Imatges de pàgina
PDF
EPUB

Kersten zu einem zweiten Besuch des Kilimandscharo und erreichte im Dezember von Modschi aus eine Höhe von 13,000 Fuß. „Nachts schneite es tüchtig", heißt es in seinem Bericht, „und am anderen Morgen sahen wir den Schnee zur Rechten und Linken unterhalb unseres Standpunktes liegen. Somit wird die Schneenatur dieses Berges wohl nicht mehr von dem obstinaten Cooley in Zweifel gezogen werden." Heimgekehrt, fügte Decken die Beobachtungen hinzu, daß die Westspitze des Kilimandscharo 20,065 Fuß Höhe habe, die Ostspite dagegen 17,340. Die Schneegrenze liege auf der Westspige bei 16,400 Fuß; bei 9000 Fuß gebe es kein Wasser, bei 12,000 Fuß keine Vegetation mehr. Und vom Kibo äußerte Thornton die Ansicht, daß „der nordöstliche Teil noch den alten Kraterrand repräsentiere, während der südwestliche Teil, der einige tausend Fuß niedriger sei, zerstört zu sein scheine". Das ganze Gebirge bestehe aus Lava, welche an der Luft erstarrt sei.

Der „obstinate Cooley“ gab jedoch seine Sache nicht verloren und trat mit einem wahren Ingrimm gegen von der Decken auf. „Der Baron sagt, es habe bei Nacht stark geschneit; im Dezember, als die Sonne vertikal stand! Ich kann dem Baron nur Glück wünschen zu einem Schneefall, der so gelegen kam. Aber ich glaube cher an die Erzentrizitäten eines Reisenden als an solche der Natur. Der nächtliche Schneefall in der heißesten Jahreszeit unter dem Äquator, in 13,000 Fuß Höhe, ist offenbar herbeigeholt, um Krapfs wunderliche Behauptung, daß auf dem Kilimandscharo ewiger Schnee in 12,500 Fuß Höhe und tiefer liege, zu bestätigen." Durch solche böswillige Auslegungen der Deckenschen Berichte verurteilte sich Cooley selbst. Es hätte Heinrich Barths Eintreten für Decken nicht bedurft, um dem letteren für seine und seiner Begleiter Aufnahmen des ostafrikanischen Bergriesen die volle Anerkennung der geographischen Welt zu teil werden zu lassen. Auch die Londoner Geographische Gesellschaft verlieh ihm ihre große goldene Medaille. Der Inhalt der von Dr. Kersten herausgegebenen Bearbeitung der Deckenschen Reisen ist von den nachfolgenden Reisenden nur durch wenige erheblich erweitert worden, und wenn H. H. Johnston angibt,

die Deckenschen Expeditionen hätten an naturwissenschaftlichem Material nur einige Käfer und eine oder zwei Pflanzen" mitgebracht, so lehrt ein Blick in Kerstens Reisewerk, daß sich Johnston schlecht unterrichtet hat. Auch die Deckensche Karte des Kilimandscharo-Gebietes hat bis auf Höhnels und meine Aufnahmen keine wesentlichen Berichtigungen und Vervollständigungen erfahren.

Neun Jahre lang blieb der Kilimandscharo unbehelligt von reisenden Forschern und forschenden Missionaren. Erst im Jahr 1871 finden wir wieder zwei Missionare, Charles New und R. Bushell, in Modschi und kurz nachher den ersteren von beiden auf dem Weg nach den oberen Gebirgsregionen. Durch stürmisches Wetter zurückgetrieben, unternahm New im August eine zweite Besteigung und gelangte diesmal im Südosten des Kibo, wo die eisige Haube bis auf die Basis des Bergkegels herabreicht, bis an den Schnee, von dessen Wirklichkeit er sich als erster Europäer handgreiflich überzeu-= gen konnte. Seiner ziemlich unklaren Schilderung zufolge liegt dieser Punkt etwa in 4000 m Höhe. Wichtiger aber als dieser Besteigungsversuch ist seine Beobachtung von sechs verschiedenen Vegetationsregionen, die er vom Fuß des Gebirges bis zur Schneegrenze durchkreuzte. Auf der Rückkehr entdeckte New am Südostfuß des Kilimandscharo den kleinen Kratersee Dschala und ward durch diese Erfolge wie durch die Schönheit des Dschaggalandes so erfüllt von wissenschaft= lichem Eifer für den Kilimandscharo, daß er zwei Jahre später noch cinmal dorthin zurückkehrte, diesmal leider, um von dem habgierigen Häuptling Mandara bis aufs nackte Leben ausgeplündert zu werden. Er starb, krank an Geist und Körper, bevor er die Küste wiedergewann.

