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tschai (14 Stunde seitwärts des Fleckens Kotur) 3 Stunden unterwegs gewesen.

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Das erste Dorf, auf dessen Zelte wir stiessen, war Kaschkol (Kurdisch Kaschgolak), ein zweites Karasu, endlich, eine Stunde vor Sonnenuntergang, Gernawig, letzteres merkwürdig durch eine dicht beim Dorfe liegende Mineralquelle, die armsstark aus einem Felsen hervorbricht und ringsum starke Kalksinterschichten absetzt, so wie durch die zwischen ihm und dem Thale des Kotur-tschai vorhandenen bedeutenden Steinkohlenlager, welche so an der Oberfläche liegen, dass man die schönste Pechkohle auf der Strasse auflesen könnte. Und diese Schätze des Bodens liegen so unangerührt und unbenutzt! Wie oft ich mich auch bemüht habe, sei es den vornehmen Städtern von Täbris, sei es den Nomaden Kurdistans, begreiflich zu machen, dass ihnen bei dem völligen Mangel an Brennholz gar kein trefflicheres Heizungsmaterial beschert sein könne als diese Kohlen, ich schmeichle mir nicht, viel erreicht zu haben. Die Macht der süssen Gewohnheit, kraft deren die ganze weibliche Bevölkerung den ganzen Sommer hindurch nichts Nützlicheres thun zu können meint, als aus dem Kothe der Heerden statt ihn zum Dunge liegen zu lassen Fladen zur Speisung ihrer Kamine und Feuerlöcher zu backen, wird wohl auch darin stärker sein als das Wort der Vernunft. An Fähigkeiten und guten Eigenschaften fehlt es im Übrigen den Kurden dieses Distriktes nicht, sie sind besser als ihr Ruf, ich fand sie überall artig, geweckt und thätig. Ihr Feldbau, ihre Vieh- und Hühnerzucht stehen in guter Blüthe; wir sahen die Dörfer, durch deren Jailas unser Weg führte, tief unter uns inmitten reicher Fluren, aber auf den Höhen vor Gernawig lag freilich in Schlupfen der Nordseite noch Schnee; ein Mal ging unsere Passage kaum 200 Schritt fern unter einem Schneefelde vorüber. Es war empfindlich frisch geworden. und der Regen hatte nicht bloss uns durchnässt, sondern auch die schlüpfrigen Pfade so schlecht gemacht, dass wir den Pferden nicht zumuthen wollten, bis Kotur zu gehen. Doch war in Gernawig keine lebende Seele zu finden; missmuthig schleppten sich meine Leute noch 1/2 Stunde weiter in das Wiesenthal des Kotur. Hier entdeckte mein alter Mutealy in nicht zu grosser Ferne seitwärts des Weges nach Kotur ein rauchendes Karawanenfeuer und steuerte nun, obwohl immer dazwischen seufzend: Wenn's nur keine Kurden sind!", darauf los. Nachdem wir feuchte Wiesen und den Fluss durchwatet, fanden wir am linken Ufer desselben gelagert eine kleine Persische Karawane. Man nahm uns sehr freundlich auf, bei einem lustigen Feuer und der harmlosen Wasserpfeife vergingen die Abendstunden, bis wir uns zwischen und unter Baumwollenballen gegen Wind und Regen geschützt betteten, weniger

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gesichert vor den lästigen Mücken dieser Niederung und den feuchten Niederschlägen der Abendluft, welche Betten und Kleider förmlich durch weichten.

