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§ 31. Es ist kein Phantom und kein alles beherrschendes Prinzip, vor dem sich der Richter in Demut beugt.

2) Ein fernerer Differenzpunkt zwischen den beiden Systemen liegt in der unbedingten Gebundenheit der Richter an den Gesetzestext auf dem Kontinent. In England hat selbst ein so konservativer Jurist wie Blackstone die Ausserachtlassung eines Gesetzes („Disregard quoad hoc") für möglich gehalten und es wird heute noch die prinzipiell für unverbrüchlich gehaltene Gesetzesregel auf dem Wege der Fiktion und Analogie sowie auf dem Wege der Equity, deren Hilfsmittel jetzt seit 1873 auch den ordentlichen Common law - Gerichten zustehen, gemäss jener Erlaubnis Blackstone's nicht selten vom Richter ausser Acht gelassen. Kurz gesagt, auf dem Kontinent ist der Richter, um Br. Schmidt's treffenden Vergleich zu wiederholen, „Subsumtions automat1), in welchen man auf der einen Seite das Zehnpfennigstück des konkreten Tatbestandes hineinwirft, um dann auf der anderen vermöge des geräuschlos in ihm arbeitenden Gesetzesapparates das Urteil, vollendet bis ins einzelne herausfallen zu sehen" in England steht der Richter formal juristisch, wie wir oben sahen, zwar unter dem Gesetze, praktisch und in Wirklichkeit beherrscht er souverän das Gesetz, was wieder, wie wir hörten, mit der historischen Entwicklung des Gesetzesbegriffes, seiner nur historisch zu klärenden Minderwertigkeit gegenüber dem Gewohnheitsrecht und heute mit der Unvollkommenheit der englischen Gesetzgebungsmaschinerie zusammenhängt.

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3) Auf dem Kontinente herrscht das Prinzip der unbedingten Geschlossenheit des Rechtssystems. Es gibt keine Lücken in der Rechtsordnung, wie die Juristen sagen. Durch Interpretation und Rechtsanalogie soll man den Gesetzestext so lange drehen und wenden können, bis die angebliche Lücke des Gesetzes ausgefüllt ist. Um Gotteswillen nur keine Lücken des Gesetzes! Das wäre ja nur die Wiedereinführung des längst totgeglaubten und bis zur Vernichtung bekämpften Naturrechts 2). In England anerkennt man Lücken des Gesetzes, echte Lücken des Gesetzes, die früher die Billigkeitsgerichte durch Equity, jetzt alle Gerichte durch Equity auszufüllen haben. Es gibt nach der Auffassung der englischen Juristen, insbesondere der Praktiker, ein Naturrecht. Treffend spiegelt der englische Rechtspraktiker 3) Salmond die Ansicht seiner Kollegen wieder, wenn er sagt: „Judges are appointed to administer justice justice according to law, so far as the law extendes, but so far as there is no law, then justice according to nature". Freilich eine Theorie des Naturrechts gibt es in England heute nicht. Die Theorie des Naturrechts, gilt dort seit Bentham und Austin als vollkommen überwunden. Es spielt nur als Bestandteil der Ethik eine Rolle. Die Engländer theoretisieren nicht. Aber was sie in der Theorie versäumen, das holen sie in der Praxis nach und haben es daher nicht nötig, ein „Naturrecht" in unserm kontinentalen Sinne als ein über dem positiven Recht stehendes Rechtssystem anzubeten. Sie praktizieren Naturrecht ohne sich dessen theoretisch bewusst zu werden.

II. Wenn wir nun nach dem Grunde dieser Differenzen zwischen dem englischen und unserem kontinentalen Rechtsquellensystem fragen, so wird die Antwort kurz lauten: Das römische Recht 5), die moderne durch die französische Kodi1) S. Bruno Schmidt, Das Gewohnheitsrecht als Form des Gemeinwillens. Leipzig

1899, S. 15.

2) S. statt aller Bergbohm, Jurisprudenz und Rechtsphilosophie I. (1892) p. 372. 3) Law Quarterly Review, vol. 16, p. 389.

4) Salmond in Law Quarterly Review, vol. 11, p. 137 ff.

