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§ 56. und bei je 50000 Einwohner mehr sollte immer noch ein Abgeordneter dazu kommen. Von diesem Prinzipe waren nur die Universitäten ausgenommen.

Diese Einführung des mechanisch-numerischen Gesichtspunktes in das Wahlkreisproblem durch Gladstone war nicht die einzige Neuerung. Die andere war die Einführung des sog. „one-member-system". Dies bedeutete, dass während früher in einem Wahlkreise gewöhnlich 2 oder mehr Abgeordnete in einem Wahlgange gewählt worden waren, nunmehr der Wahlkreis nach dem oben bezeichneten Ziffernverhältnis in so viele Wahlbezirke zerfiel, als er Abgeordnete zu entsenden hatte. In jedem Wahlbezirke sollte aber von nun an nur ein Abgeordneter gewählt werden. Man hoffte auf diese Weise auch den Minoritäten innerhalb der alten historischen Wahlkreise Gelegenheit zu bieten, dass sie zu Worte kämen. Denn während früher die Majorität des ganzen Wahlkreises die Minorität bei dem Wahlgange, der für alle Mandate des Wahlkreises gleichzeitig vor sich ging, unbedingt für alle Mandate auch an die Wand drückte, kann es jetzt nicht selten vorkommen, dass die Partei, die in dem einen Wahlbezirk, sich in Minorität befindet, in einem anderen Wahlbezirke desselben Wahlkreises die Majorität darstellt.

III. Das Recht zur Abgrenzung der Wahlkreise steht nur der Legislatur zu. Eine solche ist das letzte Mal, wie gesagt, 1885 vorgenommen worden. Doch kann das Unterhaus, da es in dieser Hinsicht nur seine Privilegien ausübt, ein Mitglied aus seiner Mitte ausschliessen und zwar für die ganze Session, so dass diese Zeit hindurch der jenes ausgestossene Mitglied entsendende Wahlkreis unvertreten ist. Neuerdings (2. März 1903) wurde sogar der Versuch gemacht, einen Wahlbezirk dadurch zu strafen, dass der Sprecher nach Eintritt der Disqualifikation in der Person des bisherigen Abgeordneten kein neues Wahlschreiben ergehen lassen sollte. In den Verhandlungen des Unterhauses stellte damals der Attorney-General, die hervorragendste juristische Autorität, fest, dass diese Bestrafung eines Wahlbezirks bei grober Pflichtvergessenheit insbesonder vorgekommener Bestechung vorgekommen und zulässig sei, wenngleich er die allzu häufige Anwendung dieses Strafmittels als gefährlich bezeichnete. (There was a certain class of cases, in which the House had been in the habit of suspending „the issue of writ, where there was a vacancy. I would be found . . . . on examination, „that these were cases in which there had been in the constituency in question very general bribery or corruption, where enquiry was desirable and was about to be in,,stituted, and where it was very probable that matters right end is the total disfranchisement". Times 2. März, 1903).

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Wenn wir die heutige Gestalt der Wahlkreise und der Wahlbezirke, in welche jene zerfallen, näher ins Auge fassen wollen, so wird sich am besten die ziffernmässige Feststellung empfehlen.

Vor allem bietet nachstehende Tabelle die Umgestaltung der Wahlkreise im 19. Jahrhundert:

I. The Number of Members of the House of Commons alloted to England, Wales, Scotland, and Ireland in 1800, 1832, 1868, and 1885 respectively.

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Die Verteilung der Wahlsitze auf Stadt und Land (Grafschaft) gibt folgende § 56.

Tabelle (Aulneau p. 147):

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Das Verhältnis der Wahlkreise zu den Wahlbezirken, in welche jene zerfallen, ist wie folgt (Aulneau p. 142):

117 Grafschaften mit 377 Wahlbezirken

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Von den Städten entsenden die meisten (124) bloss einen. Die übrigen zwischen 2 und 7 Abgeordnete, 1 sogar 9 Abgeordnete.

In den Grafschaften ist das „one-member system" im (Gegensatz zum Listens crutinium) überall durchgeführt, denn die 377 Wahlbezirke, in welchen die 117 Grafschaften des United Kingdom zerfallen, entsenden bloss 377 Abgeordnete. Hingegen ist in manchen Städten und den Universitäten das Listenscrutinium (d. h. ein Wahlgang für mehrere Abgeordnete) offenbar noch vorhanden, denn von den 260 Wahlbezirken, in welche die 183 Städte zerfallen, werden 284 Abgeordnete ins Unterhaus entsendet. Desgleichen von den 8 Universitäten, die in 6 Wahlbezirken wählen, 9 Abgeordnete.