5. August. Kotur selbst, einen Flecken, der eine Türkische Besatzung von 200 Baschibozuks in einem kleinen Fort hat, bekam ich nicht zu sehen, da es durch eine Bergecke dem Blicke entzogen war und wir überdiess bei noch so finsterer Nacht von unserem Lagerplatz aufbrachen, dass die nächste Umgebung nicht zu erkennen war. Der Weg, den die Karawane einschlug, in deren Begleitung ich den heutigen Tag blieb, läuft erst am rechten Ufer des Kotur-tschai hin, geht dann wieder auf das linke hinüber, das wir beim Aufbruch verlassen hatten, und zieht sich dann in einer schmalen Schlucht in nordwestlicher Richtung mehrere Stunden lang fort. Leider ist meine Uhr, wahrscheinlich in Folge der grossen Feuchtigkeit der Nacht, so stockig, dass ich die Distanzen nicht genau aufzuzeichnen vermag. Etwa ein Stündchen oberhalb Kotur empfängt der Fluss einen Zufluss aus NO., der fast so wasserreich als er selbst ist, und 2 Stunde weiter noch einen, beide in starkem Gefälle aus den Bergen niederstürzend. Vor dem Eintritt in die Schlucht und beim Austritt aus derselben bemerkte ich wieder ungeheuere Steinkohlenlager. Die Vegetation an beiden Ufern des Flusses beschränkt sich auf Wieswachs und wuchernde Binsen. An einer Stelle, wo die Schlucht sich etwas erweitert und das Bett einen Bogen beschreibt, ist unter zwei Zelten die Türkische Grenzwache etablirt, welche aus zwei Kurdischen Baschibozuks besteht und die Funktionen als Quarantaine- und Zollbehörde zu versehen hat, Funktionen, die sich in Wahrheit auf eine willkürliche Geschenksannahme von den durchziehenden Handelskarawanen und Reisenden beschränken. Auch ich entledigte mich meiner Verpflichtungen durch ein Bakschisch und tauschte dafür die Erfahrung ein, dass die Grenzbehörde nicht ohne Absicht gerade an diese Stelle verlegt ist, weil hier der ganze Verkehr nach Van hindurch muss, während er die Posten von Kotur, wie schon bemerkt, leicht umgehen kann. Nach etwa 5 Stunden Marsches kamen wir über ein welliges Terrain hinweg an einen kleinen See rechts vom Wege; der Aufstieg auf dieser letzten Strecke führt nach Angabe meiner Begleiter den Namen „,Gnadenstieg", Aman-jolu, angeblich wegen der glücklichen Erlösung aus den Gefahren, die dem Reisenden in den Engpässen von Kotur zu drohen pflegen. Der See muss, wie ich glaube, der Kazli-goel der Karten sein; in der That nennt mir ein Trainknecht diesen Namen, während die Anderen ihn sei es aus Ignoranz, sei es aus gewohnter Lässigkeit schlechthin den Trockenen See, Kuru-goel, nennen. Noch 2 Stündchen weiter nordwärts trifft man auf eine

Quelle, die ihr Wasser zum See sendet; hier hielten wir Mittagsrast, im Angesicht eines zweiten und grösseren See's, der sich in einer nordsüdlichen Länge von 1/2 Stunde links von der Strasse, die um seine Spitze herum eine scharfe Wendung nach Westen macht, ausdehnt. Er heisst nach der Weidelandschaft, die ihn rings umgiebt, Tschöl-tschimen-goel, Heiderasen-See. Während ein starkes Gewitter, das im Südosten heraufzog, dann das ganze Kotur-Gebirge in Dunkel hüllte und auch uns einige Regenschauer herübersandte, unseren Aufenthalt um geraume Zeit verlängerte, stellte ich einen Vergleich zwischen meiner heutigen Route und der Kiepert'schen Karte (Armenien und Kurdistan 1854) Die hauptsächlichste Abweichung meiner Auffassung besteht darin, dass ich den Fluss, welchen wir thalaufwärts bis zur Douane verfolgt haben, für den Hauptquellarm des Kotur-tschai halte, während nach Monteith und Shiel, denen Kiepert und Ritter hier gefolgt sind, jener nordöstliche Zufluss, der allerdings vom eigentlichen Kotur-Gebirge entspringt, der Hauptfluss wäre. Ich kann nur wiederholen,' dass letzterer weniger breit und tief ist als jener. Shiel's Route ist auch weniger nahe an den Kazli-See herangegangen als die meinige; den zweiten See kennt er gar nicht.

an.

