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Auflage und brachte dadurch bei der Gesellschaft des Globus-Theaters ihren Shakespeare'schen Heinrich wieder in Erinnerung, den sie jetzt aus ihrer Bibliothek hervorholte und als Ausstattungsstück auf die Bühne zu bringen beschloss. Dass er so wie er war die Bretter nicht beschreiten konnte, lag auf der Hand-er musste umgearbeitet oder doch zurechtgestutzt werden. Wer dies Geschäft übernahm, ob der Verfasser, der sich bereits seit mehreren Jahren nach seinem Tusculum zurückgezogen hatte, oder ein anderer Theaterdichter, ist vorerst noch gleichgültig. Zunächst musste der prophetischen Lobpreisung Elisabeths die Spitze abgebrochen werden, indem sie auf Jakob hinübergeleitet wurde. Das war so zu sagen der Blitzableiter, welcher Jakobs Missfallen auffing, von dem das Stück sonst unausbleiblich getroffen sein würde, die Schauspieler vielleicht nicht ausgenommen. Dass dieser zweite, auf Jakob bezügliche Theil der Prophetie ein incongruentes, ungeschickt eingeflochtenes Einschiebsel ist, das sich im ursprünglichen Stücke nicht vorfand, darüber ist die Mehrzahl der englischen und deutschen Kritiker bereits einig. Nichts scheint glaublicher, als dass bei dieser Gelegenheit auch die Anspielung auf das Alter und den Tod der Elisabeth eingefügt worden ist, an welcher Hertzberg so grossen Anstoss nimmt. Denn wie hätte der Dichter oder Uęberarbeiter den Uebergang auf Jakob gewinnen sollen, wenn er Elisabeth nicht sterben liess? Mit der Erweiterung der prophetischen Lobrede auf Jakob war aber der Bearbeiter noch nicht zufrieden. Das war nur etwas Aeusserliches und er fühlte recht wohl, dass er den eigentlichen Zweck seiner Dichtung, von dem ja nun keine Rede mehr sein konnte, einigermassen verkleiden musste; das that er, indem er die Rolle der Katharina weiter ausführte und vertiefte, während sie vorher ohne Zweifel mit den übrigen Charakteren wie mit der ganzen Tendenz des Stückes, wie wir sie dargelegt haben, in vollem Einklange stand. Erst jetzt wurde Katharina zur Märtyrerin. Die (aus Holinshed geschöpfte) Scene zwischen ihr und den beiden Kardinälen (III, 1) hängt so lose mit dem Gange der Handlung zusammen und ist innerlich so wenig nothwendig, dass sie unbedenklich als spätere

und die letzte an. Collier H. E. Dr. P. II, 258 hat nur ein ganz unerhebliches Citat daraus und Drake erwähnt es gar nicht. Bei Dodsley, in den Publikationen der Shakespeare-Gesellschaft und den übrigen bekannten Sammelwerken ist es nicht abgedruckt und es existirt bis jetzt überhaupt weder ein Reprint, noch eine Ausgabe davon. Möglicher Weise könnte auch ein verloren gegangenes Stück Robert Greene's in Betracht kommen, das nach Stowe denselben Gegenstand behandelte.

Einschiebung angesehen werden kann. Dasselbe gilt mutatis mutandis auch von der Sterbescene, wenngleich sich ihr Inhalt nicht so glatt und vollständig aus dem Stücke herauslösen lässt wie derjenige der ebengenannten Scene. Denn dass der Tod der Katharina bereits in der ursprünglichen Gestalt des Stückes Erwähnung gefunden hat, scheint uns nach dem oben Gesagten unzweifelhaft.

Eine bisher noch unbeachtete Bestätigung dieser Auffassung glauben wir beim Dichter selbst zu finden, und zwar im Epilog, gleichviel von wem derselbe verfasst sein mag. Hier lesen wir die, in mehr als Einer Hinsicht bemerkenswerthen Verse:

I fear

All the expected good we're like to hear
For this play at this time, is only in

The merciful construction of good women;

For such a one we show'd 'em.*)

Was heisst:,,at this time"? Lässt sich das unter Berücksichtigung aller übrigen Umstände, anders auslegen als so: jetzt, bei der Aufführung des vor zehn Jahren geschriebenen, gegenwärtig umgearbeiteten Stückes, hoffen wir hauptsächlich auf den Beifall edler Frauen, denn eine solche haben wir ihnen in der Person der Katharina nunmehr vorgeführt: wäre das Stück damals aufgeführt worden, so würden wir ein anderes Lob dafür geerntet haben. Dass die Frauen mit dem Charakter der Katharina am meisten sympathisiren mussten, liegt auf der Hand, und trotz der verschönernden Beleuchtung, in welche Anna Boleyn vom Dichter gerückt ist, werden wir doch nicht daran denken dürfen, diese für das den Frauen vorgeführte Musterbild anzusehen. Katharina's Schicksal drückt auf die weiblichen Thränendrüsen und schon damit ist ihr der unbestrittene Vorrang bei den Frauen gesichert. Der Prolog gesteht das mit einer Deutlichkeit ein, die nichts zu wünschen übrig lässt:

Ferner:

Such noble scenes as draw the eye to flow,

We now present. Those that can pity, here
May, if they think it well, let fall a tear;
The subject will deserve it.

