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Feind sei und verwirft ihn daher als ihren Richter; er sei es gewesen, der diese Glut beim Könige angefacht habe (II, 4). Dass der Kardinal dagegen seine Unschuld betheuert, sich auf den König beruft und von diesem seine Nichteinmischung bestätigen lässt, will nicht viel verfangen; es beweist nur, dass er schlau genug zu Werke gegangen ist, um sich nirgends blosszustellen. Weiss doch das Volk (II, 1):

Der Kardinal, vielleicht auch Andre
Seiner (des Königs) Umgebung flössen ihm aus Bosheit
Gegen die gute Kön'gin Scrupel ein,

Die ihr Verderben drohn.

Es ist bekannt, dass der Kardinal dadurch Rache an Kaiser Karl üben wollte:

's ist einzig

Der Kardinal, der Rach' am Kaiser sucht,

Weil der ihm nicht das Erzbisthum Toledo
Auf sein Gesuch verlieh,

In II, 2 wiederholt der Herzog von Norfolk, dass der Kardinal, seitdem er das Bündniss mit dem Kaiser zerknickt, in's Herz des Königs taucht und dort Scrupel und Angst und Gewissens bisse, Furcht und Verzweiflung wegen dieser Ehe streut und ihm, um ihn aus dem Wust zu erheben, Scheidung anräth. Mehrfach hervorgehoben wird auch die Doppelzüngigkeit des Kardinals bezüglich der Ehetrennung (z. B. III, 2). Dass Wolsey die Scheidung in seinem eigenen Interesse betrieb, ist eine zu bekannte geschichtliche Thatsache, als dass sie weiterer Darlegung bedürfte. Sein Plan war, den König mit der Herzogin von Alençon, der Schwester des Königs von Frankreich zu vermählen und dadurch dessen Unterstützung für seine ehrgeizigen Pläne zu gewinnen, nachdem ihm diejenige des Kaisers entgangen war. Alles das spricht er beim Dichter ohne Rückhalt aus und bezeichnet mit dürren Worten das Papstthum als. seinen letzten Zweck. Auf den König wirft es ein keineswegs ungünstiges Licht, dass er auf die feingesponnenen Pläne einer politischen Heirath nicht eingeht, sondern als ein gerader ehrlicher Mann seiner Neigung folgt. Ueberhaupt ist der König bei Shakespeare zu ehrlich und gutmüthig, als dass er Wolseys Ränke durchschauen sollte; Norfolk prophezeit II, 2: Der König wird ihn einst noch kennen lernen und Suffolk erwidert: Gott geb's! er lernt sich selber sonst nicht kennen. Die endliche Erkenntniss kommt dem Könige bekanntlich durch das Verzeichniss der vom Kardinal auf

gehäuften ungeheuern Schätze und durch den Brief an den Papst, der seine Pläne und Ränke enthüllt.

Dass es in Wahrheit zumeist des Königs ungestüme und selbstsüchtige Sinnlichkeit war, welche ihn von der alternden Gemahlin abwendig machte, kann keinem Zweifel unterliegen; der Dichter übergeht jedoch diesen Punkt wohlweislich mit Stillschweigen oder lässt ihn doch nur leise ahnen. Katharina war kränklich und acht Jahre älter als ihr Gemahl, ein Missverhältniss, dass sich hier, wie mit seltenen Ausnahmen überall, rächte. Es kann nicht anders als zur sittlichen Hebung Heinrichs dienen, wenn der Dichter hiervon völlig absieht und das Hauptgewicht einerseits auf Wolseys Ränke und Pläne, andrerseits auf des Königs Gewissensscrupel legt (II, 2 und II, 4), von denen dieser in längerer Rede eine klägliche und bewegliche Schilderung giebt. In Wahrheit waren sie vermuthlich nichts als ein erkünsteltes Possenspiel, wenngleich es nicht ohne Eindruck auf den König bleiben konnte, dass der Bischof von Bayonne (richtiger der von Tarbes), wie wir aus des Königs eigenem Munde erfahren (II, 4), die Legitimität der aus dieser Ehe entsprossenen Prinzess Marie unverhohlen in Zweifel gezogen hatte. In dem frühzeitigen Tode der beiden Söhne gab Heinrich vor, eine göttliche Strafe für die nach kanonischem Rechte unzulässige Ehe mit der Wittwe des verstorbenen Bruders zu erblicken, ja wer weiss, ob ihm derselbe nicht von übereifrigen katholischen Gewissensräthen in diesem Lichte dargestellt worden ist. Verzeihlich war es jedenfalls, wenn er, wie erwähnt, bei einer solchen Sachlage nicht ohne Sorgen um die Thronfolge sein mochte und Buckingham's Drohungen nur um so bitterer empfand. Froude's Darlegung der damaligen Erbfolge-Verhältnisse macht dies in der überzeugendsten Weise klar.