Um 1 Uhr Mittags, nachdem ich meine Uhr nach der des Karawanenführers regulirt hatte, ward aufgebrochen und wir durchzogen nun unter fortdauernd regnichtem Wetter die geisterhaft schweigsame weite Trift von Albagh (vulgo Alibagh, die alte Landschaft Arrhapachitis). Da Shiel's Darstellung derselben und danach die Auffassung Ritter's nicht ganz genau sind, so zeichne ich Folgendes auf: Von jener Mittagslagerstätte geht es zunächst genau 3 Stunden lang westwärts ganz eben fort. Die Ebene ist hier höchstens 2 Meilen breit und verengert sich bis zu 1 Meile durch die von beiden Seiten herantretenden nächsten Hügelketten, denen ich eine Höhe von 8- bis 900 Fuss gebe. Hinter der südlichen Kette streichen mehrere Höhenzüge in der Richtung von SO. nach NW., unterbrochene Linien, durch deren Lücke hindurch man Seitenblicke in die Schichtung thun und drei Parallelketten unterscheiden kann. Am Horizont werden dieselben überragt von höheren, etwa 8 Stunden entfernten Bergen, jenseit deren Choschab liegt und welche mindestens 1500 Fuss über das Niveau der Ebene ragen. Der höchste Berg (2000 F.?) dieser ebenfalls von SO. nach NW. streichenden Kette ist der Tschukh-dagh bei Baschkala; die näheren Ketten nennt man mit einem gemeinsamen Namen Tschöl-tschimen-daghlar. Ganz südöstlich zeigt sich hinter einer Wolkenschicht eine schneebedeckte Kuppe, welche wieder der Akronal sein muss, obgleich Niemand diesen Namen kennt. Rechts von unserem Wege wird die nächste Hügelreihe ebenfalls von höheren Bergen überragt, doch in grösserer Entfernung,

so dass zwischen beiden sich noch eine zweite Ebene, das Thalbett des Mehmedik, hinzuziehen scheint. Etwa 1 Stunden fern vom See zweigt sich rechts von unserer Strasse ein Weg ab, der nach den Dörfern Jenizeiwe, Zeiwe und Serai führt. Ersteres sieht man in einer Entfernung von etwa einer Stunde am Hügel liegen. Serai liegt hinter den Hügeln und soll ein grosses Dorf sein, bewohnt von Nestorianern (Nasrani), die aber mehr und mehr auswandern; seinen Namen soll es von einem vor Alters dort gestandenen grossen Schlosse haben. Es ist wohl identisch mit Serik in Texier's Route. Einer von der Karawane erzählte mir hier, dass das älteste und berühmteste Schloss der ganzen Gegend die Burg von Aschkitan sei, es liege an dem Flusse, der von Chanyg nach Baschkala zu fliesse, 4 Stunden von letzterem entfernt, 1 Stunden von der Wallfahrtskirche Deri, und enthalte oberhalb des Eingangsthores Inschriften in unbekannten Zügen.

Nach den bezeichneten 3 Stunden kommt man an eine rippenähnliche Erhöhung des Terrains, da erschliesst sich plötzlich ein weiter Blick nach Westen, am Horizont die mächtige Masse des Sipan-dagh. Von hier ab erweitert sich die Ebene wieder, doch auch hier nicht über 2 Meilen breit. Die farblose Landschaft vor und hinter uns war so gut wie gar nicht angebaut, der Boden aber fruchtbar und selten steinig, allermeist mit Gras bewachsen, das aber jetzt verdorrt war. Links behält man hier einen von vielen Bachrinnen, wie grünen Schlangenlinien, durchfurchten Bergabhang, der zur Regenzeit und nach der Schneeschmelze 3 bis 4 Bäche zur Ebene niedersendet, die jetzt aber ebenfalls ausgetrocknet waren. Am Fusse des Abhanges standen, das einzige Lebenszeichen menschlicher Kultur, ein Paar vereinzelte Kurden-Zelte aus einem der nächsten Dörfer. Es giebt überhaupt im Tschöl-tschimen nur 5 Dörfer, deren keines mehr als 10 Häuser zählt; die Einwohner sind Mukurri-Kurden und stehen unter Ahmed Agha; die nomadischen Kurden, die im Frühjahr den Albagh abweiden, waren schon weiter gezogen. Bis jetzt hatten wir von jenen Dörfern noch keines in Sicht bekommen; mein Weg geht augenscheinlich etwas südlicher als Shiel's Route.

