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Literarische Besprechungen.

A New Variorum Edition of Shakespeare. Edited by Horace Howard Furness, Vol. II. Macbeth. Philadelphia, Lippincott, 1873.

Das Erscheinen eines neuen Bandes dieser neuen Variorum Edition ist ein Ereigniss in der Shakespeare - Literatur, das wir unsern Lesern anzuzeigen nicht unterlassen dürfen. Das grosse Unternehmen ist so wichtig, so verdienstvoll, dass jeder neue Schritt, den es vorwärts thut, uns von neuem mit Freude und Dank erfüllt, Es sind zwar volle zwei Jahre seit der Veröffentlichung des ersten Bandes verflossen, und doch ist es zu verwundern, dass dieser Zeitraum dem Verf. genügte, einen zweiten Band auszuarbeiten: man sieht, der Fleiss und die Ausdauer Mr. Furness' entspricht der Grösse seiner Aufgabe. Denn es ist in der That für einen einzelnen Arbeiter ein so grossartiges Unternehmen, dass in neuerer Zeit ihm kaum ein zweites an die Seite gesetzt werden kann. Um das zu beweisen und zugleich dem Leser einen Begriff von der Fülle des Inhalts, den er in diesem zweiten Bande wiederum findet, zu geben, können wir uns begnügen, die Zahl der Ausgaben, Uebersetzungen und Commentare vorzuführen, die der Verf. benutzt und in einer besondern Liste chronologisch zusammengestellt hat. Es sind 45 englische Ausgaben des Textes und ausserdem 153 Schriften der verschiedensten Art, in denen (seit 1580 bis 1872) englische Autoren theils den historischen Stoff zum Macbeth, theils kritische, erläuternde, ästhetische Bemerkungen über das Stück niedergelegt haben; dazu kommen 31 deutsche Ausgaben und Uebersetzungen, 36 deutsche Commentare und 16 französische Ausgaben (Uebersetzungen) und der Würdigung Shakespeare's und seiner Werke gewidmete Schriften. Diese colossale Masse des Materials ist theils in den Noten unter dem Text, theils in einem dem Text angehängten,,Appendix" untergebracht. Die Noten enthalten vorzugsweise die verschiedenen Lesarten, Emendationen, Conjecturen und den Text betreffende Urtheile. Der Anhang giebt zunächst einen genauen Wiederabdruck von Davenant's Bearbeitung des Macbeth für „,the Duke's Theatre" aus dem Jahre 1674; darauf

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folgen unter dem Titel: The Source of the Plot Auszüge aus Holinshed (nach der Ausgabe von 1587) und zur Vergleichung mit dessen von Shakespeare adoptirter Darstellung aus Chalmers' Caledonia und aus Wintownis Cronykil, Citate aus Farmer's Essay on the Learning of Shakespeare, aus Simrock's Quellen des Shakespeare, aus Grimm's Märchen, aus J. G. Ritter's Bemerkungen über die Sage vom,,moving forest" (im Programm der Realschule zu Bern) u. A.; demnächst eine Zusammenstellung der verschiedenen Ansichten über den Zeitpunkt der ersten Aufführung des Stückes, und ein Auszug aller, die Hexen betreffenden Stellen aus Middleton's Drama The Witch; daran knüpfen sich Bemerkungen über die Beschaffenheit des Textes in der ersten und zweiten Folio-Ausgabe, über das Alter der eigenthümlich schottischen Tracht, und eine Erörterung der Frage, ob Shakespeare jemals in Schottland war; den Schluss macht eine Revue der verschiedenen Auffassungen vom Charakter Macbeth's, der Lady Macbeth und ihres Verhältnisses zu einander, an welche die Urtheile der Kritiker und Aesthetiker über den Werth, den Sinn und die Bedeutung der Tragödie sich anreihen.

