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englischen Schule der Analytiker. Blackstone hatte zum ersten Male das englische § 6. Recht in übersichtlicher und eleganter Form dargestellt. Er redete, wie Bentham anerkennend von ihm sagt, in der Sprache eines Gelehrten und Gentleman zugleich. Aber gegen den Konservatismus Blackstone's war die Kritik Bentham's gerichtet. Diese erfolgte auch prompt nach Erscheinen der Kommentare im Jahre 1776 als „Fragment on Government", das die Blackstone'sche „Introduction“ zu den „Commentaren" einer eingehenden Kritik unterwirft. Wir haben oben dargelegt, wie die Dreiteilung der Gewalten von Blackstone dazu benützt wird, um die englische Verfassung für die vollendetste menschliche Schöpfung zu erklären. Da setzt nun Bentham an: seinem rationalisierenden Geist genügt dies nicht. Er sucht Blackstone's Fehler aus dessen Methode heraus zu erklären. Diese Fehler beständen darin, dass er eigentlich die sich gesetzte Aufgabe überschritten hätte, denn man kann Rechtswissenschaft, meint Bentham, auf zweierlei Weise, als Interpret (Expositor) oder als Kritiker (Censor) treiben. Der erstere beschreibe das gesetzliche Recht wie es ist, der zweite wie es sein soll, geprüft an Vernunft gründen. Blackstone habe prinzipiell nur der erstere sein wollen, trotzdem aber durch die Angabe der Gründe und des Zwecks eines Rechtsinstituts und durch deren Gutheissung seine Aufgabe als Rechtsinterpret überschritten.

Sehen wir genau zu, wie Bentham dies begründet. So wirft er ihm (Preface p. 108) vor, er habe gelehrt, Einbruchsdiebstahl (burglary) könne ungestraft in einem Zelt verübt werden, oder in einer Marktbude, wenngleich der Eigentümer von Zelt oder Bude darin wohne. Denn ein Einbruchsdiebstahl könne nach englischem Recht nur in einem Gebäude verübt, strafbar werden. Es wäre nur die Dummheit des Eigentümers, in einer solchen Bude mit Hab und Gut zu wohnen. Oder an anderer Stelle (Preface 109, Anm. 1): Blackstone erklärte die Nichtnotwendigkeit einer formellen Gesetzespromulgation im englischen Rechte damit, dass nach der englischen Rechtstheorie jeder Engländer als im Unterhause anwesend fingiert werde. Solche Gründe, wie sie Blackstone angebe, seien recht töricht.

Was Bentham hier Blackstone vorwirft, ist eigentlich ein Vorwurf, gerichtet an das englische Recht und seinen damaligen Stand. Blackstone hat sicherlich mit jenen Gründen nur Rechtsgründe wiedergeben wollen, die er der herrschenden Spruchpraxis entlehnt hatte. Gewiss war in dieser Spruchpraxis damals, wo man ringsum nur von Agrikulturinteressen umgeben war, die Ansicht vertreten, dass das Wohnen in Zelten oder Marktbuden eine Torheit (folly) sei. Gewiss glaubte man damals in der Spruchpraxis, wie heute, an die Rechtsfiktion, dass jeder Engländer im Unterhause anwesend sei. Blackstone's Begründung an dieser, wie an anderen Stellen, die ihm Bentham tadelnd vorhält, spiegelt eben diese ganze Spruchpraxis des Common law und ihre Urteilsbegründung wieder. Das ist eben der Zustand des englischen Rechts damals wie heutzutage, dass es kein System hat, keine Hierarchie der Rechtssätze. Daher es sich wenig darum kümmert, ob mit den vom Rechte aufgestellten Rechtsbegriffen der gesetzliche Rechtsstoff gänzlich gedeckt wird, ob auch jeder mit neu aufkommenden Rechtsfällen gegebene Widerspruch im Rechtsmaterial wieder ausgeglichen wird. All das, was Ihering in seinem Geist des römischen Rechts so treffend als die Grundsätze der „positiven Deckung" und des „Nichtwiderspruchs" für eine

p. 48-63, vorzüglich Leslie Stephen, the Utilitarians 1901, vol. I. und Paul Hensel, Hauptprobleme der Ethik 1903. Letzteres zugleich eine feine Analyse und Kritik des Bentham'schen Utilitarismus. S. 1-16. Ueber die Analytiker unter Austin's Leitung Bergbohm, Jurisprudenz und Rechtsphilosophie 1892, I. Bd. S. 12 und 332 ff.