Am halb ausgetrockneten Bett eines der eben erwähnten Bäche ward nach vierstündigem Marsche seit der Mittagsrast Halt gemacht und unter freiem Himmel auf feuchtem Boden kampirt. Kaum hatten wir es uns etwas behaglich gemacht, so erhielten wir höchst. lästigen Besuch von einem Trupp Kurdischer Bauern, die vom Felde heimkehrend sich die Anwesenheit einer wenig zahlreichen Karawane zu Nutze machten, um die landesüblichen kleinen Erpressungen zu verüben; der Eine bat sich Schiesspulver, der Andere ein Hufeisen, ein Dritter etwas Reis

u. s. w. aus. Der Karvanbaschi und seine Leute fanden sich bald mit dem Gesindel ab, luden jedoch im Beisein der ungebetenen Gäste alle Gewehre und verbaten sich damit jede etwaige Wiederkehr derselben für die Nacht. An meinen Reiseeffekten befriedigten sie ihre keineswegs kindische Neugier und Naseweisheit durch Betasten und Begaffen vieler nie gesehener Gegenstände. Das Dorf, zu dem diese Kurden gehören, heisst Misnawig und liegt zwischen Astardsche und Molla Hasan, 2 Stunde nördlich von unserem Lagerplatz. Es mag wohl ein sehr ärmliches und schmutziges Nest sein, denn auch die Milch und Butter, die wir Abends von dort holen liessen, waren so ekelhaft unsauber, dass ich die sonst im ganzen Kurdistan so treffliche Milchwirthschaft der Nomaden schmerzlichst vermisste.

6. August. Die Nacht ruhig, aber nass. Früh 4 Uhr aufgebrochen; so kühl, dass ich noch ein Paar Stunden lang den Bärenpelz anbehalte. Die Ebene ist mehr hügelig als gestern. Die Berge von Kotur bleiben im Osten in Sicht, hinter ihnen geht die Sonne herrlich rein auf, während der Mond hinter dem eigenthümlich geformten, isolirt stehenden nordwestlichsten Ausläufer der mittleren Hügelkette links, der Nirjoch (j Französisches j) genannt wird, untergeht. Um 6 Uhr passirten wir einen Bach, der zum Mehmedik fliesst und in dessen oberem Thale der Rauch der Morgenfeuer die Zelte Ahmed Agha's zu verrathen scheint. Bald darauf verengert sich die Ebene durch das Herantreten der den Mehmedik in einer südwestlichen Biegung begleitenden Berge zu einem Engpass. Am Eingang dieses Défilé's liegt zu beiden Seiten der Strasse Molla Hasan, ein kleines Dorf der ackerbauenden MukurriKurden, deren Häuptling hier seinen Sitz hat. Dicht über dem Dorfe auf der den Pass dominirenden Höhe Ruinen eines alten Kastells; hinter dem Dorfe wird der MehmedikFluss überschritten, dort mündet auch von rechts her in unseren Weg die Hauptstrasse ein, welche von Serai über Astardsche führt. Nach einer Stunde kehren wir auf das linke Ufer des Flusses zurück. Das Défilé erweitert sich wieder zu einer wohl angebauten Ebene, wo die Ernte eben die Leute auf dem Felde beschäftigt. Man merkt es, dass man sich den Regionen der betriebsamen Armenier nähert. Auf einer ziemlich dürren Weide inmitten der Ebene gönnten wir den müden Thieren gegen 10 Uhr Vormittags um so mehr einige Rast, als dieselben seit mehr als 48 Stunden, d. h. seit dem Aufbruch aus Selmas, eigentlich kein ordentliches Futter gefunden hatten. Es ist das bei dieser Art zu reisen das grösste Hemmniss, dass man in der dürren Jahreszeit, wo das Gras der Triften völlig verdorrt ist, entweder alle Fourage mit sich führen oder darauf gefasst sein muss, Tage lang ausgehungerte Pferde Petermann's Geogr. Mittheilungen. 1863, Heft VI.