IV. Kritische Würdigung der englischen Wahlkreiseinteilung. Trotzdem die Akte von 1885 den mechanisch-numerischen Gesichtspunkt bei der Wahlkreiseinteilung zur Geltung gebracht hat, ist noch immer der althergebrachte Kommunalvertretungsstandpunkt im Prinzipe festgehalten. So hat dies auch der heutige. Premier Balfour in der Sitzung des Unterhauses vom 13. April 1894 ausgesprochen, „dass die Unterhausvertretung immer eine Kommunalvertretung gewesen sei und es auch fernerhin bleiben solle" (A. A. Ans on I. p. 124 ff.).

Dies zeigt sich namentlich an folgenden Tatsachen:

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Vor allem an der Vertretung der Universitäten, die trotz aller Bekämpfung, trotz des Hinweises, dass die Einwohner dieser Städte gar kein Wahlrecht besässen und die wirkliche Wählerschaft für den Augenblick willkürlich vereinigt, gar kein Interesse an den Bedürfnissen der Universität nehmen" (Law Magazine and Review 1884 p. 144), sich noch immer als Wahlkreise erhalten haben und voraussichtlich noch lange Zeit erhalten werden. Sie wählen für gewöhnlich konservativ.

Sodann gibt es Grafschaften mit mehr als 70000 Einwohnern, die als Wahlkreise ebenfalls nur einen Abgeordneten entsenden gerade so wie die Grafschaft Rutland mit etwa 20000 Einwohnern und die Buteshire mit 18641 Einwohnern.

Desgleichen sprechen die Einrichtung der sog. „Parliamentary Boroughs" für das Festhalten am alten Kommunalvertretungsstandpunkt. Jede Stadt für Parlamentswahlen bildet einen eigenen Umkreis, der mitunter und nicht selten von dem wirklichen

§ 56. Weichbild der Stadt verschieden ist, meist weiter als das Weichbild. Es ist dies eben aus dem Festhalten an der Vertretung der alten Kommunen erklärlich, wobei dem modernen numerischen Standpunkt Rechnung getragen wurde. Daher die Erweiterung des Stadtumkreises für Parlamentswahlen. Der Missstand, der damit aber im Gefolge ist, besteht darin, dass volkreiche Städte, wie die grossen Industriezentren sich in ihrer Bevölkerung vergrössern, während die einmal fixierte „Parliamentary Borough" nicht grösser wird. Daher ein grosser Teil dieser Stadtwähler noch in der Grafschaftswählerschaft aufgeht. Andrerseits umfassen manche Städte Parliamentary Boroughs" ein ganz ungewöhnlich grosses Grafschaftsareal, das in keinem Verhältnis zur Einwohnerzahl steht, die sich in ihrem Weichbild aufhält.

Am markantesten tritt aber das Festhalten am alten hervor in der auch England nicht unbekannten „Wahlkreisgeometrie". Darunter verstehen wir in Deutschland das strikte Festhalten an der alten Wahlkreiseinteilung, trotzdem die Bevölkerungsund Wählerziffer über das ursprünglich als Vertretungsgrundlage angenommene Ziffernverhältnis von Wähler- und Abgeordnetenzahl hinausgeht.

Sehr interessante Aufschlüsse gibt der Abgeordnete Henry Kimber (in der Times vom 27. Juni 1902) auf Grund der statistischen Ergebnisse von 1902 (Commons Papers 1902 Nr. 70). Danach gab es am 1. Januar dieses Jahres in allen 3 Königreichen 6891 093 Wähler für 670 Abgeordnete, so dass auf einen Abgeordneten durchschnittlich 10 285 Wähler entfallen sollten. In Wirklichkeit wählte aber die Hälfte der oben bezifferten Wähler (ungefähr 3,45 Mill.) nur 236 Abgeordnete, die andere Hälfte der Wähler 434 Abgeordnete. Zwischen dieser letztgenannten Ziffer und der absoluten Stimmenmehrheit von 335 im Unterhause kann leicht eine Ziffernzahl als Majorität im Unterhause zu stande kommen, die aber bloss die Minorität der Nation bildet. Dies soll sich 1893 anlässlich der Home-Rule-Bill für Irland ereignet haben, welche letztere im Unterhause durchging, trotzdem die Mehrheit der Nation dagegen war. Der Vertretungskoëffizient, worunter wir das Verhältnis der Wähleriffer zur Abgeordnetenziffer verstehen, betrug nach Kimber in Irland 7006, in England 11038. Im United Kingdom beträgt der Vertretungskoëffizient bei 335 Abgeordneten durchschnittlich 7 151, bei den 335 andern durchschnittlich 13 418. Darunter kamen, während der durchschnittliche Vertretungskoëffizient im United Kingdom 10285 betragen sollte, Verschiedenheiten vor, wo 85 Wahlbezirke einen Vertretungskoëffizienten von über 15000, 150 andere Wahlbezirke einen solchen von unter 5000 hatten.