In diesem letzten Abschuitt spielt die deutsche Shakespeare - Literatur die bedeutendste Rolle. Mr. Furness ist überhaupt der einzige unter den englischen Editoren und Commentatoren, der mit gleicher Aufmerksamkeit und Sorgfalt wie die Werke seiner Landsleute so die deutschen Schriften über Shakespeare berücksichtigt. Wir sind ihm dafür zu besonderem Dank verpflichtet, zumal da auch in diesem, ihm nicht so leicht zugänglichen Gebiete die Genauigkeit und Vollständigkeit seiner Berichte kaum etwas zu wünschen übrig lässt. Kleinere Fehler und Irrungen, die das Athenæum in einem übrigens sehr anerkennenden Artikel (Nr. 2389, p. 173) aufsticht, sind bei der grossen Fülle des zu bewältigenden Stoffes so natürlich und verzeihlich, dass sie der Erwähnung nicht verdienen.

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H. Ulrici.

Ueber Shakespeare's Midsummer- Night's Dream. Eine Studie von ***. Wernigerode, Max Finkbein. 1874. 162 Seiten.

Ein Buch, dem es eben so sehr an der Kenntniss der einschlagenden Literatur wie an Methode gebricht, und das daher zu keinem Ergebniss führt. Es wirkt fast komisch, wenn der Verf. seine Kenntnisse aus Flögel-Ebeling und aus Lessing's Geschichte der englischen Schaubühne herleitet, ohne zu wissen, dass die letztere gar nicht von Lessing, sondern von Nicolai herrührt. *) Ulrici scheint er nicht zu kennen und

*) Die Lachmann'sche Ausgabe hat den Verf. irre geführt; vergleiche die Maltzahn'sche Ausgabe IV, 384.

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von Ausgaben ist ihm nur die von Delius bekannt; doch findet auch diese nicht immer Gnade vor ihm. In der Vorrede geht der Verf. sogar so weit, Quellen und Hülfsmittel überhaupt von der Hand zu weisen, weil sie doch zu nichts führen; er verwirft in der That alle bisherige Erklärung und Kritik des Stückes gleichviel ob er sie kennt oder nicht. Gervinus, dessen Ansichten als ,,leeres Gerede" (S. 71), ja sogar auf S. 39 als ,,unbegreifliche Schnurrpfeifereien" bezeichnet werden, hat den Sommernachtstraum nicht verstanden; Schlegel's Uebersetzung ist nicht nur völlig verfehlt und schlecht, sondern Schlegel hat das Stück nicht verstanden; in den gereimten Partien sagt er oft das Gegentheil von dem, was Shakespeare meint (S. 80); Kreyssig ,,bleibt auf der Schwelle stehn und tritt nicht in das Haus ein". Der Schlüssel nämlich, den der Verfasser zuerst und allein für das Verständniss des Stückes gefunden hat, ist die Allegorie. Wie Shakespeare seine Feder dazu hergeben sollte, heisst es auf S. 5, ein so ekelhaftes (!!) Süjet in anderer als satirischer Absicht darzustellen, ist mir unbegreiflich. Er stellt nicht die Liebe im Müssiggange dar (wie Gervinus ausführt), sondern karikirt und persiflirt die hergebrachten Liebesstücke und nennt die in diesen Stücken beschriebene Sorte Liebe ,,Liebe im Müssiggange". Die Annahme, dass das Stück als Gelegenheitsgedicht zur Vermählung „irgend einer Notabilität“ geschrieben sei, hält der Verfasser für „durchaus falsch", er fasst das Stück vielmehr auf als eine selbstbewusste, energische Wendung nach der Seite des Erhabenen und Keuschen hin (!); eine Wendung, welche sich eben so sehr ausspricht in polemischen wie irenischen Bestandtheilen. Die ersteren stellen eine scharfe, bis ins Kleinste durchgeführte Satire gegen diejenigen Elemente der englischen Kunstbühne dar, welche dieselbe ihrem wahren Berufe, nämlich der Darstellung der wahren Menschenratur in dem Rahmen der in sich geschlossenen Handlung, entfremdeten und dadurch, gleich dem Pegasus im Joch, zum Knechtesdienst für gemeine Seelen herabdrückten." Die maskenartige Komposition des Stückes, von welcher der Verfasser bei Gervinus gelesen hat, erklärt er sich daraus, dass es sich hier nicht um psychologische Entwickelung, sondern lediglich um Darstellung abstracter Gedanken handelt, welche die Anwendung der ächt dramatischen Form geradezu ausschliesst“ (S. 1). In der. That findet der Verfasser in allem und jedem eine abstracte, bald allegorische, bald symbolische, bald satirische Bedeutung, was ihm nicht nur als die einzig richtige, sondern als die einzig mögliche Auffassung des Stückes erscheint. Er legt nicht aus, sondern unter, und zwar ohne irgend welche greifbaren Anhaltpunkte. Zugleich ist er überzeugt, dass wir durchgehende überall (sic!) es mit Anspielungen auf wirkliche Thatsachen und Uebelstände der damaligen Bühne zu thun haben“ (S. 98). Theseus ist nach dem Verfasser Shakespeare selbst (S. 66); Oberon ,,die keusche, echte Muse" (S. 18); Titania die Phantasie, ja am liebsten möchte er sie für den Genius der Phantasie“ erklären (S. 159). Titania's Träume sind das Schaffen der Phantasie (S. 160),,,die Blumen von ihrem Bett die Erzeugnisse der künstlerischen Phantasie" (S. 110).,,Nimmt man, heisst es ebenda, die little western flower für die poetische National-Literatur der Engländer, so bleibt der