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§ 6. so vollendete Jurisprudenz, wie die des römischen Rechts gezeichnet hatte, um alle diese Dinge kümmert sich das englische Recht seit jeher nicht, oder wenn schon, dann höchst zufällig, wie noch weiter unten gezeigt werden soll. Ihm fehlt seit jeher die sog. „Probe der Konstruktion“, d. h. dass der Rechtsbegriff oder wie Ihering sagt ,,der Rechtskörper" durch alle erdenklichen Lagen hindurchgeführt, in jede andere mögliche Verbindung mit anderen Rechtsbegriffen und Lehrsätzen gebracht und auf die Uebereinstimmung mit ihnen geprüft wird. Das ist im englischen Recht schon deshalb nicht möglich, weil die Fortbildung desselben nicht durch eine eigene Jurisprudenz besorgt wird, sondern schnell und glatt am konkreten Rechtsfall sich zu betätigen hat. Die Entscheidung desselben ist der Schwerpunkt, die zusammenklappende Uebereinstimmung mit den bisherigen Lehrsätzen und Doktrinen das Nebensächliche. Daher keine Probe der Konstruktion" und infolgedessen kein Rechtssystem. Da finden. sich in einem Rechtsinstitut Urteilsgründe der verschiedensten Zeiten und Richter, eines Brian im 15. Jahrhundert und Lord Coke im 17. Jahrhundert, eines Lord Mansfield (18. Jahrhundert), alle nebeneinander. Blackstone hat einfach in einem Rechtsinstitut gemäss der damals herrschenden Lehre solche Urteilsgründe nebeneinandergestellt, die natürlich, weil mitunter verschiedenen Zeiten angehörig, Widersprüche zeigten. So führt er z. B. in dem Rechtsinstitut der Prärogative „die Ubiquität des Königs" an (1. Comm. p. 261). Er folgert daraus wie die Spruchpraxis seiner Zeit dass der König nie gerichtssäumig sein kann, selbst nicht im eigenen Prozesse. Aus demselben Grunde wird die Nichtnotwendigkeit eines Anwalts in Prozessen des Königs erklärt, denn vor dem Rechte erscheint er nur in eigener Person". Wenn Blackstone nun zum Schlusse dieses Paragraphen mit Rücksicht auf die nichtpersönliche Ausübung der Rechtssprechung durch den König behauptet, dass nur das königliche Amt, nicht aber die Person des Königs im Gerichte anwesend sei", so ist das natürlich für den historischen Denkens unfähigen Bentham (Preface p. 115 Note) der Gipfelpunkt des Widerspruchs und Unsinns. Für uns liegt aber die Sache klar. Es sind hier unverarbeitete Urteilsbegründungen verschiedener Zeitepochen -- die ersten aus der Zeit des 14. und 15. Jahrhunderts, die letzten aus der Zeit der Richter Plowden (16. Jahrhundert), die zuerst die Kabinetsjustiz ausgeschlossen wissen wollten. Diese maschinenmässige Kraft, welche ein wohl ausgearbeitetes Rechtssystem durch seine Konstruktion hat, dass es alle neu aufkommenden Rechts- und Lebensverhältnisse nicht bloss erledigt und zu beurteilen das ist ja auch im lebendigen englischen Rechte immer der Fall gewesen sondern auch theoretisch konstruktiv zu erfassen weiss, diesen maschinenartigen Betrieb eines Rechtssystems hat England nie besessen.

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Der Vorwurf, der so von Bentham gegenüber Blackstone erhoben wird, richtet sich gegen das englische Recht selbst. Dies sieht denn auch eigentlich schon Bentham selbst ein, indem er ein Rechtssystem aufbauen will, nicht auf Raisonements gebaut, die bloss technisch sind und nur von Juristen gegeben werden können (Not technical reasons, such as none but a Lawyer gives, nor any but a Lawyer would put up with"), sondern als übersichtliche Darstellung, die zugleich ein Kompendium der interpretierenden und der censorischen Jurisprudenz sein könnte, oder wie wir sagen würden, ein Rechtssystem und eine Gesetzgebungspolitik zugleich. Das ordnende Element desselben wäre: der grösstmöglichste Nutzen (utility) der möglichst grössten Anzahl von Menscheu. So z. B. müssten innerhalb dieses Rechtssystems, das für alle Länder und Völker gleich gut und anwendbar wäre, die Rechtsinstitute als sog. Aufführungsmodi (modes of conduct) und ihre Verletzung als Vergehen betrachtet werden: die Bezeichnung dieser Vergehen und ihre Verschiedenheit würde nur dadurch be

stimmt sein, wieweit sie von dem gemeinsamen Ende, der allgemeinen Nützlichkeit für § 6. die grösstmöglichste Anzahl von Menschen abwichen.