zu reiten, wo es, wie im ganzen Kurdistan, überall an Herbergen fehlt und die Dörfer mit Mann und Maus in die Jaila gezogen sind.

Von unserem Lagerplatze aus übersehen wir den Artschag- (Eldscheg-) Göl mit den ihn deckenden Bergen. Er soll von hier nur 1 Stunde entfernt sein und nach Van rechnet man nur noch 5 Agatsch. Hierauf vertrauend trenne ich mich nach Mittag wieder von der Karawane, die hier zu übernachten gedenkt, und setze den Weg nach Van allein fort. Leidliche Hitze, umwölkter Himmel. Der Weg bleibt Angesichts des See's mit nur kurzen Unterbrechungen und führt längs einer Hügelkette bis in die Nähe des Dorfes Eldscheg (Kurdisch Ardzag). Am Nordostende des See's sieht man einen ziemlich grossen Ort Namens Karakunduz mit seinen Gärten liegen. Durch das Fernrohr erkenne ich innerhalb desselben einen Hügel, auf dem ein alter Thurm emporragt (das Persische Wort Kunduz bedeutet,,alte Burg"), und einen hoch gelegenen Friedhof mit umfänglichen Grabsteinen. Artschag selbst wird nicht berührt, sondern bleibt am Fusse des Hügels rechts von der Strasse, dagegen berührt letztere bis auf 100 Schritt Nähe ein zu Artschag gehöriges Armenisches Kloster, welches links vom Wege in einer Schlucht, von wo ein rauschender kleiner Bach dem See zuläuft, unter Bäumen versteckt liegt. Der See ist ausserordentlich reich von Geflügel bevölkert, Taucher, Strandpfeifer, Möven verschiedener Art schwimmen theils im See herum, theils sitzen sie am Ufer in zahllosen Massen. Stellenweise bemerke ich denselben fauligen Geruch, der die Ufer des Urumia-See's verpestet; das Wasser ist brackisch. Südwestwärts läuft das Becken des See's in ein Horn aus, das in trockenen Sommern oft so vollständig von dem Hauptsee losgetrennt wird, dass dann ein besonderer kleiner See entsteht; der Damm, der die Scheidewand bildet, war augenblicklich nur so flach vom Wasser bedeckt, dass die Vögel darin waten konnten; er ist anscheinend der Ausläufer des Bergrückens, der den Nordrand des See's umgürtet. Die südwestliche Spitze des See's muss nach meiner Überzeugung näher nach Van zu gerückt werden, als es auf der Kiepert'schen Karte geschehen ist; die Entfernung von letzterem beträgt in der That nicht mehr als 5 Stunden. Auch Shiel bezeichnet seinen Marsch von Artschag nach Van als sehr klein. Sobald man vom Seebecken den ersten Hügelrand hinangestiegen, ändert die Landschaft und Natur des Bodens völlig ihren Charakter. Das Erste, was den Blick fesselt, sind im Südwesten die malerisch wilden Klippengruppen des Werekdagh, doppelt furchtbar im Schatten eines darüber schwebenden Gewitters. Dunkelschwarze senkrechte Felsenwände und kühn vorspringende Geschiebe thürmen sich gleichsam auf einander, in den höchsten Schluchten liegt

