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Zu Heinrich VIII.

Von

K. Elze.

Durch die gleichzeitigen Berichte über den Brand des GlobusTheaters am 29. Juni 1613 scheint die Abfassungszeit Heinrichs VIII. um so mehr ausser Zweifel gestellt zu sein, als mit der dadurch gewonnenen Zeitbestimmung auch die innerlichen, der Diction und dem Versbau entnommenen Merkmale allem Anschein nach vollkommen übereinstimmen. Obenan unter jenen Berichten stehen die bekannten beiden Briefe von Thomas Lorkin und Sir Henry Wotton. Thomas Lorkin schreibt unter dem letzten Juni des genannten Jahres an Sir Thomas Puckering: „No longer since than yesterday, while Bourbage his companie were acting at the Globe the play of Henry VIII. and there shooting of certeyne chambers in way of triumph, the fire catch'd", und Sir Henry Wotton erstattet am 6. Juli seinem Neffen folgenden Bericht:,,Now to let matters of state sleep, I will entertain you at the present with what happened this week at the Bankside. The king's players had a new play, called „All is True“, representing some principal pieces of the reign of Henry the Eighth, which was set forth with many extraordinary circumstances of pomp and majesty, even to the matting of the stage; the knights of the order, with their Georges and Garter, the guards with their embroidered coats and the like; sufficient in truth, within a while to make greatness very familiar, if not ridiculous. Now King Henry, making a masque at the Cardinal Wolsey's house, and certain cannons being shot off at his entry, some of the paper, or other stuff, wherewith one of them was stopped, did light on the thatch, where being thought at first but an idle smoke, and their eyes being more attentive to the show, it kindled inwardly, and ran round like a train, consuming, within less than an hour, the

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whole house to the very ground. This was the fatal period of that virtuous fabric; wherein yet nothing did perish but wood and straw, and a few forsaken cloaks; only one man had his breeches set on fire, that would perhaps have broiled him, if he had not, by the benefit of a provident wit, put it out with bottle ale."*) Dass übrigens der angerichtete Schaden keineswegs so geringfügig war. wie ihn Sir Henry mit satirischer Geringschätzung darstellt, beweist nicht allein B. Jonson's,,Execration upon Vulcan" **) B. Jonson war seinen eigenen Worten zufolge eben so wohl ein Augenzeuge wie Wotton sondern noch umständlicher ein Brief John Chamberlain's vom 8. Juli in Winwood's Memorials III, 469.***) Allerdings ging glücklicher Weise kein Menschenleben dabei verloren, was ausser Chamberlain auch Howes in seiner Fortsetzung von Stowe's Chronik bestätigt, der seinen Bericht mit den Worten schliesst:,,and no man hurt." Collier (H. E. Dr. P. I, 386) hebt die Möglichkeit hervor, dass das bei dieser Gelegenheit aufgeführte Stück ebensowohl Rowley's ,,When you see me, you know me", oder irgend ein unbekanntes und verloren gegangenes Drama über denselben Gegenstand gewesen sein könne, als dasjenige Shakespeare's; allein dieser Zweifel geht augenscheinlich zu weit. Zunächst spricht schon der Umstand, dass das Stück im Globus von Burbage's Truppe aufgeführt wurde, dafür, dass es Shakespeare's Werk war; sodann passen aber auch die von Wotton angeführten Einzelheiten durchaus auf das Shakespeare'sche Stück und es wäre wunderbar und schwer glaublich, dass ihm ein anderes so auf's Haar geglichen haben sollte am wenigsten das Rowley'sche Stück, wo gar keine Kanonen vorkommen. Der von Wotton angegebene Titel,,All is true" kann uns nicht beirren, da

*) Letters of Sir Henry Wotton to Sir Edmund Bacon (1661) p. 30 nack Hunter's New Illustrations II, 100. Reliqu. Wotton. (1672) p. 425.

**) But, O those reeds! thy mere disdain of them,

Made thee beget that cruel stratagem,

Which some are pleased to style but thy mad prank,

Against the Globe, the glory of the Bank:

Which, though it were the fort of the whole parish,

Flank'd with a ditch, and forc'd out of a marish,

I saw with two poor chambers taken in,

And razed; ere thought could urge this might have been!

See the World's ruins! nothing but the piles

Left, and wit since to cover it with tiles; etc.

***) Vergl. Prynne Histriomastix (1633) p. 556. Drake (Pariser Ausgabe) p. 551 fgg. Collier H. E. Dr. P. III, 298 fgg.

Doppeltitel etwas sehr Gewöhnliches waren*) und dieser zweite Name obenein vollständig im Einklang mit dem Prologe steht, in welchem wiederholt versichert wird, dass alles, was den Zuschauern in diesem Drama vorgeführt werde, wahr sei.