5) S. dazu insbes. Ehrlich, Freie Rechtsfindung und freie Rechtswissenschaft, Leipzig

fikation veranlasste Auffassung und die konstitutionelle Doktrin, §31. die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts sich ausbildete. Durch die Rezeption des römischen Rechts wurde schon von Besold und bis in die Zeit von Guillaume (Rechtslehre von der Gewohnheit, 1801) und von Nic. Th. Gönner (1807) (s. über diesen J. B. Koch in der Heidelberger Sammlung staats- u. volksw. Abhdlg. 4. Bd. 1. H. p. 170) der Satz vorgetragen, die normale Rechts quelle sei allein das Gesetz; das Gewohnheitsrecht müsste, wenn ihm nicht gleich jede rechtsverbindliche Kraft abgesprochen werde, zunächst im Willen des Gesetzgebers begründet sein. Der stillschweigende Konsens des Gesetzgebers sei der Grund der Rechtsverbindlichkeit des Gesetzes. Es war eben die Gestattungstheorie, die so vorgetragen wurde und die alsbald noch kräftiger zu neuem Leben erwachen sollte.

Dem römischen Rechte entsprechend (c. 1 § 2, c. 2 § 21, c. 3 § 21 C. de vet. jure enucleando I, 17, und c. 12 § 1 C. de legibus I, 14) wurde ferner die absolute Gebundenheit des Richters an das Gesetz und die Geschlossenheit des Rechtssystems schon von den Schriftstellern des 17. und 18. Jahrhunderts behauptet (so insbes. schon von Gönner in seinen civilist. Abhandlungen); und eine königlich-franz. Ordonnanz vom April 1667 (Geny Les Sources du droit privé positif 190: p. 67), dann eine Friedrich des Grossen in Preussen von 1780 (cit. bei Savigny, „Vom Beruf“ a. a. O. p. 88), sowie das österr. Josefinische Gesetzbuch von 1786 (§ 29) befahlen, dass der Richter in jedem zweifelhaften Fall sofort eine authentische Interpretation von der Gesetzgebungsstelle zu verlangen habe.

Alle diese vom 16. bis 18. Jahrhundert in Deutschland und Frankreich aufgestellten, hier nur skizzenhaft angedeuteten Prinzipien erlangten seit Beginn des 19. Jahrhunderts eine Präzision und Schärfe, auf Grund deren dann unsere auf dem Kontinente herrschende Auffassung der Rechtsquellen aufgebaut wurde. Diese moderne Auffassung hat drei Wurzeln: 1. den Einfluss der Lehre Benthams, vermittelt durch den Code Napoléon. Thibaut, Pfeiffer und Gönner gehören zu den Propagatoren dieser Ansicht. Dieser Einfluss selbst brachte uns das Kodifikationsprinzip und den Popanz des gesetzgeberischen Willens". 2. Die Montesquieu'sche durch die konstitutionelle Doctrin uns vermittelte Lehre der dreigeteilten Staatsgewalt. Sie brachte uns den Richter als Subsumtionsautomaten. 3. Die historische Schule unter Savigny's Leitung. Sie brachte uns die Austreibung des Naturrechts und den Glauben an die Geschlossenheit und Lückenlosigkeit des Rechtssystems, der schon in der Bentham'schen Lehre im Keime lag.

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1) Bentham's Lehre. Veranlasst durch die zu seiner Zeit herrschende Unübersehbarkeit der Präzedenzfälle des Common law und die damit verbundene Rechtsunsicherheit und Kostspieligkeit der Rechtsprechung sucht Bentham all dem durch Kodifikation des gesamten Common law abzuhelfen. Aber Bentham war nicht praktischer Politiker sondern mehr theoretisierender Raisoneur. Seine praktische Idee wandelt sich ihm unter der Hand zu einem System der Kodifizierungslehre, die für alle Völker und Zeiten gleich gut sein sollte. Den Vereinigten Staaten, dem Kaiser von Russland, den spanischen und portugiesischen Kortes, all denen erbot er sich zu einer Kodifikation ihres Rechts nach der von ihm aufgestellten Lehre an. Dieselbe ist insbesondere in zweien seiner Werke besonders niedergelegt, im „Vue

1903, der den Einfluss der Rezeption des röm. Rechts auf die Gestaltung unseres Gedankenkreises über das Rechtsquellen system" nachweist, den Einfluss Bentham's und der konstitutionellen Doktrin aber vollkommen übersieht.

