Imatges de pàgina
PDF
EPUB

Gebot.

Er war ein Feind des römischen Kostüms und hatte kein Ohr für Musik; mit der Neigung, Geld zu erwerben, verband sich schrankenlose Freigebigkeit. Zu seinen Schwächen zählte Unentschlossenheit, übertriebene Empfindlichkeit, ängstliche Scheu vor tadelnder Kritik und Eifersucht auf verwandtes Verdienst. Er verstand Lateinisch, Griechisch, Französisch, Italienisch, Spanisch; sein Haus bot den willkommenen Vereinigungspunkt für alle Grössen in Kunst und Wissenschaft: hier war er der feinste Weltmann, der liebenswürdigste Hausherr. Und wenn der Spruch begründet ist: ,,Sage mir, wer deine Freunde sind, so sage ich dir, wer du bist!" dann genügt es zu sagen: sein Freund war 35 Jahre hindurch William Pitt, Graf von Chatham. Bei mancher Eigenthümlichkeit dieses Charakters möchte man fragen: ob es völlig bedeutungslos war, dass in den Adern des Engländers Garrick vom Vater her französisches Blut rollte, dass dann auch das deutsche Element durch seine Gattin ihm nahe trat?— Die Zeitgenossen hatten den Lebenden geehrt durch den Namen: „England's Roscius", und dieser Name ist ihm geblieben bei der Nachwelt.

----

Aber die Engländer preisen Garrick nicht bloss als den unerreichten Darsteller menschlicher Leidenschaften, sie preisen ihn auch als den grossen Reformator ihrer Bühnenwelt. Und hier war viel zu reformiren, nachdem sich ein völliger Umschwung vollzogen hatte in der Zeit von Shakespeare's Heimgang bis zu Garrick's Aufgang. Dieser Umschwung konnte um so weniger ausbleiben, weil die englische Theatergeschichte durchaus verwachsen ist mit der politischen Geschichte des englischen Volkes und seiner Könige. Das Theater war eine Volkslustbarkeit, willkommen in Stadt und Land, der Schauplatz wechselte vom Palast bis zur Scheune herab, aber die Könige waren seine Gönner. Es hatte die höchste Blüthe erreicht zur Zeit als Königin Elisabeth starb (1603): während der 60 Jahre jenseits und diesseits der Schwelle des 17. Jahrhunderts entstanden in London 17 Schauspielhäuser. Unter Karl I. beginnt der Bürgerkrieg, welcher zunächst die Schauspielvorstellungen schädigt, bis endlich puritanisches Zelotenthum diese Lustbarkeit ächtet und gegen die Mitte des Jahrhunderts durch zwei Acten des langen Parlaments der Aechtung Gesetzeskraft verleiht. Alle Schauspielhäuser sollen niedergerissen, alle bei Theatervorstellungen Mitwirkende öffentlich gestäupt werden, alle Einnahmen daraus verfallen den Armen, jeder Zuschauer sogar wird um 5 Schillinge gebüsst. Zwar die strenge Durchführung des Gesetzes ward in den Wirren der Zeit unmöglich, aber das Schauspiel fristete doch nur ein verborgenes kümmerliches

Dasein. Erst mit der Restauration fielen seine Fesseln, es wurde zu neuem Leben geweckt durch die Gunst des Hofes : aus dem Nationaltheater war ein Hoftheater geworden. Zwei Bühnen traten alsbald in Concurrenz: hier,,die Gesellschaft des Königs", dort,,die Gesellschaft des Herzogs von York", die Mitglieder beider eingeschworen vom Lord-Kammerherrn auf den althergebrachten Namen als,,Diener der Krone". Die zwei Gesellschaften vereinigten sich 1682, nachdem diejenige des Königs in kurzer Zeit durch den Tod oder durch Abgang von der Bühne ihre besten Kräfte verloren hatte; dafür entstanden neue Theater init den neuen Jahrhundert. Aber das Haus Hannover wusste die Kunst nicht zu schützen, denn es wusste sie nicht zu schätzen. Begab sich's doch, dass Georg II., als ihm William Hogarth eines seiner Gemälde überreicht hatte, den Maler mit i Guinee beschenkte, weil ihm dieser Ehrensold für die Spielerei völlig ausreichend schien; und die Schauspielkunst erfreute sich bei dem Könige keines höheren Ansehens als die Malerei. So wurde denn das Hoftheater allgemach wieder zum Nationaltheater, zur Volkslustbarkeit.