Gestützt auf Wotton's ausdrückliche Angabe wie auf die innern Gründe halten nun, wol nur mit Ausnahme Schlegel's und Kreyssig's, sämmtliche deutsche Shakespeare-Kritiker, Gervinus, Ulrici, Delius, Hertzberg, an der Ansicht fest, dass Heinrich VIII. damals ein neues Stück gewesen und frühestens im Jahre 1612 geschrieben sei, während die Mehrzahl der englischen Gelehrten es um durchschnittlich zehn Jahre früher ansetzt. Dazu gehören Dr. Johnson, Theobald, Steevens, Malone, Collier und Halliwell, denen nur Knight und Hunter entgegentreten.**) Mit Knight's Auseinandersetzung werden wir uns nachher noch beschäftigen, diejenige Hunter's dagegen mag gleich hier ihre Erledigung finden. Hunter würde nämlich das Stück gleichfalls in die Regierungszeit Elisabeth's und zwar an das Ende derselben verlegen, wenn ihn nicht ein eigenthümliches und wie uns scheint sehr gesuchtes Bedenken davon zurückhielte; er kann nämlich nicht glauben, dass Shakespeare die dem Alter, dem Geschlechte und der königlichen Würde, gebührende Rücksicht so weit habe vergessen können, dass er angesichts der dem Tode entgegen gehenden Königin die Sterbescenen der Katharina und die Krönung der Anna Boleyn auf die Bühne gebracht haben sollte, wo der Gedanke an das Krankenlager der Elisabeth wie an die bevorstehende Krönung ihres Nachfolgers so naheliegend, ja unabweislich gewesen sein würde. Einer solchen Verletzung nicht nur des guten Geschmacks, sondern des menschlichen Gefühls würde sich Shakespeare niemals schuldig gemacht haben. Die Zuschauer, meint er, hätten die Sterbescene der Katharina auspfeifen müssen, wenn sie während Elisabeth's letzter Krankheit gespielt worden wäre. Das ist schwer zu begreifen; die Scene ist doch so pathetisch und schön, dass sie im Gegentheil unter solchen Umständen doppelte Rührung hätte hervorrufen müssen. Das Elogium auf Jacob hält Hunter für ächt und ursprünglich und sucht die eigenthümliche Einflechtung desselben mitten in die Lobpreisung der Elisabeth in einer eben so gezwungenen als schwachen Weise zu rechtfertigen. Er findet nämlich eine zarte Rücksichtnahme

*) Vergl. Malone's Angaben bei Ulrici II, 542 und in Delius' Einleitung. **) Malone's Shakespeare by Boswell II, 388-401. Collier's Shakespeare V, 497. Shakespeare Society's Papers II, 151. Knight, Studies of Shakespeare 395-404. Hunter, New Illustrations II, 95 - 109.

darin, dass die Erwähnung des Todes der Elisabeth so weit als möglich hinausgeschoben werde, so weit, bis sie in der That unvermeidlich sei. Abgesehen davon, dass der Tod an und für sich immer das Letzte ist, lag gar kein Grund für eine so übermässig zarte Rücksicht vor, wenn doch das Stück erst nach Elisabeth's Tode geschrieben wurde. Auf Wotton's Zeugniss, dass das Stück 1613 neu gewesen sei, legt Hunter gar kein Gewicht, ja er kann dem unmittelbaren Eindrucke, den das Drama hervorbringt, so wenig widerstehen, dass er diesem Zeugnisse wie seinen eigenen Bedenklichkeiten zum Trotz schliesslich zu der Ueberzeugung gelangt, es sei bereits vier oder fünf Monate nach Elisabeth's Tode geschrieben und aufgeführt und Shakespeare habe die Absicht gehabt, die beiden wichtigsten und populärsten Zeitvorgänge darin abzuspiegeln, nämlich Elisabeth's Tod, welcher mit demjenigen der Katharina einige Aehnlichkeit gehabt habe, und die Krönungsfeierlichkeit Jakob's, deren Abbild die Zuschauer in der Krönung Anna Boleyn's hätten erblicken sollen und müssen. Eine so seltsam herausspintisirte Ansicht hat natürlicher Weise keine Anhänger finden können.