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Dichter überall im Bilde, so oft er von flower oder little flower spricht. Diese Scene (die bekannte Vision Oberon's) macht ganz den Eindruck, als sei sie eine symbolische Darstellung der Entstehung des englischen Dramas und der englischen Schauspielkunst". Nichts ist dem Verfasser klarer als die allegorische Bedeutung der Verrichtungen, welche Titania vor dem Einschlafen (II, 3) ihren Elfen aufgiebt. Er sagt (S. 114): ,,1. Die Rose ist das Symbol der Schönheit. Titania's Geister haben also die Zerstörer der Schönheit zu vernichten, d. h. darüber zu wachen, dass die Schönheit sich voll entfalten kann. 2. Die Fledermäuse sind das sittenlose, nächtliche Gesindel, das dem Dichter in das Handwerk pfuscht. Auch dies soll durch Titania's Geister vernichtet werden. Der jetzige Zustand dieser Geister wird aber sehr gut dadurch angedeutet, dass sie sich selbst in die ledernen Schwingen der Fledermäuse kleiden. 3. Der dritte Feind, welcher fern gehalten werden muss, die Nachteule, ist die puritanische Geistlichkeit.“ Das Non-plus-ultra ist jedoch, dass in der Beschreibung, welche Theseus der Hippolyta von seinen Jagdhunden macht, ein Seitenhieb auf Richard Edwards enthalten sein soll, in dessen Lustspiel, Palämon und Arcite, wie der Verfasser aus,,unserm unerschöpflichen Lessing" gelernt hat, ,,die Königin nichts lustiger fand, als ein Geschrei von Jagdhunden, welches sehr natürlich nachgeahmt war". ,,Den Hunden, d. h. Kunstmitteln Edwards', stellt Theseus (Shakespeare) die seinigen entgegen", wobei das,,slow in pursuit besonders bedeutungsvoll sein soll, insofern dadurch,,die Bedächtigkeit, mit welcher Shakespeare arbeitet, die gediegene Sorgfalt in Gegensatz zu jenen lauten Kläffern gestellt wird, die leichtsinnig auf das erste Beste losstürzen“. Man sieht, die bekannte Vorrede John Webster's, worin von der ,,right happy and copious industry" Shakespeare's die Rede ist, liegt ausserhalb des Gesichtskreises unseres Verfassers.