Was war inzwischen geworden aus Shakespeare's einfacher Bühne, ohne Scenenwechsel, ohne Zwischenakte, dafür aber mit dem ständigen Doppelbalkon, welcher keines Maschinisten bedurfte, um die complicirtesten Handlungen ohne jeden Aufbau zu ermöglichen? Wo war Shakespeare's naives Publikum, dessen Phantasie, dem Dichterwort willig gehorchend, chne äusserliche Unterstützung in alle Welttheile sich entführen liess? Schon unter Elisabeth's Regierung wurden Maskenspiele, gesucht-allegorischen Inhalts, erfunden und dargestellt; sie übten mehr und mehr ihre Anziehungskraft auf die Kreise des Hofes, und bald konnte der englische Adel kein Fest mehr feiern ohne solche theatralische Aufführung, bei welcher er selbst mitwirken wollte. Den Mangel an Natur und Wahrheit ersetzten diese Darstellungen durch einen Ueberschuss verschwenderischer Ausstattung. Das war der erste Schritt abwärts von der alten Einfachheit. Mit der Restauration wurde dann neben dem französischen Geschmack, welchen König Karl II. in der Verbannung kennen und lieben gelernt hatte, auch französische Bühnen - Einrichtung nach England hinübergebracht. Prächtige Decorationen schufen den Schein der Wirklichkeit, sie wechselten, sobald der Dichter den Schauplatz veränderte: der fallende Vorhang brachte die Zwischenacte als Erholungspausen. Dann zwang die Nebenbuhlerschaft der verschiedenen Theatergesellschaften jeden einzelnen Unternehmer, auf Neues, Unerhörtes zu denken, womit er die Menge anziehen könne:

immer glänzender wurde die Ausstattung, zu welcher alle Hülfsmittel einer künstlichen Maschinerie sich gesellten. John Rich, der Unternehmer zu Coventgarden, führte die Pantomimen ein, in denen er selbst als der beste Harlequin sich hervorthat. So war es denn nur natürlich, dass auch das Publikum alle Naivetät abstreifen musste: einst hörte es und glaubte, was man ihm sagte, jetzt wollte es sehen und glaubte bloss, was es sah. Damit aber die Schaulust an keinem Abende leer ausginge, kam der Gebrauch auf, die Tragödie noch von einer Posse oder Pantomime begleiten zu lassen. Den Erfolg des Abends theilte jetzt mit dem Dichter und dem Schauspieler - der Musiker, der Sänger, der Tänzer, der Maler, der Zimmermann. Im Zuschauerraum erschienen zu Shakespeare's Zeit die Frauen nur mit schwarzen Gesichtsmasken, wenn sie den äusseren Anstand wahren wollten; diese Sitte war zur Unsitte ausgeartet: die Frauen unter dem Maskenschutz gaben durch ihr Betragen mannigfachen Anstoss, sodass zu Anfang des 18. Jahrhunderts eine Acte das Tragen der Gesichtsmaske im Theater verbot. Erhalten hatte sich dagegen von Shakespeare her durch alle die Jahre hindurch ein überaus störender Missstand, der in Frankreich nicht minder heimisch und von Molière oft bitter gegeisselt war: gerade derjenige Theil des Publikums, welcher die höchste Bildung für sich in Anspruch nahm, verweilte während der Vorstellung nicht im Zuschauerraume, sondern auf der Bühne selbst und störte oft genug, schon durch seine blosse Anwesenheit, die Vorstellungen.

Garrick betrachtete die vorhandenen Zustände mit dem prak, tischen Auge des Theaterunternehmers und des Schauspielers: er musste erkennen, dass eine Rückkehr zur alten Einfachheit unmöglich war, dass lediglich durch das Beiwerk der Ausstattungspracht die Concurrenz mit den übrigen Theatern sich bestehen liess. So sollte denn der Geschmack, den er nicht vorschreiben konnte, ihm wenigstens dieuen; er täuschte sich selten über die Gränzen seiner Herrschaft, aber mitunter begegnete doch diese Täuschung auch ihm. Das Publikum war bereits eine Macht geworden, die Gesetze geben wollte, statt sich dieselben geben zu lassen, und es folgte allzubereitwillig der Leitung geschickter Agitatoren, welche die Lust der Menge am rohen Lärm auszubeuten wussten. Zweimal stand Garrick dem tobenden Hause feindlich gegenüber, und beide Male unterlag der gefeierte Liebling, trotz aller Energie. Der erste Theaterskandal (1754) galt einer neuen Pantomime:,,Das Chinesische Fest", welche Frankreichs berühmter Balletmeister Noverre auf Garrick's Verlangen arrangirt hatte. Sie war geistlos, aber prachtvoll in Scene gesetzt,

[ocr errors]