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So wollte es Bentham und seine ganze Lebenszeit zeugt davon nehmen, dem englischen Rechte das zu ersetzen, was ihm fehlte, ein Rechtssystem. Sein Fehler lag nun darin, dass er nicht einsah, wie Jahrhunderte lange Arbeit von Kulturvölkern dazu gehörte, um Rechtssysteme zu schaffen. Man denke z. B. an das römische: Bentham getraute sich so zu, das zu ersetzen, was das Werk eines ganzen Volkes war. Fürwahr eine gigantische Arbeit! Aber noch mehr! Dadurch, dass er sein Rechtssystem auf den Hebelarm der allgemeinen Nützlichkeit stellte, wollte er es für alle Länder, Zeiten und Völker gleich gültig aufstellen, und daher mussten die Feinheiten der englischen Rechtstechnik platt geschlagen werden. Diese letztere ist ihm nur Formelkram („quiddities"). Wie sehr ihm dies Plattschlagen auf zwei Gebieten gelungen ist, namentlich auf dem Gebiete der Lehre von den Rechtsquellen und der parlamentarischen Geschäftsordnung, wie sehr auf dem Kontinente dieses Plattschlagen des englischen Common law dazu beigetragen hat, die konstitutionelle Doktrin um reiches Material zu vermehren, davon noch später (Kap. Rechtsquellen und parlam. Geschäftsordnung). In England und für die Erkenntnis des englischen Rechts musste dieser Aufbau eines eigenen Rechtssystems fehlschlagen, da ihm der Zusammenhang mit dem eigentümlichen englischen Rechtsleben und der Spruchpraxis fehlte, ja nach dem Willen Bentham s fehlen musste.

Nicht minder unglücklich ist der Versuch von Bentham und seinen Schülern, insbesondere John Austin, eine allgemeine Rechtslehre (general jurisprudence) zu schaffen. Auch dieser Versuch ist im Kampfe gegen Blackstone gemacht worden. Bentham prüft nämlich in jenem „Fragment on Government" die Blackstone'sche Lehre, inwiefern in England die Dreiteilung der Staatsgewalten vorherrsche, wer Souverän ist, wer oberste rechtssetzende Gewalt ist, und wird damit zurückgedrängt auf die Frage der Staatsgründung, auf die Frage nach den Rechtsmerkmalen der Souveränität etc., kurz auf eine Erörterung der wichtigsten Fragen der allgemeinen Staatsund Rechtslehre. Leicht ist es ihm gegen Blackstone zu zeigen, dass die Staatsgründung auf keinen Grundvertrag zurückgehe (original compact), obwohl die formelle Rechtsauffassung selbst heute in England sich das Verhältnis zwischen Monarchie und Parlament darauf ruhend denkt. Leicht kann er den Nachweis erbringen, dass die drei Bestandteile der Legislative, Commons, Lords und der König, nicht jene Unabhängigkeit von einander besitzen, wie sie die Dreiteilungslehre verlangte, denn bekannt war damals doch der grosse Einfluss, den der englische König und die Lords auf die Wahlen zum Unterhause nahmen (Fragment a. a. O. p. 187) und der Einfluss, den der König auf beide Häuser durch Verteilung von Ehrenstellen und Sinekuren übte. Hier zeigte sich deutlich, wie unzulässig die Einpferchung des Staatsrechts in das Institutionensystem des Common law war. Hier zeigte sich, wie diese Enge des Gedankenkreises Blackstone verführt hatte, die kontinentale Dreiteilung der Gewalten einzuführen, um wenigstens hier einen Teil des Staatsrechts unterzubringen, freilich so, dass ein grosser anderer Teil gar nicht zu seinem Rechte kam. Dass also der Blackstone'sche, oder besser gesagt der Formalismus des englischen Institutionensystems zur Vernachlässigung des realen Staatslebens führte, liegt auf der Hand. Wie liess sich die ganze Behördenorganisation mit der Kabinettsregierung auch gut in die Rubrik „Räte der Krone" unterbringen? Oder gar die Selbstverwaltung unter der Rubrik „Subordinate Magistrates", wie dies Blackstone auch wirklich versucht hat? Oder wie das Verhältnis von Krone zu Parlament in der Rubrik „Dreiteilung der Gewalten"? Dass dieses reale Staatsleben infolge der Einbeziehung in ein unvollkommenes Institutionensystem nicht

§ 6. zu Worte kam, weil diesem System eine allgemeine Rechts- und Staatslehre fehlte und bis heute fehlt, sah Bentham ein, und er versucht daher eine solche Rechtslehre zu begründen in seinem „Fragment on Government". Namentlich versucht er hier den Begriff der Souveränität zu begründen.