Dergleichen Deuteleien, die den bekannten Mühlstein im Kopfe zu Wege bringen könnten, mögen vielleicht bei Dante angebracht sein, den der Verfasser gelegentlich herbeizieht, bei Shakespeare sind sie völlig out of place". Shakespeare's Poesie ist ihrem Wesen nach nichts weniger als allegorisch und es ist sogar noch streitig, ob er auch nur in der Vision Oberon's an eine Allegorie gedacht hat; sollte dies jedoch, wie wir glauben, der Fall sein, so verdient Halpin's Auslegung ohne alle Frage den Vorzug und sie allein kann in Erwägung kommen. Von Halpin (den er wol nur aus Delius kennt) nimmt der Verfasser jedoch nur die geschichtliche Notiz an, dass 1575 zu Edinburg (!!) vor der Königin Elisabeth ein ,,Entremet" aufgeführt wurde, auf welches Oberon's Beschreibung ganz genau passt (S. 44 fgg.). Wie der Verfasser darauf gekommen ist, Kenilworth mit Edinburg, wohin Elisabeth in ihrem Leben nicht gekommen ist, zu verwechseln, das dürfte schwer zu enträthseln sein; er scheint von dem berühmten Feste zu Kenilworth keine Ahnung zu haben und preist es sogar als eine gewisse Vorsicht des Dichters, dass er sich ein schottisches Beispiel als corpus delicti für seine Satire gewählt hat; sonst hätte er gewiss nicht gewagt, einem zu Ehren seiner Königin aufgeführten Zwischenspiele so scharf satirische Momente hinzuzudichten. Zum Schluss be

merkt der Verfasser, dass auch der Sturm unzweifelhaft allegorische Bestandtheile enthalte, über die er sich jedoch sein Urtheil noch vorbehält. Die Kritik wird nichts dagegen einzuwenden haben, wenn er dies Vorbehalten in ein Für-sich-behalten verwandeln sollte.

K. E.

W. Shakespeare's dramatische Werke. Für die deutsche Bühne bearbeitet von Wilhelm Oechelhäuser.

Bd. 13 und 14. Berlin,

A. Asher & Co. 1873. 1874.

Den bereits in den früheren Bänden des Jahrbuchs besprochenen 12 Bearbeitungen Shakespeare'scher Dramen, durch welche Herr Oechelhäuser die deutsche Bühne in verdienstlicher Weise bereichert hat, reihen sich nun wieder seit Jahresfrist zwei neue Bände an,,,Romeo und Julia“ und „Was ihr wollt" enthaltend. Beide Stücke gehören zu den am häufigsten aufgeführten des Dichters, erfordern für die Darstellung nicht so umfassende Aenderungen wie andere, haben aber doch schon die verschiedensten Bearbeitungen mit zum Theil recht erheblichen Abweichungen vom Original hervorgerufen. Auch Herr Oechelhäuser hat hier und da solche für nöthig gehalten und wir stehen nicht an, seine Aenderungen im Ganzen als zweckmässig und den Bedürfnissen der jetzigen Bühne entsprechend zu bezeichnen und namentlich anzuerkennen, dass er bei den Streichungen einzelner Scenen, Reden und Worte ganz das richtige und für die jetzige Aufführung wünschenswerthe Mass innegehalten hat. Die vorangeschickten Einleitungen enthalten auch hier wieder treffende Charakterbilder für die einzelnen Rollen und schätzbare Winke für die Darsteller.

Bei Romeo und Julia finden wir die Zusammenlegung und Arrangements der Scenen im Allgemeinen günstig und würden sie durchweg für glücklich halten, wenn wir in erster Reihe die möglichste Vereinfachung der Scenen und Verlegung derselben auf möglichst denselben Schauplatz für wünschenswerth hielten. Wir finden aber einen mehrmaligen Scenenwechsel selbst innerhalb desselben Acts nicht in dem Grade störend, wie die heutigen Dramatiker und Bearbeiter von Bühnenstücken zu thun pflegen, wir halten sogar einen solchen Wechsel unter Umständen für wohlthuend und angemessen, wenn nur nicht gar zu kurze und verhältnissmässig unbedeutende Gespräche auf einen neuen Schauplatz verlegt werden. Jedenfalls sind wir gegen eine Zusammenlegung der Scenen, wenn sie auf Kosten der Wahrscheinlichkeit und des ganzen poetischen Eindrucks geschehen soll. Dies scheint uns namentlich in der Zusammenlegung der dritten, vierten und fünften Scene des ersten Acts bei vorliegender Bearbeitung der Fall zu sein. Wir finden darin als Schauplatz für alle drei Scenen den Festsaal, der aber durch

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