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noch Schnee; die Umrisse der äussersten Kanten nehmen sich aus wie die Silhouette einer mächtigen Burgruine. Rechts öffnet sich der Blick in eine Folge schön grüner, weidereicher Thäler, zahlreiche Heerden grasen in den Gründen, an den Abhängen ist die Weizenernte im besten Gang, auf den Stoppelfeldern bemerke ich ein Paar Mal den grossen aschgrauen Persischen Trappen, auf den Wiesen stolziren Störche, die, beiläufig bemerkt, im Armenischen Volksglauben nicht minder als im unsrigen als das Sinnbild häuslichen Segens und Verkünder der Ankunft eines Neugebornen gelten. Der Boden unter den Füssen der todmüden Pferde wird immer hügeliger und steiniger. Links zweigt sich ein Fuss weg nach dem 1 Stunde weit in den Bergen gelegenen Kurden-Dorfe Chyno ab, rechts drüben am jenseitigen Abhang des nächsten Thales zeigt sich das Armenische Dorf Makane. Um 6 Uhr überschreiten wir eine frisch rieselnde Quelle an einem quer vor das Makane-Thal geschobenen Hügel, der nach beiden Seiten eine freie Umsicht gewährt. Ich entdecke auf dem Plateau desselben ein bemerkenswerthes altes Gemäuer, ein 60 Schritt langes und 34 Schritt breites Rechteck, dessen Grundmauern aus grossen, ohne Mörtel an einander gepassten Felsstücken noch mehrere Fuss hoch zu erkennen sind; um die Quelle herum, die an der Ostseite des Hügels abfliesst, viele Spuren von steinernen Wohnungen, an der Westseite desselben die Nekropole mit zahlreichen Gräbern, zwar alle ohne Inschrift, aber jedes von einem ovalen oder viereckigen Gehäge von Steinen umfasst. Diese Alterthümer müssen mindestens aus der Blüthezeit der Armeni`schen Unabhängigkeit stammen. Die Bewohner des kleinen, links davon in die Berge gedrückten Dorfes Andzaw kennen die Stätte nur unter dem Namen Kharaba (Ruine);

im Dorfe selbst soll sich ein zweites Schloss, ebenfalls in Trümmern, befinden. Da der Abend herannaht, so ist aber meines Bleibens nicht länger. Es soll noch 1 Agatsch bis Van sein, er ist aber gut gemessen, denn es gelang mir nur mit Mühe, nach einem Ritte von noch 1 Stunden allerdings bei dem Zustande unserer Pferde in sehr langsamer Gangart das Dorf Schahbagh zu erreichen, wo Dunkelheit und Müdigkeit, schlechte Laune der Katerdschis und Sorge um ein Unterkommen mich einzukehren nöthigten. Herrlich war noch kurz vor Sonnenuntergang der Blick, den man beim Heraustreten aus den Vorbergen des Werek-Gebirges über die Ebene und einen Theil des See's von Van geniesst. An einer steilen Höhe klimmt der felsige Pfad in vielen Biegungen zur Ebene hinab, die wie ein grosser grüner Garten den tiefblauen See an seiner Ostseite umzieht, die Stadt selbst ist durch einen letzten Hügel dem Blick entzogen.

Nachdem wir in Schahbagh eine Weile umhergeirrt und an mehr als Eine Thür vergeblich geklopft hatten, nahm mich endlich ein freundlicher alter Armenier mit meinen Leuten bei sich auf. Ich erfuhr noch am Abend von ihm, dass er 15 Jahre lang in Konstantinopel gelebt, sich besonders während des letzten Russischen Krieges als Gepäckträger bei der Englischen Armee ein schön Stück Geld verdient und dasselbe nun in seiner Heimath in Gartenbau und Pferdezucht angelegt habe. Er erliess es mir nicht, trotzdem dass ich mich nach einer 14stündigen Reitpartie nach der Ruhe sehnte, nach dem Abendessen noch Stunden lang gegen die Türkische Regierung und Lokalverwaltung zu polemisiren, wobei die neue Militär-Ersatzsteuer und der fruchtlose Hat - humajum die bevorzugten Themata bildeten.