Eine Muthmassung anderer Art ist von den Vertheidigern des Jahres 1612 als der einzigen wahren Abfassungszeit sowohl in Deutschland wie in England, und zwar wie es scheint von einander unabhängig, aufgestellt worden. Von der unbestreitbaren Annahme ausgehend, dass Heinrich VIII. ein für eine bestimmte feierliche Veranlassung geschriebenes Gelegenheitsstück ist, haben es nämlich Ulrici (bereits in der ersten Auflage seines Werkes, 1839) und ein ungenannter Mitarbeiter (J. S.) des Gentleman's Magazine 1850, XXXIV, 115 fgg., der Ulrici nicht gekannt zu haben scheint, mit der Vermählung des Pfalzgrafen (14. Februar 1612/13) in Verbindung gebracht und diese Hypothese ist von Gervinus (II, 434) wie von Hertzberg (Shakespeare-Uebersetzung IV, 8 fg.) sehr eifrig ergriffen worden. Gervinus glaubt, die Heirath des Pfalzgrafen habe die Gesellschaft Burbage's bewogen, sich Shakespeare's Rudimente zu diesem Stücke zu erbitten und sie zu der vorliegenden Maske auszuarbeiten, einer Form, auf die es der Dichter bei seinem historischen Drama wol schwerlich abgesehen gehabt habe. Eine solche Bearbeitung durch fremde Hand nimmt Ulrici nicht an. „Wenn, sagt dieser, das Stück zur Hochzeit des Pfalzgrafen Friedrich zuerst gegeben, vielleicht sogar von vorn herein gedichtet wurde, so leuchtet ein, dass die Lobeserhebungen Elisabeth's in des Königs Ohren weit erträglicher klingen mussten, da die gefeierte Prinzessin ebenfalls Elisabeth hiess, und sie also für eben so viel versteckte Komplimente

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gegen letztere gelten konnten." Hertzberg findet es,,unbegreiflich, dass nicht wenigstens unsre deutschen Kritiker warum nicht auch die englischen nach dem Vorgange des Gentleman's Magazine? - sofort den glücklichen Gedanken Ulrici's ergriffen haben, der mit Einem Schlage Klarheit und plausibeln Zusammenhang in alle zur Frage kommenden Data bringt. Er variirt seinerseits Ulrici's Ansicht insofern als er sich die Veranlassung und Entstehung des Stückes folgendermassen denkt. Bei der Vermählung selbst könne dasselbe nicht aufgeführt worden sein, da es in der Rechnung des Schatzmeisters Lord Harrington (s. Cunningham's Revels at Court) nicht aufgeführt werde, womit allerdings Ulrici's Hypothese zu Boden fallen würde. Die Berichte über den Triumphzug des jungen Paares auf dem Kontinent, wie über seinen festlichen Empfang in Heidelberg erhielten jedoch die Theilnahme an den Neuvermählten in England rege und gaben willkommenen Anlass zu einer theatralischen Nachfeier jenes für die ganze protestantische Welt so hoffnungsreichen Ehebündnisses. London konnte in seinen Freudenbezeigungen nicht hinter Heidelberg zurückbleiben als hätte es nicht schon vorher seine Schuldigkeit gethan! Shakespeare hatte sich zwar boreits nach Stratford zurückgezogen, kam aber gelegentlich nach London und stand mit seiner frühern Truppe und deren Dirigenten in fortwährender, auch persönlicher Verbindung. Danach ist es,, mehr als bloss wahrscheinlich". dass er von London aus schon im Winter die Aufforderung erhielt, die Hochzeit des Pfalzgrafen durch ein Festspiel zu verherrlichen und zu diesem Zwecke Heinrich VIII. schrieb. So sagt Hertzberg und erblickt in der so umgemodelten Hypothese, mit deren veränderter Fassung sich Ulrici nachträglich (3. Aufl. II, 545 fg.) vereinigt hat, die Panacee für sämmtliche Dunkelheiten, Schwierigkeiten und Schäden des Stücks, wogegen in unsern Augen so viele und schwere Bedenken gegen dieselbe sprechen, dass uns ein solcher Hergang durchaus unwahrscheinlich dünkt. Wie Komplimente, welche auf die Königin Elisabeth und auschliesslich auf diese gemünzt waren, auf die Prinzess Elisabeth hätten bezogen werden sollen, oder können, scheint zuvörderst schwer erklärlich; wäre die Letztere zur künftigen Königin von England bestimmt gewesen, so hätte sich dergleichen denken lassen. Statt dessen aber wurde sie durch ihre Verheirathung ihrem Vaterlande entführt und alles Lob, welches der Königin Elisabeth als Regentin gespendet, wie alles Glück, das dem Reiche unter ihrer Regierung prophezeit wird, leidet auf die junge Pfalzgräfin nicht die mindeste Anwendung der Name ist eigentlich das Einzige, was sie mit der Vorgängerin

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