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Die Schüler Benthams setzten die Arbeit des Meisters fort, insbesondere John Austin, der die Rechtsanalyse, d. i. die Absonderung der allgemeinen Rechtssätze von besonderen, der allgemeinen Rechtstatbeständen von den besondern: kurz, sie haben die Schaffung eines Rechtsalphabets, wie Ihering das Produkt der Rechtsanalyse treffend nennt, zu geben versucht. Das römische Recht sei das Vorbild, dessen wahre Vorzüge in der gänzlichen Beherrschung seines Systems, in dem Kommando über die Prinzipien, in der Schnelligkeit, mit welcher diese eingreifen, und der Leichtigkeit und Sicherheit, mit der sie angewendet werden (Lectures on Jurisprudences I. 220.), lägen. Wären diese Rechtsprinzipien, die übrigens nach Austin ebenfalls für alle Völker und Zeiten gelten (a. a. O. p. 214), gefunden, das Nationale des Rechts" festgestellt, dann könne das System begründet werden (p. 223), wodurch die Beziehung der verschiedenen Teile des Rechts zu einander festgesetzt und begriffen würde. Also eine solche allgemeine Rechtslehre (general jurisprudence) habe mit dem einzelnen positiven Rechtssystem nichts zu tun. Denn letzteres beschäftige sich nur mit den Detailkenntnissen des besonderen positiven Rechts (particular jurisprudence), erstere mit allgemeinen Prinzipien und Rechtsbegriffen, die bei verschiedenen Völkern gleichzeitig vorkämen. Dass insbesondere die von Austin durch Rechtsanalyse festgestellte allgemeine Rechtslehre nichts mit dem positiven englischen Recht zu tun habe, sagt er (p. 213) mit den Worten: dass seine allgemeine Rechtslehre sich nur der reiferen und mehr ausgebildeten Rechtssysteme, insbesondere des römischen, als Induktionsmaterial bedient habe, während das englische Recht von ihm immer als von barbarischer Rechtskonzeption erfüllt gedacht wird. Dabei hätte ihm doch einfallen müssen, dass jedes Recht seine eigene Philosophie habe und an einen Aufputz mit „römischen allgemeinen Sätzen" nicht genug habe (was Pollock so treffend ausführt Law Quarterly Review 1895 Vol. 11: „The vocation of Common law" p. 329: „that if English speaking lawyers are really to believe in their own science they must seek a genuine Philosophy of the Common law and not be put off with a surface dressing of Roman generalities"). Austin begründet seine Vorliebe für das römische Recht. Denn, sagt er, nur diese ausgebildeten Rechtssysteme, insbesondere das römische, seien für die allgemeine Rechtslehre instruktiv. („I mean there by General jurisprudence" the science concerned with the exposition of the principles, actions and distinctions which are common to systems of law: understanding by systems of law ampler and maturer systems, which by reason of their amplitude and maturity are preeminently instructive"). Gerade Ihering aber hat uns gezeigt, wie die grossartigste Rechtsanalyse, die ein Volk zu allgemeiner Rechtslehre geführt hat, die römische, so innig mit dem positiven Recht verknüpft war, dass man sie sich kaum anders denken kann, und derselbe Ihering hat klargelegt, wie jahrhundertelange Arbeit eines Volkes dazu gehört, um solche allgemeinen Rechtslehren zu schaffen. Und das wollte Austin gleich mit einem Schlage erstehen lassen und noch dazu für alle Völker und Zeiten gemeinsam !