Skizze der politisch-territorialen Verhältnisse der Gestadeländer des Persischen Golfes. Von Dr. A. Schläfli.

Der Persische Golf uneigentlich so genannt, denn es ist ein echt Arabisches Meer, zu beiden Seiten von Stämmen Arabischer Abkunft bewohnt ist eine der stillsten Gegenden unseres Planeten. Selten dass ein vorübergehendes politisches Ereigniss die Augen Europa's auf seine Gestade lenkt, selten dass ein fremdes Schiff oder ein einzelner Reisender sich dahin verliert. Nur die Engländer durchfurchen still und rastlos mit ihren Dampfern seine Fluthen und Englischer Einfluss und Englisches Wort sind hier zum Gewinne der Civilisation allgewaltig geworden.

Nach Unterdrückung der Seeräuberei durch die Briten

Ende der zwanziger Jahre traten im Persischen Golf friedlichere Zustände ein, der einheimische Handel blühte von Neuem auf und jetzt erfreuen sich die Bewohner seiner Küsten einer nicht unbeträchtlichen Wohlhabenheit und Ruhe, welche nur dann und wann durch lokale Streitigkeiten zwischen den einzelnen Häuptlingen gestört wird.

In Folge seiner Abgelegenheit vom grossen Europäischen Verkehr sind die politischen Verhältnisse der Gestadeländer dieses Golfes bei uns ziemlich unbekannt geblieben oder wurden wenigstens auf den Karten unrichtig dargestellt. Auf ihre historische Entwickelung kann ich hier nicht eingehen, da mir Kenntniss, Zeit und das

nöthige Material mangelt; es handelt sich mir hier mehr um einige territoriale Berichtigungen, die in so fern nicht unnöthig erscheinen mögen, als auch diese Länder bald durch den Indischen Telegraphen und die Mesopotamische Eisenbahn Europa näher rücken.

Vier grössere Orientalische Mächte theilen sich in den Besitz jener Küsten: 1. die Türkei, 2. Persien, 3. die Wahabiten und 4. der Imam von Maskat, aber nur die Araber befahren den Golf, zu denen sich in seinem östlichen Theile noch Beludschen gesellen. Die Perser waren von jeher eine meerscheue, seeuntüchtige Nation und die Türken haben in diesen Gewässern weder eine Kriegs- noch Handelsmarine.

Die Osmanli halten nur das Delta-Land des vereinigten Euphrat und Tigris inne, könnten aber, wenn ihnen eine ordentliche Flotte zu Gebote stände, vermittelst der religiösen Stellung ihrer Sultane als Haupt der Sunniten. eine nicht unbedeutende Rolle in diesem Meere spielen, da der grösste Theil der uferbewohnenden Araber sich zur Sekte der Sunni bekennt.

Gewissermaassen die Oberhoheit der Hohen Pforte anerkennend oder wenigstens ihre vortheilhafte Protektion geniessend und die Osmanische Flagge führend ist der kleine Freistaat von Kuëit. Er begreift in sich die Ortschaft Kuëit, das' Dorf Fau an der Ausmündung des Schattel-arab, die Insel Feludsche und mehrere nahe gelegene kleinere, aber nur temporär bewohnte Eilande. In früheren Jahren war Kueit ein lästiger Nachbar Bassora's, es betrieb einen ausgedehnten Schmuggelhandel und stand nicht selten mit dem Pascha in Fehde. Da die Türkische Regierung bei dem elenden Zustande ihrer Flotte mit Waffengewalt Nichts auszurichten vermochte, nahm sie zu einer unwürdigen Nachgiebigkeit ihre Zuflucht, um die Geneigtheit des winzigen Gegners zu gewinnen. Dieselbe fand um so geneigteres Ohr, als auf der anderen Seite die Wahabiten den kleinen Staat tributär zu machen drohten. Die Pforte sicherte den Bürgern Kuëit's, welche in der Umgebung Bassora's bedeutende Besitzungen an Dattelwäldern haben, neben Beibehaltung ihrer gänzlichen Unabhängigkeit vollkommene Abgabenfreiheit zu. Ferner bewilligte sie ihrem Schech Abyr, dem später sein Sohn Subach folgte, ein jährliches Geschenk von 140 Kiare (die Kiare zu 1080 Konstantinopolitanischen Okas) Datteln. Der Boden um Kuëit ist kahle Wüste, aber es unterhält mit seinen 40 bis 50 grossen Baglas (Schiffe von 2- bis 400 Tonnen) einen nicht unbeträchtlichen Handel mit der Malabar-Küste und den Häfen des Rothen Meeres.

