schutthalden mehr hinab als wir wanderten. Aus weiter Entfernung kündigten wir unserm Muini am Biwakplaz nach Verabredung durch lautes, in vielfältigem Echo forthallendes Rufen unser Kommen an, und als wir endlich gegen 3 Uhr die Höhle wieder vor uns auftauchen sahen, stand Muini schon mit den geschnürten Bündeln zum Abmarsch nach dem Zeltlager gerüstet. Als ich ihm dann beim Weiterwandern von unseren Erlebnissen erzählte und ihm die Schwierigkeit des leßten Abstieges schilderte, entgegnete er immer wieder: ,,Haithuru; umefika sasa ju kabisa, bassi" (Das macht nichts; jezt bist du ganz hinaufgekommen, das genügt“).

Vor Sonnenuntergang faßen wir wieder einmal unter dem hochragenden Viermännerstein" neben unserm Zeltchen am brodelnden Reistopf. Während die letzten Sonnenstrahlen die Ränder des fernen Meru röteten und der Kibo im milden Abendglanz so vertraut herabwinkte, als wolle er die beiden einzigen Sterblichen grüßen, die er in seine Geheimnisse eingeweiht hatte, zogen meine Gedanken in die Ferne, zurück in die an Hoffnungen, Opfern und Enttäuschungen so übervoll gewesenen Jahre 1887 und 1888, und die Dankbarkeit gegen ein gütiges Geschick, die Genugthuung über das nun endlich Errungene machten mich an diesem Abend so reich, daß ich mit Niemand in der Welt getauscht hätte.

Die Sonne war längst hinter dem Meru hinabgesunken, und der junge Mond ließ langsam das Schneehaupt des Berges am dunkeln Nachthimmel auferstehen, als wir unser Lager aufsuchten, einig in dem Beschluß, am nächsten Tag Rast zu halten, um darauf mit neuen Kräften den Mawensi in Angriff zu nehmen.

Allein es kam anders. In der Nacht hatte es um den Mawensi gewittert und geschneit, und am Morgen lag auch auf dem Plateau eine 1 cm hohe Schneeschicht, die aber den Strahlen der Morgensonne nicht lange standhielt. Während ich mich mit photographischen Aufnahmen des Berges beschäftigte (fiche Tafel 12) und Purtscheller Aschenproben von den Drillingshügeln sammelte, erschienen gegen

Mittag die erwarteten Proviantträger vom Mittellager, aber mit der Nachricht, daß in Marangu zwischen Mareale und der Karawane ein heftiger Streit über unsere im Lager wehende Flagge ausgebrochen sei, der meine schleunige Vermittelung dringend erforderlich mache. Das war eine schlimme Botschaft. Ich vermutete sofort ein Ränkespiel der von mir gebührend schlecht behandelten sklavenhandelnden Suaheligäste Mareales und entschloß mich schnell zum Abstieg nach Marangu. Mit Purtscheller verabredete ich, daß er am nächsten Tag zum Mittellager am Urwaldrand hinabgehen solle, um dort mich oder Nachricht von mir zu erwarten.

Ich eilte ihm nach Mittag dorthin voraus und traf nach fünfstündigem eiligen Abwandern bei dem kleinen Häuflein der Bewohner ein, die sich schon ganz heimisch gemacht hatten und mich mit stürmischer Freude begrüßten. Zu meinem Erstaunen fand ich neben dem Zelt ein blökendes Öchslein vor, das uns Mareale zur Erquickung durch den Urwald hatte herauftreiben lassen und das, rasch geschlachtet und gebraten, mich zu einer milderen Auffassung seines Streites mit meiner Karawane geneigt machte. In dem nur 7o C. warmen Muëbach nahm ich alsbald ein seit sechs Tagen entbehrtes Bad, und in aller Frühe machte ich mich mit vier Mann auf nach Marangu.

Die Luft, die Berge, die Ebene, Alles war herrlich klar. Sogar die Ndarakette konnte ich anpeilen. Was hätte da Alles oben am Mawensi ausgerichtet werden können! Im Geschwindschritt eilten wir unseren Pfad entlang. Das vordem hohe, trockene Gras war inzwischen, wohl durch unsere verlassenen Lagerfeuer am Kifinikabach, weithin niedergebrannt, und in der flüchtigen Asche schwärzten wir uns bald wie Kohlenbrenner. Vor Eintritt in den Urwald begegneten wir einem Trupp von Userileuten, die, mit kleinblattigen Speeren und schmalen Lederschilden bewaffnet, ihre Ziegenherden aus ihrem zur Zeit sehr wasserarmen Gebiet nach den höheren frischen Weiden der Südostseite trieben, und im Urwald selbst sahen wir uns eine zweite Userikarawane entgegenkommen, die in Marangu ihr Vieh gegen Hirse und Bohnen eingetauscht hatte und schwerbeladen auf dem neutralen Pfad mit Umgehung von Rombo heimkehrte.