§ 31. Générale d'un Corps complet de Legislation“ (1802) und „De la Codification" (um 1811 geschrieben) 1). Sie lässt sich in folgende Grundsätze zusammenfassen:

Die ganze Rechtsordnung muss ein geschlossenes System abgeben („l'intégralité des Corps de droit," Ch. XXXI des „Vue“: „Il ne suffit pas qu'un corps de droit soit bien redigé, il faut encore qu'il soit complet"). Zu diesem Zwecke muss eine alle Zweige des Rechts (Zivilprozess Strafrecht u. a. m.) umfassende Kodifikation eintreten. Aber diese Gesetzbücher müssten miteinander in Zusammenhang stehen und gewissermassen nach einem gemeinsamen Zentrum gravitieren (Vue: p. 312). Jede dieser Gesetzgebungen müsse drei Bedingungen erfüllen; sie müsse vollkommen („complet"), leicht erkennbar („cognoscibilité de loi) und in ihren Motiven (justifiabilité de loi) leicht zu verstehen sein. Durch die Vollkommenheit würde es allein möglich, den Willen des Gesetzgebers zu tage treten zu lassen (la volonté de legislateur ne sera point placée dans l'esprit de citoyen"). Darauf käme es aber vor allem an, damit endlich der Willkür von Richtern und Advokaten (den sog. „imposteurs"), die ihren Willen für den des Gesetzgebers ausgäben, ein Ende gemacht würde (Codification s. 6). Insbesondere höre damit die Ausfüllung von Lücken auf, welche ein ungeschriebenes Recht mit sich bringe („L'avocat et le juge trouvent partout, dans ce système, de vides qu'ils remplissent comme ils veulent"). Dadurch erlange der Richter allein seine ihm zustehende Rolle, nämlich die blosser Gesetzesanwendung (Vue: Ch. XXI. p. 356. Là ou règne la loi écrite, il faut, que l'ordre du juge soit conforme à ce que cette loi lui préscrit"). Seine Pflicht sei es insbesondere (Ch. XXXIII Vue), auf die Absicht des Gesetzgebers (Intention du Legislateur") einzugehen.

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Klarheit des Gesetzes sei zu verlangen. Insbesondere seien alle Verweise auf andere Gesetze zu vermeiden (Ch. XXXII Vue p. 368), denn das würde nur den Willen des Gesetzgebers mit einem fremden Willen verhüllen (envelopper la volonté du legislateur dans une volonté etrangère"). Das Gesetzbuch solle auch mit Motiven versehen sein und zwar für die legislativen Körperschaften, für die Untertanen, insbesondere aber für die Richter (Codification s. 4) un guide d'appui lorsqu'ils sont appellés à rendre compte des motifs de leurs deci sions particulières." Hier werden zum ersten Male in einer für die folgende Theorie grundlegenden Weise nicht bloss Motivenberichte. als Interpretationsmittel, sondern als der heute noch verlangte Deckmantel richterlicher Entscheidung bezeichnet.

Wenn ein solches Kodifikationswerk geschaffen würde, dann habe darin das Gewohnheitsrecht nur den Platz, den der Gesetzgeber ihm einzuräumen für gut finde. (Vue Ch. 31 p. 366: „Mais en s'y prenant avec les ménagements nécessaires, il pourra les (nämlich die lästigen Coutumes") homologuer, les fixer par écrit.") Denn nur das Gesetz allein habe Anspruch auf den Namen eines Gesetzes. Das Gewohnheitsrecht sei nur ein Phantom des Gesetzes (p. 361: à la loi écrite il y a une base assurée, manifeste: il y a un legislateur il y a une volonté, il y a une expression de cette volonté, une epoque connue de sa naissance. Une loi non écrite n'a rien, de tout cela... Si elle a un legislateur, c'est le juge lui même.")

Durch die Schaffung eines solchen Kodifikationswerks werde aber die Möglichkeit gegeben, dass jeder Staatsbürger sein Gesetzbuch in der Tasche tragen und genau

1) Ich zitiere nach der Ausgabe seiner Werke vor Dumont 1829, hier kurz „Vue“ und Codification".

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kennen würde (Vue p. 351: „Citoyen, dit le legislateur, quelle est ta condition? Ès tu § 31. père? ouvre le titre des pères. Ès tu agricole ? Consulte le titre d'agricole.") Das sei das höchste, anzustrebende Ziel!