In Bezug auf Heinrichs Verhältniss zu Anna Boleyn ist der Dichter nicht unerheblich von der Geschichte abgewichen und zwar zu beider Vortheil. Das Maskenfest beim Kardinal, wo Heinrich sie kennen lernt und sofort in Liebe zu ihr entbrennt, ist allerdings (gerade wie das Scheidungsgericht u. a.) fast wörtlich nach Holinshed oder nach Cavendish geschildert, davon jedoch, dass die Bekanntschaft bei dieser Gelegenheit angeknüpft worden sei, sagen diese nichts, vielmehr scheint das, nach Delius' Bemerkung, des Dichters eigene Erfindung zu sein. Darauf folgt dann sehr schnell die Ernennung Anna's zur Markgräfin von Pembroke und nicht minder schnell die heimliche Ehe, noch vor der endgültigen Scheidung von Katharina.,,Die schöne Dame, heisst es III, 2, ist schon des Königs Frau - Seine zweite Ehe wird sehr bald, glaub' ich,

verkündigt - dem Könige lange schon geheim vermählt." Wo und wann diese heimliche Trauung erfolgt ist, steht zwar in keiner Weise fest (Cavendish sagt am 25. Januar 1532-3), doch hat das nichts. mit unserm Stücke zu thun, und die Thatsache selbst ist nicht zu bezweifeln. Genug, nachdem Anna als Marquise in die Pärie, also unter die Ebenbürtigen aufgenommen ist. wird sie durch die feierliche Krönung zu einer wahren und rechtmässigen Königin erhoben. Diese Krönung war es, welche alle ihr etwa anhaftenden Flecken und Makel glänzend auslöschte; sie war der Glanzpunkt ihres Lebens. Mit bewusster Absicht entfaltet daher der Dichter vor unsern Augen das Bild königlichen Pompes, dessen Mittelpunkt Elisabeth's Mutter ist. Die höchsten Spitzen der Aristokratie wetteifern darin, der jungen Königin ihre Huldigungen darzubringen und ihr zu dienen; sie nehmen ihr Amt bei der Krönung in Anspruch" (IV, 1).*) Jeder wird glücklich gepriesen, der der neuen Inhaberin des Thrones nahen darf und der Jubel des Volkes ist noch nie so hoch gestiegen; es,lobt die Scrupel", die den König zur Scheidung von Katharina bewogen haben. Surrey, Buckinghams Schwiegersohn, hat schon vorher seine Freude ausgesprochen und gewünscht, dass die heimliche Ehe mit Anna wahr sein möge (III, 2); als ihm dies versichert wird, betheuert er, dass sein Jubel dem Bündnisse folgen solle. Anna ist ,,das holdeste Weib", .das holdeste Gesicht",,,sie ist ein Engel", ,,ein herrliches Geschöpf, vollendet an Seel' und Antlitz" - wie Suffolk schon in III, 2 sagt. Aber nicht äusserlich allein wird Anna so hoch gestellt, der Dichter hat auch Sorge getragen, sie ihrer hohen Stellung und Schönheit in nicht minder hohem Grade würdig erscheinen zu lassen. Sie thut bei Shakespeare keinen Schritt gegen Katharina, ihre bisherige Gebieterin, noch viel weniger denkt sie daran, dieselbe zu verdrängen und sich an ihre Stelle zu setzen was historisch schwerlich ganz richtig ist, da wir aus Cavendish wissen, dass sie in zwei Briefen dem Kardinal, der klug genug gewesen war, sich schliesslich zu ihren Gunsten umstimmen zu lassen, für seine Bemühungen in der Scheidungs-Angelegenheit gedankt hat. Im Gegentheil hegt sie bei Shakespeare aufrichtige Hochachtung vor

*) Hall erzählt bei der Beschreibung des Krönungsmahls u. a.,,that on the right side of the queen's chayre stode the Countesse of Oxforde, wydowe, and on the left side stood the countesse of Worcester, all the dyner season, which diuers tymes in the dyner tyme did hold a fyne cloth before the queene's face, when she lyst to spet, or do otherwyse at her pleasure, and that at the quenes feete, vnder the table, satte two gentlewomen all dyner tyme."

Katharina und bemitleidet sie; sie möchte um keinen Preis Königin werden (II, 3), sondern lieber

Niedrig geboren, mit zufriednem Volk

In einer Hütte wohnen

Als aufgestutzt zu gehn in Grames-Flittern
Und goldner Sorge.