Be sad, as we would make ye,

*) Die Appeilation an die ,,good women" enthält zugleich einen der allerdings nicht seltenen Belege für die von Rümelin u. A. ohne genügende Sachkenntniss bestrittene Thatsache, dass auch anständige Frauen das Theater besuchten.

Jahrbuch IX.

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und zum Schluss:

And, if you can be merry then, I'll say

A man may weep upon his wedding-day.

Diese letzte Aeusserung erinnert nochmals an die Hypothese. dass Heinrich VIII. zur Hochzeitsfeier des Pfalzgrafen gedichtet sei, die schon hiernach hätte ausgeschlossen bleiben sollen: konnte Shakespeare, oder wer sonst, die Zuhörer traurig stimmen und ihnen eine Thräne entlocken wollen, wenn seine Dichtung zur Verherrlichung eines so freudigen Ereignisses bestimmt gewesen wäre? Der offenbare Widerspruch liegt auf der Hand. Zu gleicher Zeit weisen die angeführten Worte darauf hin, dass der Verfasser des Prologs und der Ueberarbeiter der Katharinen-Rolle ein und dieselbe Person waren.

Wahrscheinlicher Weise ist der zweite Titel „All is true" ebenfalls erst bei der Ueberarbeitung hinzugefügt worden und es könnte damit einerseits auf die Beschwichtigung Jakobs abgesehen gewesen sein, (der sich doch am Ende die geschichtliche Wahrheit gefallen lassen musste) wie er andrerseits dazu beitragen konnte, dem Stücke ein möglichst neues Ansehen zu geben. Schon Malone hat darauf hingewiesen, dass aus diesem Grunde gerade um 1612-13 verschiedene Shakespeare'schen Stücke mit neuen Titeln versehen wurden. Es kommt jedoch wenig auf diesen Punkt an. Wichtiger ist, dass jetzt Wotton's Angabe, „All is true" sei im Jahre 1613 ein neues Stück gewesen, zu ihrem Rechte kommt und wir nicht nöthig haben, dieselbe mit Hunter ohne Weiteres zu verwerfen oder mit Drake (552) durch eine künstliche Interpretation zu beseitigen. Wotton, so hilft sich Drake, habe sehr eilig und unaufmerksam geschrieben und mit dem Ausdrucke ,,new" nur sagen wollen, dass es ein aufgefrischtes (revived) Stück gewesen sei. Wäre dem nicht so, meint Drake, so hätte Thomas Lorkin in seinem Briefe nicht schlechtweg schreiben können,,the play of Henry VIII.“, als sei es ein bekanntes Stück, sondern hätte sich unbedingt anders ausdrücken müssen, etwa ,,a play, or a new play, called Henry VIII." Nun mag allerdings zugegeben werden, dass sich Wotton nicht viel um Theater-Angelegenheiten gekümmert und ihnen, wie sein spöttelnder Ton beweist, keine grosse Wichtigkeit beigelegt hat; allein ein so direktes Zeugniss lässt sich doch nur durch ganz überzeugende Gründe entkräften und wie uns scheint löst unsere Auffassung den zwischen Wotton's und Lorkin's Ausserungen etwa bestehenden Widerspruch vollständig auf; der erstere hat nicht minder Recht, das Stück als ein neues, d. h. noch nicht aufgeführtes, zu bezeichnen, wie der zweite, es als ein bekanntes zu behandeln,

So treffen wir also rücksichtlich der Abfassungszeit mit denjenigen Kritikern zusammen, welche das Stück an das Ende der Regierung Elisabeths setzen und der Eindruck des unbefangenen, durch keine kritischen Untersuchungen beirrten Lesers oder Zuschauers wird damit ohne Zweifel übereinstimmen. Aus den obigen Anführungen erhellt überdiess. dass gerade in den ersten Jahren des 17. Jahrhunderts Heinrich VIII. und sein grosser Kardinal ein Lieblingsthema war, das von verschiedenen dramatischen Dichtern gleichzeitig behandelt wurde. Die von Collier aufgestellte Hypothese, nach welcher die erste Aufführung unseres Stückes,,wahrscheinlich den Krönungstag der Königin Anna, der Gemahlin Jakobs I., 24. Juli 1603, verherrlichte", bedarf nunmehr keiner Widerlegung, obschon die Namensgleichheit der beiden Königinnen aber auch nur diese zu ihren Gunsten geltend gemacht werden könnte. Die Thatsache hingegen, dass, um uns Kreyssigs Worte anzueignen, ,,der ganze prachtvolle Apparat, das Maskenspiel bei Wolsey's glänzendem Feste, der Geister-Reigen, welcher der sterbenden Katharina huldigt, vor allem die stattlichen, sorgfältig vorgeschriebenen Festzüge auf einen solchen Gelegenheitszweck hinweisen", ist vollkommen richtig, nur dass der ursprüngliche Gelegenheitszweck kein anderer sein konnte als einer, der mit dem Leben und der Geburt der Elisabeth in Verbindung stand. Seiner Ausstattung wegen gewann Heinrich VIII. sogar eine bleibende Bedeutung als patriotisches Feststück und wurde z. B. 1727 zur Krönungsfeier Georg's II. gegeben, wo es nach Chetwood in Einem Winter 75 Aufführungen erlebte.