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Die Auffassung Bentham's von dem gesamten Rechtsquellensystem teilte sich ohne Frage gleich dem ersten grossen Kodifikationswerk mit, das Napoleon schuf. Sie entsprach auch ganz jenem klassischen Geist, der die Revolutionszeit charakterisierte und der nach Taine's Schilderung in der Annahme bestand, dass die Volksmassen wie ein mechanisches Uhrwerk durch eine zweckmässige Gesetzgebung geleitet werden könnten. Mit Stolz erzählt1) auch Bentham, dass er der einzige lebende Theoretiker gewesen, der in den Vorarbeiten zum Code Napoléon zitiert worden sei. Der Benthamismus 2) kam mit den Siegeszügen Napoleon's und mit Eingang des Code Napoléon nach Deutschland. Man lernte die Vorzüge und Nachteile jenes grossen Gesetzeswerkes kennen und als der gemeinsame Feind vertrieben war, da erhob sich unter Thibaut's Leitung der Ruf nach einem einheitlichen Gesetzbuch für Deutschland. Jetzt war es Zeit, den Benthamismus zu propagieren und Thibaut verkündet ihn in seiner Schrift: Ueber die Notwendigkeit eines allgemeinen bürgerlichen Rechts in Deutschland“ 3). Da findet sich vor allem die Bentham'sche Formel S. 6: „Man kann und muss an jede Gesetzgebung zwei Forderungen machen: dass sie formell und materiell vollkommen sei, und dass sie ihre Bestimmungen klar unzweideutig und erschöpfend aufstelle..." S. 13: „Ein einfaches National-Gesetzbuch unter deutscher Kraft in deutschem Geist aber wird dagegen jedem auch nur mittelmässigen Kopfe alle seine Teile zugänglich machen und unsere Anwälte und Richter werden dadurch endlich in die Lage kommen, dass ihnen für jeden Fall das Recht lebendig gegenwärtig ist". (Vergl. damit Bentham's Ausführungen oben.) Der bisherige Kult des römischen Rechts (das bei Thibaut die Stelle des ungeschriebenen Rechts tritt, gegen das Bentham sich wendet) habe nur missliches im Gefolge gehabt. Er sagt darüber S. 16: „Alle eure Gelehrsamkeit, alle eure Varianten und Konjunkturen, alles dies hat die friedliche Sicherheit des Bürgers tausendfältig gestört und nur den Anwälten die Taschen gefüllt." (Vergleiche die oben cit. Aussprüche Bentham's.) Ganz wie bei Bentham wird die Montesquieu'sche Lehre verspottet, dass die Gesetzgebung nach Ort und Zeit verschieden sein müsse (S. 41) und ganz im Sinne Bentham's wird S. 47 der Kampf gegen die wuchernden „Wortgebräuche und Gewohnheiten", die nur Rechtsfaulheiten seien, geführt. Auf diesem Bentham'schen Standpunkt hat Thibaut zahlreiche Nachfolger: Gönner, Pfeiffer u. a. m. Damit ist die neue Wurzel unserer heutigen Auffassung vom Rechtsquellensystem blossgelegt: der unverbrüchliche Glauben an die Zweckmässigkeit des Kodifikationsvorgangs und an die Allwissenheit und Allmacht des Gesetzes im Vergleich zum Gewohnheitsrecht.

2) Die zweite Wurzel unserer heutigen Auffassung ist die konstitutionelle Doktrin von der Dreiteilung der Staatsgewalt. Sie sagt, was bei Bentham nur angedeutet ist, dass der Richter „Subsumtionsautomat" sein müsse. Das ergibt sich schon aus der Lehre, die scharf die Rechtsprechung von der Gesetzgebung getrennt wissen möchte. Soll der Richter mehr sein, als bloss Anwender des Gesetzes, dann wird er ja selbst Gesetzgeber! Das muss unter allen Umständen vermieden werden. Schon Montesquieu sagt (Esprit des lois" livre VI. ch. III): „Dans le gouvernment républicain il est de la nature de la constitution que 1) S. Works ed. Bowring vol. IV. p. 456 und 514.