Mit wundgelaufenen Füßen und durch den neunstündigen Eilmarsch aus der frischen Höhe in die warme Dschaggaregion recht ermüdet, humpelte ich endlich lahm in das Marangulager hinein und erregte durch mein plötzliches Erscheinen einen Begrüßungssturm von fast komischer Ausgelassenheit, den nicht einmal das Entseßen vor meinem gletscherverbrannten Gesicht, von dem die Haut in Fezen hing, dämpfen konnte. Das Zerwürfnis mit Mareale ward sofort haarklein berichtet. Mareale hatte, aufgereizt durch die SuaheliSklavenhändler, verlangt, daß entweder die deutsche Flagge von ihrem hohen Mast inmitten des Lagers entfernt werde, oder daß ihm als Entgelt 1000 Dollars ausgezahlt würden; andernfalls wolle er nach fünf Tagen das ganze Lager mit seinen Kriegern zerstören. Nun wußte sich Niemand zu raten, da die Somali das Herabholen der Fahne nicht zuließen, und man schickte nach mir.

Mareale kam unaufgefordert. Ich merkte sofort, daß er sich seines unfreundschaftlichen Vorgehens schämte. Als ich ihm nun auseinanderseßte, daß ich absolut kein Interesse an einer Flaggenhissung hätte, da der Kilimandscharo längst nach deutsch-englischem Abkommen den Deutschen vorbehalten sei, sondern daß ich nur in Ruhe den Berg besteigen und erforschen wolle, einten wir uns schnell dahin, daß über der „baruti-na-damu-Flagge" (Pulver- und Blutflagge", weil schwarz und rot) eine zweite rote Fahne mit einem weißen Stern gehißt werde, die seine Hausflagge vorstellen solle.

Damit war die Sache abgethan. Abends brannte ich ein großes Versöhnungsfeuerwerk ab, wobei durch einen fallenden Raketenstab eine Trägerhütte in Flammen aufging. Aber in der Nacht öffnete der Himmel seine Schleusen, und in meiner Hütte regnete es weiße Ameisen und Spreu auf mein mit Zinksalbe eingeschmiertes Gesicht, daß der weckende Ali am Morgen, entsegt vor meinem Aussehen, in ein lautes Jammergeschrei ausbrach. Einen vollen Tag saß ich nun ununterbrochen bei der Niederschrift des ersten Berichtes über unsere bisherige Reise und Besteigung, welchen die einige Tage nachher von Modschi abgehenden Missionspostläufer zum europäischen Postdampfer nach Mombassa bringen sollten. Von der Küste waren noch keine Briefe

für uns eingetroffen; wir konnten sie erst in den nächsten acht Tagen erwarten, und ich traf Anordnungen, daß sie uns dann sofort hinauf zum Sattelplateaulager nachgetragen werden sollten. So weit ist man, dank der englischen Mission, am Kilimandscharo, daß man dort regelmäßig alle vier Wochen seine heimatlichen Briefe und Zeitungen Lesen kann, und diese Gewißheit, mit der fernen Kulturwelt immer noch in einer wenn auch losen Verbindung zu stehen, empfindet man als einen großen Segen, denn wie glücklich man sich auch in seiner afrikanischen Freiheit und in der Abwesenheit alles hohlen Formenkrams der Gesellschaft" fühlen mag, man ist doch zu sehr Kulturmensch, als daß man jede Kenntnis von europäischen Vorgängen gleichmütig entbehren könnte, zu innig mit seiner Familie verwach= sen, als daß man sich nicht nach Empfang und Ausgabe von Nachrichten aus und an die Heimat herzlich sehnte.

Nachdem zwei Mann mit dem dicken Briefpacket zur Mission nach Modschi abgesandt waren, stand unserer Rückkehr in die höheren Sphären nichts mehr im Weg. Zum zweitenmal galt es:,,Per aspera ad astra!"

[graphic][merged small][subsumed]

V.

Behn Tage zwischen 4000 und 6000 Meter.

[graphic]

Charakterpflanzen des oberen
Kilimandscharo.

um zweiten Male ,,per aspera ad astra". Schon der Anfang war asper in vollem Maße, denn wir bewältigten den weiten Weg durch die Bananenhaine, über die murmelnden Bergbäche, durch den moosbekränzten Urwald, über die windkühlen oberen Grasflächen bis zum Mittellager am Muëbach, einen Weg, zu dem wir beim ersten Aufstieg 212 Tage gebraucht hatten, in einem einzigen Tag. Vor Sonnenuntergang begrüßte ich Herrn Purtscheller am Zelt und beruhigte scherzend die kleine Lagerbe

sagung, welche drei Tage lang in bangen Zweifeln und Sorgen ge= lebt hatte. Obwohl von des Tages Mühe ermattet, ordnete ich doch für den nächsten Morgen den Weitermarsch zum Hochplateau an.

Fast aber hätten wir in der Nacht noch schweren Schaden erlitten. Eine neben unserm Zelt stehende Grashütte, in welcher die Lewohner trog strengen Verbots ein Wärmefeuer unterhalten hatten,

« AnteriorContinua »