ganz entsprechend der Neigung des Tages; sie wurde missliebig nur aus politischen Gründen: zwischen England und Frankreich war indessen der Krieg ausgebrochen, und unter dem zahlreichen Personal befanden sich auch französische Tänzer. Fünf Abende währte der Sturm; Garrick versuchte umsonst, durch Vorführung seiner besten Rollen das Publikum zu gewinnen; die Logen einerseits Parterre und Gallerie andrerseits kämpften erbittert, es floss Blut. und Garrick's Leben kam in Gefahr: endlich musste das ,,Chinesische Fest" aufgegeben werden. Der zweite Skandal wurde im Januar 1763 in's Werk gesetzt, an einem Abende, für den die erste Aufführung der ,,Beiden Veroneser" von Shakespeare nach Benjamin Victor's Bearbeitung angesetzt war. Diesmal handelte sich's darum, dass man, sobald der dritte Akt zu Ende wäre, Einlass für den halben Preis begehrte, falls nicht etwa eine neue Pantomime den Beschluss machte. Garrick berief sich vergebens darauf, dass die Tageskosten während der letzten 60 Jahre von 34 Pfd. auf mehr als 90 Pfd. gestiegen seien man liess ihn nicht ausreden, und nach zweitägigem Lärm blieb nur übrig, die Forderung zu bewilligen. Beide Male wurde das Innere des Hauses vollständig demolirt. Bei solchen Kriegszuständen zwischen den Nachbarreichen diesseits und jenseits der Lampen, verdient es doppelte Anerkennung, dass Garrick die Entfernung des Publikums von der Bühne unternahm, wo ihn dasselbe oft empfindlich genug belästigt hatte. So geschah es, als er zu Dublin den Lear darstellte und im IV. Akte, das Haupt auf Cordelia's Schoosse, entschlummert war, dass ein junger Gentleman aus den Kulissen trat und ganz unbefangen Mrs. Woffington-Cordelia umarmte; das vollbesetzte Haus aber gab nicht einmal sein Missfallen kund so gewöhnt war es an derartige Zwischenhaudlungen. Garrick überlegte sich die Sache reiflich, er begann mit einer Erweiterung des Zuschauerraumes, sodass dort Alle bequem unterkommen konnten, welche bis dahin auf der Bühne selbst oder hinter den Kulissen der Vorstellung beigewohnt hatten. Nachdem diese bauliche Aenderung ausgeführt war, gelang es in der That seinem diplomatischen Talent und seinen Verbindungen mit den höchsten Gesellschaftskreisen, das Bühnenpublikum für immer aus dem Bereich der Bretter zu verweisen.

Wenden wir uns von den äusseren Theaterverhältnissen zu den inneren, zur Kunst der Bühne und ihren Aufgaben, so ist die Klage begründet, dass über die Schauspielkunst zu Shakespeare's Zeit nur gar spärliche Nachrichten erhalten sind. Wir kennen kaum mehr als die Namen der Hauptdarsteller, unter denen man Richard Burbage als

den ersten Lear, Othello, Macbeth mit Wahrscheinlichkeit vermuthen darf, während Joseph Taylor als erster Hamlet und Jago, John Lowin als erster Falstaff und Macbeth bestimmt genannt werden. Wenn wir aber bei dem Dichter Shakespeare die Lebenswahrheit bewundern, welche sich auf tiefste Seelenkunde stützt, wenn wir die goldenen Regeln für Bühnendarstellung hören, welche sein Hamlet den Schauspielern ertheilt, dann muss die Annahme begründet erscheinen, dass Lebenswahrheit auch dem Schauspieler Shakespeare am Höchsten stand, und dass er als Bühnenleiter auf ihren Ausdruck hielt. Das puritanische Verbot der Theatervorstellungen war ein harter Schlag für die Kunst; aber die Helden der Bühne traten nun auf in dem Trauerspiele der Wirklichkeit, sie hielten treu zur Fahne des Königthums, welches ihnen stets Gunst und Lohn gewährt hatte. Edward Allen war Major in Oxford; Mohun focht zuerst als Hauptmann, er avancirte in Flandern zum Major; Charles Hart stand als Reiteroffizier bei Prinz Rupert's Regiment, mit ihm zusammen diente Burt als Cornet, Shutterell als Quartiermeister; Richard Robinson, der Lehrer Mohun's und Hart's, musste sich bei der Belagerung von Basingstoke gefangen geben, er streckte die Waffen und bat um Pardon, aber Cromwell's General Harrison schoss ihm eine Kugel durch den Kopf mit den Worten der Schrift: ,,Verflucht ist, wer das Werk des Herrn lässig thut!" Nur von einem Schauspieler weiss man, der sich zu den Puritanern zählte: Swanston, vor den Bürgerkriegen gerühmt als Othello-Darsteller. Joseph Taylor und John Lowin, die Kunstgenossen Shakespeare's, hatten beim Ausbruch der Bürgerkriege bereits ein höheres Lebensalter erreicht; so griffen sie denn nicht zu den Waffen, sondern wählten eine durchaus friedliche Beschäftigung: sie hielten mit einander die Schenke,,Zu den drei Tauben" in Brentford. Dort erschien vor vertrauten Gönnern wohl noch einmal der alte Falstaff, wie er sich auslegte, wie er seine Klinge führte, erschien Hamlet, aufgeschreckt aus dumpfem Brüten durch den Geist; dorthin kam auch ihr jüngerer Gefährte von Blackfriars und dem Globus her, Robert Gough der zog als stiller Theaterdiener durch's Land und rief die zerstreuten alten Komödianten zusammen, wenn in Hollandhaus oder auf einem der Edelsitze bei London eine Aufführung stattfinden sollte, welche das Gesetz verbot. Die Beiden publicirten noch 1652 eine Komödie Fletcher's (The Wild-Goose-Chase), mit der Bitte als Vorwort, dass jeder Freund des Schauspiels ihrer dürftigen Lage freundlich gedenken möge; sie starben hochbetagt kurz vor der Restauration - Taylor zu Richmond, Lowin zu Brentford. Es ist nun kaum denkbar, dass

« AnteriorContinua »