2) Wie sehr er die Redakteure und Zeitgenossen des Code Napoléon erfüllte, s. darüber Geny a. a. O.

3) Ich zitiere nach der Ausgabe von 1840, die erste erschien bekanntlich 1814.

§31. le juges suivent la lettre de la loi" und an anderer Stelle im berühmten 6. Kapitel des 11. Buches über die englische Verfassung, wo das deutlicher ausgeführt wird: „Si les tribunaux ne doivent pas être fixes, les jugements doivent l'être à un tel point qu'ils ne soient jamais qu'un texte précis de la loi. S'ils étaient une opinion particulière du juge on vivrait dans la Société sans savoir précisément les engagements que l'on y contracte."

Auf diese Grundsätze hat nun die Konstitution die Stellung des Richters zum Gesetze in dem organischen Dekret vom 16./24. August 1790 und die Errichtung eines Kassationstribunals durch Gesetz vom 27. November (1. Dezember) 1790 gebaut. Demnach kann der Richter, wo ihm die Rechtsfragen zweifelhaft vom Gesetz erledigt scheinen, sich direkt an die Legislatur wenden (référé facultatif), er muss es jedoch dann, wenn er in der bisherigen Rechtsprechung auffallende Widersprüche findet, die auf eine Lücke des Gesetzes hinweisen (référé obligatoire). Ein Kassationshof wird eingerichtet, um nur über die richtige Anwendung des Gesetzestextes durch die Richter zu wachen, ohne jede reformatorische Befugnis, ein Gedanke, der auch heute noch der Einrichtung vieler kontinentaler oberster Gerichtshöfe zugrunde gelegt ist. Die Ansichten Montesquieu's und die der Constituante finden die ganze Revolutionszeit hindurch Anklang. Freilich den schärfsten Ausdruck erreichten sie wohl bei Robes pierre). Ce mot de jurisprudence des tribunaux dans l'acceptation qu'il avait dans l'ancien régime, ne signifie plus rien dans le nouveau; il doit être effacé de notre langue. Dans un État qui a une constitution, une législation, la jurisprudence des tribuneaux n'est autre chose que la loi". So ward durch die konstitutionelle Doktrin in Frankreich der Richter zum „Subsumtionsautomaten". Brauche ich nun noch das Hinüberwirken dieser Anschauung nach Deutschland im einzelnen nachzuweisen? Ich denke dies ist überflüssig. Die Mehrzahl der deutschen Juristen ist ja noch heute von diesem Dogma erfüllt.

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3) Die dritte Wurzel unserer heutigen Auffassung, welche uns die Geschlossenheit des Rechtssystems gebracht hat, ist die historische Schule in ihrem Kampfe gegen das Naturrecht. Wir finden den Gedanken der Geschlossenheit des Rechtssystems („intégralité du corps de droit") schon bei Bentham ausgesprochen. Aber darüber, inwieweit trotz derselben das Naturrecht als Billigkeit (Equity oder sonst) gelte, spricht er sich nicht aus. Auch ist bekannt (s. Berg boh m a. a. O. S. 332 f.), dass er und seine Schüler trotz der Ironie, mit welcher sie die Naturrechtler verspotten, direkte Angriffe gegen das Naturrecht nicht unternommen haben. Deshalb finden wir auch bei seiner Schule das Naturrecht in Form der richterlichen Billigkeit zugelassen. Sein Schüler Austin in England 2) erklärt sich trotz der prinzipiellen Gegnerschaft gegen das Naturrecht, für die Zulässigkeit einer ausgedehnten Billigkeit.

In Deutschland hat Thibaut freilich das Naturrecht und daher in ausgedehntem Masse auch die richterliche Billigkeit zugelassen mit den Worten 3): „Mit Recht tadelt Schlosser ein Gesetzbuch, welches alles nach der skrupulösesten Billigkeit abzirkeln, für jede Grille der Untertanen ein Gesetz geben, nichts dem Menschensinn und der Einsicht der Richter und der natürlichen Billigkeit überlassen will.“ Desgleichen haben die Redaktoren des Code Napoléon,

1) Archives parlementaires I. série t. XX. p. 516.

2) Lectures on Jurisprudence II, 60 ff.
3) In der Kritik eines Buches von Pfeiffer:

die deutschen Staaten". 1816.

Ideen zu einem Zivilgesetzbuch für

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