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Nur Ein Argument ist noch übrig, welches von englischen und noch mehr von deutschen Kritikern gegen das Jahr 1602-3 und für 1612-13 als Abfassungszeit geltend gemacht worden ist. Diction und Versbau beweisen nämlich, dass Heinrich VIII. zu Shakespeare's spätesten Productionen gehört, wie das namentlich Hertzberg (Shakespeare-Uebersetzung IV, 5 und 22) scharf und eingehend dargethan hat. Knight (Studies of Shakespeare 403 fg.) u. A., welche früher auf diese stylistischen und metrischen Eigenthümlichkeiten (Satzbau, Enjambements, weibliche Ausgänge u. s. w.) hingewiesen haben, sind doch nicht so weit gegangen, daraus systematische Schlüsse auf die chronologische Reihenfolge der Shakespeare'schen Dramen zu ziehen, wie Hertzberg namentlich vermittelst des Procentsatzes der weiblichen Versausgänge thut. Dieser erreicht nach ihm in Heinrich VIII. weitaus die grösste Höhe, nämlich 37 Procent in XI, 347 fg. giebt er sogar 44 Procent an. Troilus und Cressida hat 20%,

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Othello 28, Cymbeline 30 (oder 32, nach XII, 292) Procent.*) Den Timon hat er leider noch nicht in seine Berechnung eingeschlossen. Hertzberg selbst ist fern davon, für diese Procentberechnung „die Sicherheit eines mathematischen Gesetzes zu beanspruchen" und selbst wenn man dieselbe als einen unbedingten chronologischen Massstab zugeben wollte, so würden doch immer die besondern Voraussetzungen untersucht werden müssen, unter denen er auf unser oder irgend ein anderes Stück angewendet werden kann. Wer kann sagen, in wie weit die Ueberarbeitung des Stückes im Jahre 1612 bis 1613 auf den Versbau und insbesondere auf die weiblichen Ausgänge von Einfluss gewesen sein mag? Shakespeare's Versbau bedarf überhaupt und namentlich in Betreff des weiblichen Ausgangs und seiner ohne Zweifel mit den Jahren steigenden Zunahme noch fortgesetzter Untersuchungen; eine allgemeine Procent-Angabe für die ganzen Stücke in Bausch und Bogen reicht nicht aus. Das hat bereits der oben erwähnte ungenannte Mitarbeiter des Gentleman's Magazine nachgewiesen, welcher dort gerade Heinrich VIII. Act für Act und Scene für Scene von diesem Gesichtspunkte aus unter die Lupe genommen hat und zu dem Ergebniss gekommen ist, dass der weibliche Ausgang gerade in den Scenen am häufigsten vorkommt, die auch aus andern Gründen verdächtig sind, nämlich in Katharina's Unterredung mit den beiden Kardinälen und in der Sterbescene. In der erstern (III, 1) finden sich unter 166 Versen 119 weibliche, das Verhältniss ist also 1 zu 1,3. Die Sterbescene zerlegt der Verfasser (nach Anleitung älterer Ausgaben?) in zwei Scenen, von denen die erste (IV, 2) bis zur Vision reicht und auf 80 Verse 51 weibliche, also 1 zu 1,5, enthält; die zweite (IV, 3) von da bis zum Schlusse des Actes zählt 93 Verse mit 51 weiblichen Ausgängen, d. h. 1 auf 1,8. Um den Abstand zu zeigen mag angeführt werden, dass z. B. in V, 1 das Verhältniss 1 zu 2,5, in II, 4 1 zu 3,1 und in I, 1 sogar nur 1 zu 3,5 beträgt. Da sich dieser Abstand in keiner Weise durch den Inhalt erklären lässt, so kommt der ungenannte Verfasser auf die Vermuthung, dass die verdächtigen Scenen von Fletchers Hand herrühren möchten, der den weiblichen Ausgang besonders häufig anzuwenden liebt. Der vierte Act von Fletchers Thierry and Theodoret (1621 erschienen, aber jedenfalls früher geschrieben) enthält z. B. unter 232 Versen 154 weibliche, d. h. 2 auf 3. Auch eine eingehende Vergleichung der ,,Two Noble Kinsmen" würde nach dem Verfasser in diesem Punkte

*) Vergl. auch Shakespeare-Uebersetzung VIII, 288.

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