Das bittere Los News scheint die Europäer auf längere Zeit vom Besuch des Kilimandscharo-Gebietes abgeschreckt zu haben. Wieder vergingen 10 Jahre ohne Nachrichten von den oftafrikanischen Schneebergen, bis Dr. G. A. Fischer im Jahr 1883 auf seiner Reise zum Naiwasschasee an der Südseite des Kilimandscharo entlang zog und die vorgelagerten Aruschaberge sowie den großen Nachbar des Kilimandscharo, den Meru, besuchte und kartographisch festlegte. Den Kilimandscharo selbst aber betrat kurze Zeit darauf der schottische Geolog

Joseph Thomson, der ehemalige Begleiter von Keith Johnston, auf seiner Reise ins Massailand. Obwohl Thomson vom Gebiet Modschi des „abgefeimten Diebes Mandara“ nur bis in die Urwaldzone zu 2700 m Höhe aufzusteigen vermochte, hat er doch durch den Vormarsch zu der im Westen des Kilimandscharo jenseits Madschame auslaufenden Schirakette und durch die Umgehung der Nordostseite des Gebirges neue Bahnen betreten, einen umfassenden Überblick über das ganze Bergsystem gewonnen und mit seinem offenen, vielgeübten Blick den geologischen Bau des Kilimandscharo erkannt. Daß die ganze Nordseite des Gebirges eine „ungewöhnlich steile Einöde ohne vortretende Hochflächen“ sei, und daß von der Nordseite nicht ein einziger nennenswerter Bach abfließe, hat vor Thomson Niemand beobachten können, aber auch indem er mit vollendeter Anschaulichkeit den Mawensi als den ursprünglichen Eruptionsherd, den Kibo, aus dessen Gestalt er auf das Vorhandensein eines Kraters schließt, als die Bildung späterer Ausbrüche, die Hügel in Dschagga und am Fuß des Gebirges als die jüngsten vulkanischen Erzeugnisse darstellt, thut Thomson einen weiten Schritt in der Kunde des Kilimandscharo vorwärts.

Weniger fruchtbringend für die geographische Kenntnis des Kilimandscharo ist der auf Thomsons kurzen Besuch folgende sechsmonatliche Aufenthalt seines Landsmannes H. H. Johnston gewesen. Diesem vom Kongo her mit afrikanischen Verhältnissen bekannten Reisenden war von der British Association und der Royal Geographical Society der Auftrag geworden, Afrikas höchsten Berg nach seiner Flora und Fauna hin zu erforschen, und Johnston hat dieser Aufgabe durch ein sechsmonatliches Sammeln an der Südseite des Gebirges gerecht zu werden gesucht. Wenn auch der Umfang seines gewon= nenen Materiales der langen Sammelzeit nicht ganz entspricht, hat doch Johnston daneben mit gewandter Feder ein Reisebuch geschrieben, das reich an anschaulichen und reizvollen Natur- und Menschenschilderungen ist und eine große Zahl sehr geschickter Zeichnungen enthält. Aber ebenso reich ist das Buch auch an phantastischen Übertreibungen, wo es sich um die Schwierigkeiten des Reisens, um eingebildete

Gefahren, um Plänkeleien der Eingeborenen, um Zeit- und Größenmaße und Ähnliches handelt. Seine auf die englische Annexion des Kilimandscharo-Gebietes hinzielende, der Wirklichkeit nicht entsprechende Darstellung der Handelsaussichten für diese Landstriche wäre geradezu eine Mystifikation, wenn sie nicht jeder unbefangene Leser durchschauen könnte. Unser topographisches Wissen vom Kilimandscharo ging ganz leer aus, denn Johnstons Karte ist eitel Phantasie.