Sie hat ein zartes Gewissen das alte Hoffräulein sagt spöttisch: ein ziegenledernes, und räth ganz ähnlich wie Julia's Amme ihr an, es zu dehnen. Die Erhebung zur Marquise Pembroke nimmt sie voll Unschuld und Demuth auf, so dass der Kämmerier, der ihr die Botschaft überbracht hat, sie voll Entzücken über ihr,,sanftes Herz“, über ihrer,,Tugend Fülle", über die,,Schönheit und Zucht, die in ihr verschmolzen sind", verlässt. Sie ist, wie das Hoffräulein sagt, nicht nur mit Weiberreizen, sondern auch mit einem Weiberherzen geschmückt. In solchen Lobeserhebungen ergehen sich mit Einem Wort alle, die von ihr sprechen, Hohe wie Niedere, Nahestehende wie Fremde; sogar ihr Gegner, der Kardinal, kann sich dieser Anerkennung nicht verschliessen, sondern muss zum Herold ihrer Tugend dienen (III, 1). Nachdem er so eben erklärt hat, er wolle keine Anna Bullen für ihn, den König, fährt er fort:

Sie ist wol tugendhaft

Und wacker, doch ich kenne sie als mürr'sche
Luth'ranerin. Nicht dient es unsrer Sache,

Wenn sie am Busen unsres schwer lenksamen
Monarchen ruht.

Ausserdem weiss er nichts an ihr auszusetzen als ihren geringen
Stand er, der Fleischerssohn! Er bezeichnet sie verächtlich als:
Der Kön'gin Fräulein, eines Ritters Tochter.
Diesen letzten Einwand hat der König, wie gezeigt, auf's glänzendste
beseitigt, und was den Vorwurf der Ketzerei betrifft, so war der in
den Augen Elisabeths und ihrer Zeit vielmehr ein Lob, und nicht
das kleinste. Ja Anna Boleyn wird sogar das Verdienst zugeschrieben,
am Sturze Wolsey's mitgewirkt und so den König von seinem Dämon
und das Land von dem Alpdrucke der Kardinalsregierung befreit zu
haben. Wenigstens hören wir es von Wolsey selbst, Lady Anna
sei das Gewicht gewesen, das ihn herabgezogen und dass er all
seinen Ruhm durch das Eine Weib auf immer verloren habe (III, 2).
Insofern gehört denn auch Wolsey's Sturz vollkommen in den
dramatischen Zusammenhang und durfte nicht fehlen; mit ihm und
Katharina bricht der Katholicismus zusammen, während mit Cranmer
und Anna Boleyn die Morgenröthe des Protestantismus aufgeht.

Cranmer ist seinerseits ebenfalls in eine sehr vortheilhafte Beleuchtung gestellt. Um zu zeigen, wie er als Vorkämpfer des Protestantismus verfolgt und fast verurtheilt wird, hat der Dichter seinen Process μm zehn Jahre antedatirt. Nur die persönliche Freundschaft und das unmittelbare Eingreifen des Königs errettet ihn vom Tower. Er ist, wie Norfolk III, 2 sagt, ,,ein wackrer Mensch, der im Geschäft des Königs sich sehr bemüht hat". Seine letzte und höchste Auszeichnung ist jedoch die, dass er zugleich mit der Herzogin von Norfolk und der Marquise von Dorset Elisabeths Pathe wird. In dieser Pathenschaft gipfelt seine Bedeutung für das Stück und es zeigt sich so, wie auch er dazu dient, einen günstigen Lichtreflex einerseits auf seinen königlichen Gönner und Freund, andererseits auf Elisabeth zu werfen.

Bemerkenswerth ist es, wie der Dichter wiederholt mit einem gewissen Nachdruck darauf hinweist, dass vor Anna's öffentlicher Trauung und Krönung Heinrichs Scheidung von Katharina in bester und rechtskräftigster Weise erfolgt ist. Selbst das kanonische Ehegericht hat er keineswegs bloss zur Entfaltung von Schaugepränge oder weil er es bei Holinshed vorfand in Scene gesetzt, sondern um uns die Scheidung in sinnlich augenfälliger Weise einzuprägen, zugleich aber auch um das beiderseitige Verhalten der Ehegatten zu kennzeichnen. Heinrich drängt durchaus nicht zur Scheidung, sondern die beiden Kardinäle sind ès, welche im Namen der Kirche dazu treiben; Heinrich spendet sogar seiner Gemahlin ein zärtliches Lob:

Geh denn, Käthchen, geh.

Wer in der Welt ein bessres Weib zu haben
Behauptet, dem vertraue man in nichts,
Da er in dem Stück lügt. Du bist allein
(Wenn deine seltnen Gaben: holde Sanftheit,
Heiligen-Demuth, hohe Weiblichkeit,

Gehorsam beim Befehl und was dich sonst

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Als fromm und fürstlich schmückt dich schildern könnten)
Die Königin der Erdenköniginnen.

Er fordert den Gerichtshof zur scrupulösesten Gerechtigkeit gegen sie auf, ja er versteigt sich bis zu der Betheuerung, der Gerichtshof möge nur die Gültigkeit der Ehe beweisen, so sei er bei seinem Leben und königlichen Amt zufrieden,

Mit Katherinen unsrer Königin

--

Das künft'ge Erdenloos zu tragen eher
Als mit der Schöpfung höchstem Musterbild.

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