Die grösste Ungleichheit besteht zwischen dem Wahlbezirke Romford mit 35948 Wählern und dem von Kilkenny mit 1553. Das Verhältnis zwischen diesen beiden Extremen ist 23:1, während 1885 das Verhältnis der Wählerziffernextreme nur 8:1 betrug 1).

Was lehrt uns aber selbst die in England vorkommende,Wahlgeometrie ? Dass

1) Trotzdem die Uebelstände dieser Art alljährlich im Parlament und in der Tagespresse öffentlich besprochen und von den Ministern selbst anerkannt werden, geschieht nichts, weil die Frage der neuen Wahlkreiseinteilung der sog. Redistribution of Seats' notwendig auch eine Beschneidung der bisherigen Ziffer der irischen Abgeordnetenzahl zur Folge hätte, und dazu fehlt jedem Ministerium die nötige Kraft, weil das irische Votum dafür nie zu erlangen ist, und davon hängt die Sache ab. Denn ist die Regierung dafür, dann ist die Opposition dagegen und es kommt alles auf die „Iren" an, die es aber aus dem angeführten Grunde nicht zugeben. Sehr hübsch beleuchtet Dickey in der National Review von 1901 und in der Times vom 5. Mai 1904 diese Abhängigkeit der Wahlkreisreform vom irischen Votum durch folgende Tabelle (S. auch R. Giffen, Economic Inquiries and Studies, 1904 vol. I. p. 277 ff.) (siehe nächste Seite.)

der mechanisch- numerische Vertretungsstandpunkt für die Wahlkreiseinteilung ein § 56. nie erreichtes Ideal bleibt. Für England hat aber das Festhalten am alten Kommunalvertretungsstandpunkte zwei unschätzbare Vorteile. Einmal bewirkt es, dass Minoritäten durch die Mannigfaltigkeit der zur Verfügung stehenden und zu vertretenden Interessengruppen d. i. der Kommunalverbände, nicht von der jeweiligen Volksstimmungsmajorität an die Wand gedrückt zu werden brauchen. Diese Verschiedenheit der Wahlbezirke im United Kingdom wirkt zu Gunsten der Minoritäten im grossen, wie das ,one-membersystem' innerhalb des Wahlkreises im kleinen wirken soll. Sodann schafft es die Stabilität der beiden Parteien. Denn es schützt England vor der Zifferndemokratie und ihren Wirkungen, unzähligen Parteien, wie sie z. B. in Frankreich für Wahlzwecke besteht, wo der mechanisch-numerische Gesichtspunkt (bei der Vorliebe des französischen Geistes für Durchführung abstrakter Ideen à tout prix!) natürlich am reinsten zur Geltung gebracht worden ist.

Hierfür (die französische Wahlkreiseinteilung) ist, wie ein Franzose witzig bemerkte, die Richtung der „Rue de Tivoli" ein staatsrechtliches Institut. Den Gegensatz zwischen der englischen und französischen Wahlkreiseinteilung hat Lefèvre Pontalis in seinem Buche „Lois et moeurs électorales en France et en Angleterre" geschildert: „Les Anglais se défient de ce fanatisme de la ligne droite et de l'égalité arithmétique, qui partage un pays en compartiments comme une table de Pythagore et traite les citoyens comme des unités numériques, et ils la considèrent comme incompatible avec une bonne législation réprésentative. . . et c'est en l'employant, qu'ils se sont assurés les garanties d'une large réprésentation de tous les intérêts et de tous les besoins du pays". (Cit. bei Aulne au p. 157.) So hat auch unter Umständen vernünftig betriebene Wahlkreisgeometrie" ihre Vorzüge!

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Die Wahlprüfung 1).

,,Instead of treating it as a litigation between Jones & Brown who really are the least interested persons, I say the public is the really interested person in having an honest election of a honest ma n." Report on Parliamentary Election Petition.