Nach den Siegen der Ägyptier und der Einnahme Dereyeh's durch Ibrahim Pascha wurde die Macht der Wahabiten bedeutend geschwächt. Der wilde Fanatismus ihrer

Horden drohte den Orient, auf den die Civilisation Europa's kaum noch einen schwachen Schimmer warf, von Neuem gänzlich in die Barbarei zurückzuwerfen. Jene Ereignisse sind daher nicht hoch genug anzuschlagen. Indessen bilden die Wahabiten noch immer den grössten und wichtigsten Staat auf der Arabischen Halbinsel. Ihr gegenwärtiger Chef, Fessal-ibn-Türki-ibn-Saud, herrscht noch immer von den Thoren Mekka's und Medina's bis an die Gestade des Persischen Golfes und fast alle kleineren Staaten desselben sind ihm mehr oder weniger tributpflichtig. Selbst der Imam von Maskat, Seyd Thuweni, verstand sich nach der neulichen Bezwingung der Stämme des Dschebel Achdar, unter denen sich viele Wahabiten befinden, wieder zu einem jährlichen Tribute. Die gegenwärtige Residenz der Wahabiten ist Ryad, Dereyeh wurde nach seiner Zerstörung durch die Ägyptier nie wieder aufgebaut. Die einzigen Seehäfen, welche direkt unter Fessal-ibn-Türki stehen, sind das palmenreiche El-Katif und das kleine Ädscher; beide sind unbedeutend, ohne Handel und Schifffahrt.

Jene den Wahabiten tributären Staaten der Arabischen Küste sind in Kurzem folgende:

1. Die Bahrein-Inseln. Der Herrschaft ihres Schechs, Muhammed-ibn-Chalife, sind noch einige Ortschaften des gegenüberliegenden Festlandes oder jener Halbinsel unterworfen, welche in Ras Rekkan ihre Spitze findet. Die hauptsächlichsten davon sind: Sabara, Chôr Hassan, Ferat, Haueli und El-Biddah. Abgesehen davon, dass die zwei Bahrein-Inseln die fruchtbarsten, gesündesten und wasserreichsten des Persischen Meeres sind, liegen sie inmitten einer reichen Perlenbank, welche von der Bucht von Kuëit aus bis nach Abuthubi auf einer Strecke von 6 Graden sich ausdehnt. Mit Recht gelten sie als das Arabische Eldorado, auf dem sich Araber und Banianen schon enormes Vermögen erworben haben. Um so schwieriger ist daher die Stellung ihrer Schechs, deren Macht noch oft durch Familienstreitigkeiten geschwächt wird. Perser, Türken, Wahabiten, Omanen und andere Araber-Stämme warfen von jeher auf den Besitz dieser kostbaren Eilande ein lüsternes Auge. Mehr um den Bestrebungen derselben auszuweichen als durch die Wahabiten gezwungen entschlossen sich die Schechs, das wenig drückende Protektorat der letzteren anzuerkennen und ihrem Chef ein jährliches Geschenk im Werthe von 4000 Thalern zu liefern. Dass es seit den Portugiesen keine Europäische Macht, namentlich nicht das länderverschluckende Britannien, versucht hat, sich auf den Bahrein-Inseln festzusetzen, ist kaum zu erklären, da eine Besitzergreifung sich wohl mehr als lohnen würde.

2. Dem kahlen, unbewohnten Strande, welcher sich von

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