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Bei den analytisch gewonnenen Definitionen Austin's über Souveränität, objektives und subjektives Recht, Rechtspflicht etc. wären den Richtern in den alten Reichsgerichten Englands gewiss die gepuderten Perücken vom Kopf gefallen, wenn sie seine Doktrin hätten anwenden müssen. Sie taten es auch nicht. Bentham's und Austin's Versuche einer allgemeinen Rechtslehre mussten scheitern, denn sie hatten mit dem englischen Rechtsleben und der Gerichtspraxis so wenig zu tun, wie das römische

Recht. Ja die Rechtslehre dieser Männer war im bewussten Gegensatz und bewusster § 7. Ignorierung des heimischen Rechts, das beide als durch Fiktion verunstaltet betrachteten, entstanden. Ignorierten sie das heimische englische Recht, so ignorierte dieses wieder Bentham und Austin und deren allgemeine Rechtslehre. Nach wie vor ist die Kluft zwischen jurisprudence und law, zwischen politicians und lawyers bestehen geblieben, wie zur Zeit Bacon's, Coke's und Hobbes'. —

Gegen die Autorität von Bentham und Austin und ihre allgemeine Jurisprudenz, die übrigens noch jetzt eine Reihe von Schülern in England, insbesondere Erskine Holland, Hearn, Markby u. a. hat, trat nun eine vollauf berechtigte Reaktion ein. Der Fehler der Bentham - Austin'schen Rationalisierungsmethode, eine für alle Zeiten und Völker allgemeine Rechtslehre schaffen zu wollen, wurde von niemand früher eingesehen, als von Henry Sumner Maine, der auf historisch vergleichende Weise eine allgemeine Rechtslehre gewinnen wollte. So wies er, um an einem Beispiel von vielen nur zu zeigen, die Unhaltbarkeit der Bentham - Austin'schen Auffassung vom essentiellen Zwangscharakter des Rechtsgebots nach, indem er namentlich ältere Rechts- und Volksgemeinschaften im alten Indien aufdeckte, in welchen den Rechtsgeboten Gehorsam geleistet wurde mehr aus Einsicht in ihre Gerechtigkeit und Zweckmässigkeit („more and more from a recognition of its justice and propriety“) als aus Furcht vor Bestrafung. Seither wird die Naturwüchsigkeit und Ursprünglichkeit des Rechts, sein eigenes Wachstum von Maine und seinen Schülern immer wieder betont, im Gegensatz zu den Analytikern, die mit dem Gewohnheitsrecht nichts anzufangen wussten, da sie jedes Recht auf einen bewussten und gewollten Rechtsbefehl (Command) eines übergeordneten an einen untergeordneten zurückführen wollten. (Harvard Law Review vol. 5 p. 172-201.)

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Maine wollte in seinen 3 Hauptwerken, namentlich Village Communities", the Ancient Law", und in Early history" eine allgemeine Rechtslehre als letztes Resultat rechtsgeschichtlicher und rechtsvergleichender Forschung darstellen. Er selbst stellt zwei Arten der Rechtsvergleichung als möglich auf (Village Communities p. 4): Zusammenstellung aller jeweils modernen Rechtsnormen und Institute zum Zwecke einer rationellen Verwaltungspolitik; sodann die Aufdeckung der historischpolitischen und sozialen Gründe, die zu einem gleichen oder verschiedenen Rechtsmechanismus geführt haben. Dies ist Maine's geniales Postulat. Der Kernpunkt der Rechtsvergleichung ist damit getroffen und alle gegen sie gemachten Einwände, namentlich der der Rechtsverschiedenheit entkräftet. Denn Rechtsvergleichung bedingt eben keine Aufdeckung von Gleichheiten, sondern meist eine Aufdeckung von Verschiedenheiten im Rechtssystem. Diese sollen erklärt werden. Da dies aber nur durch Zurückgehen auf die Rechtsgeschichte der zu vergleichenden Rechtssysteme möglich ist, so ist die rechtsvergleichende Methode zugleich eine rechtshistorische. So wird die Durchleuchtung der Gegenwart mit den Röntgenstrahlen der Rechtsgeschichte vorgenommen. Maine's spezielle Aufgabe war es, die Verhältnisse der Staats-, Gesellschafts- und Gemeinschaftsformen in Indien mit Hilfe der europäischen, insbesondere der germanischen Genossenschaftsgeschichte aufzudecken. Der fruchtbarste Gesichtspunkt seiner Methode aber (p. 19 a. a. O.) soll von uns kurz als die Beobachtung und Genealogie der Rechtsreze ptionen bezeichnet werden. Er besteht darin, dass die unter einander zu vergleichenden Staatsgesellschaften und Rechtssysteme mitunter die Eigentümlichkeit aufweisen, dass sie in ein gegenseitiges Verhältnis zu einander getreten sind, wobei das minderfortgeschrittene von dem fortgeschritteneren Rechtsideen übernommen hat.

So stellt ein Rechtssystem zuweilen eine Reihe von Ablagerungsschichten vor, nicht. Handbuch des Oeffentlichen Rechts IV. II. 4. 1. England.

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