Während seiner Sammelerkursionen in den oberen Waldregionen machte Johnston im Oktober zwei Versuche zur Gipfelbesteigung. Der erste führte ihn von Modschi zu einer Höhe von 2700 m im Urwald, wo (im Beginn der heißen Jahreszeit) „am Abend weißer Reif das Gras bedeckt" haben soll, wurde aber durch das Erscheinen von Eingeborenen abgebrochen. Die zweite Besteigung unternahm Johnston vom Dschaggastaat Marangu, von dessen harmlosem Häuptling Mareale und der noch harmloseren Häuptlingsmutter er afrikanische Ammenmärchen auftischt, verfolgte dieselbe Route, die ich nachher mehrmals gewandert bin, und richtete sich oberhalb des Urwaldes in 2800 m ein Hüttenlager ein. Nachdem der Mawensi, dessen Fuß wir von hier erst in zwei Tagemärschen erreichen konnten, mit einem einzigen Tagesausflug und der Bemerkung, daß „möglicherweise die Erreichung des Gipfels gar nicht ausführbar sei, weil man fast gar keinen festen Fuß fassen könne“, abgefertigt worden war, nahm Johnston den Kibo in Angriff. In 42 Stunden (9-112 Uhr) stieg er mit seinen drei Begleitern von 3000 bis 4306 m unterhalb des weithin sichtbaren Mittelhügels am vorderen Plateaurand, wo nach dem „bequemen Aufstieg" gefrühstückt wurde. Indem er etwa 100 m über diesen 4306 m hohen Platz, wo seine Begleiter zurückblieben, hinausklomm, kam er in einer Höhe von 4620 m zu jenem Hügel, „war nun oben auf dem mittleren Verbindungsrücken des Kilimandscharo und konnte ein wenig nach beiden Seiten aussehen."

Ich gestehe, daß mir diese Schilderung nicht ganz klar ist. Von Johnstons Lagerplatz (2800 m) aus behält man beim Aufstieg immer den Südrand der vom Kibo zum Mawensi hinüberlaufenden Plateaustufe im Auge, ohne das dahinter liegende Terrain selbst sehen zu

können. Auf diesem Südrand steht die kleine Spitze, welche Johnston, wie später auch uns, „während des ganzen Tages zum Zielpunkt gedient hat"; andere Hügel sind nicht markant. Dieser Hügel liegt aber nicht,,4620 m hoch (Johnston rechnet 4306 +100 4620) oben auf dem mittleren Verbindungsrücken", wie es von unten gesehen erscheint, sondern ca. 4200 m hoch, und von hier hebt sich das Terrain noch weit zum Sattel zwischen Kibo und Mawensi hin, so daß von ein wenig nach beiden Seiten ausschauen“, wie man wiederum von unten aus glaubt, nicht die Rede sein kann. Johnston jedoch steigt in dieser „Höhe gleich dem Montblanc" (4200 m!) einen Grat hinan, bis ihm ob seiner Einsamkeit der Mut zu vergehen droht“, macht um 4 Uhr in 4973 m Höhe Halt und ruft „mit etwas Kognak und Wasser den Mut zurück", um im Eilschritt zum Hügel am Plateaurand zurückkehren zu können, wo er „,im scheidenden Tageslicht“ anlangt. Auch diesen Teil der Besteigungsgeschichte verstehe ich nicht. Wenn Johnston am oftgenannten Hügel, wo seine Leute zurückblieben, nur eine halbe Stunde gerastet und gefrühstückt hat, ist er um 2 Uhr allein fortgestiegen und kann dann in Anbetracht der Entfernungen um 4 Uhr unmöglich bis über den Fuß des Kibo hinausgekommen sein. Damit wird auch erst seine Bemerkung verständlich, daß der Kilimandscharo „ein Berg sei, der ohne einen Alpenstock erklettert werden kann, und auf welchem die größten Hindernisse von Nebel und Kälte herrühren". Johnston ist nie dahin gekommen, wo der Alpenstock notwendig wird, geschweige denn 4973 m hoch, und seine alpine Leistung geht nicht über die des Missionars New hinaus.

Mit dem Jahresschluß 1884 war Johnston nach England zu= rückgekehrt. Wohl auf seine glühenden Schilderungen hin beschloß die außerordentlich thätige Church Missionary Society die Gründung einer Missionsstation in Modschi und veranlaßte den Bischof Hannington, den nachmaligen Märtyrer von Uganda, Dschagga zu besuchen. Hannington kam im März 1885 nach Modschi und Marangu und sammelte bei dieser Gelegenheit unter Anderem interessante Moose und Flechten, denen bis zu jener Zeit noch Niemand Aufmerksamkeit geschenkt hatte, obwohl sie doch für die Pflanzengeographie des

« AnteriorContinua »