Mit diesen Worten begann ein Mitglied des Unterhaus-Komitee on Parliamentary Election Petition (1897 C. P. Nr. 347) seine an einen hervorragenden Richter gestellte

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Wales

1) Literatur: Roger's I. 176 ff. Anson I. p. 162 ff. Renton, vol. IV. p. 416 ff.; vol. XI. p. 116 ff. und 423 ff. Francqueville II. ch. XXXII. (vorzüglich!). Porritt I. p. 537 ff. Ostrogroski I. p. 130 ff. und die nachstehenden Blaubücher: Report of Commons Committee on the best means of preventing Bribery, Corruption etc. in the Election of Members to Parliament 1835 (vorzüglich: Schilderung des Canvassing, d. h. der Bewerbung um die Wahl durch Freunde! des römische ambitus ins Englische übertragen). Proceeding of Commons Committee on the Bill to amend the Law relating to bribery, trea

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§ 57. Enquêtefrage. Anstatt die Wahlprüfung bloss als eine private Streitfrage aufzufassen zwischen Jones und Brown, möchte ich sagen, dass das Publikum die wirklich interessierte Hauptperson ist, die ehrliche Wahl eines ehrlichen Mannes zu erhalten." Darauf antwortet der Richter lakonisch und skeptisch: „Allerdings!" Aber er glaube nicht, dass es leicht sei, ein entsprechendes Gesetz durch das Parlament zu bringen etc.

Das Charakteristische (s. Report a. a. O. 1897 Nr. 347 Ev. 168) des englischen Wahlprüfungsverfahrens ist, entsprechend der englischen Grundauffassung des Wahlrechts, die Auffassung, dass es ein Streit von Privaten untereinander, entweder der Wähler, die dabei zu kurz gekommen sind, oder der Wahlkandidaten untereinander sei. Es gibt auch ein offiziöses Wahlprüfungsverfahren, insbesondere durch königliche Kommission, aber dieses spielt dem übrigen Wahlprüfungsverfahren gegenüber eine sekundäre Rolle. Diese ist heute hauptsächlich ein im Privatinteresse eingeleitetes und durchgeführtes Verfahren, wobei, wie jener Report oben andeutet, die Rechte des Publikums und des öffentlichen Interesses sehr zu kurz kommen. Wir wollen in folgendem zunächst die Geschichte und dann die heutige Gestalt des Wahlprüfungsverfahrens erörtern.

I. Die Geschichte. Man hat England oft deswegen gepriesen, dass es die gerichtliche Wahlprüfung verhältnismässig früher als andere Staaten dem Unterhause abgenommen und unabhängigen Richtern zugewiesen. Diese Wertschätzung wird aber jedenfalls eine Einschränkung erfahren, wenn festgestellt wird, dass die englischen Wahlprüfungen zuerst bei den Gerichten überhaupt begonnen hatten und erst in der Zeit der ersten Stuarts, der Zeit des Kampfes um die parlamentarischen Privilegien, an das Unterhaus gelangt waren, um schliesslich im 19. Jahrhundert (1868) von unabhängigen Gerichten wieder überwacht zu werden. Bis dahin zeigt die Entwicklung nur die Lösung der formellen Frage, die der Kompetenz: ob Gericht oder Parlament, zum Gegenstand. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts wird aber auch das materielle Wahlprüfungsrecht vervollkommt. Man sucht Wahlumtrieben durch Aufstellung besonderer Vorschriften, die die Handlungen von Wahlkandidaten und Wählern binden, wirksam entgegenzutreten und schafft noch den Begriff der wirklich verbrecherischen Wahlumtriebe (Corrupt Practices) und den der bloss normenwidrigen Handlungen (Illegal Practices).

1. Die Entwicklung des formellen Wahlprüfungsrechts. Der Kampf um die Kompetenz zur Wahlprüfung.

Das Recht, Wahlanfechtungen zu entscheiden, stand ursprünglich dem Könige mit Assistenz der ihn beratenden Lords, oder unter Heranziehung der Richter zu 1). Durch ein Statut (11 Heinrich IV. c. 1) wurden die reisenden Assisenrichter (justices of assize) bevollmächtigt, angefochtene Wahlen zu prüfen. Von einer Inanspruchnahme der Wahlprüfung durch das Unterhaus hören wir das ganze Mittelalter hindurch nichts. Ja! so spät als 1562 zur Zeit Elisabeth's finden wir die Wahlprüfung durch den Lord Steward einen Kronbeamten anerkannt. D'Ewes in seinem „Journal" des Parlaments aus der Zeit Elisabeths berichtet für 1562/3 (p. 80): „For that Burgess be re

ting and undue influence at Parliamentary Elections 1854. Report of S. Committee of the H. of C. on the operation and effect of the Corrupt Practices Prevention Act 1854, App. and Index. 1860. Report of Commons Committee on the operation of the Corrupt Practices Prevention Act and the Election Petition Act wiith App. and Index 1875. Judgements on Controverted Elections delivered at the Trials of Election Petitions 1868-1875 (5 pts), 1880-87 (4 pts.), 1895- 96 (3 pts.).

p. 259.

1) S. Prynne, Register of Parliamentary Writs II. pp. 118 f. u. 122 und vol. IV. Rol. Parl. vol. III. 530 und Pike, Constitutional history of the House of Lords

p. 284 f.

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