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II.

Über die Materialien zur vorcolumbischen Geschichte

Amerikas.

Von Prof. Eugen Gelcich.

I.

Das Material, welches wir über die ältere Geschichte Amerikas besitzen, ist wahrhaft grofsartig angewachsen und wächst noch immer mehr und mehr an. Ältere Schriften sind bekannt und verschiedentlich ausgelegt worden, man hat philologische Studien über die Sprachen der Indianer gepflegt, die Ausgrabungen lieferten wertvolle Dokumente, dazu kamen Spekulation und Induktion, welche mächtig fördernd und betreibend einwirkten. Die geographische Literatur dieses Zweiges ist dadurch ungeheuer reich geworden.

Ein grofses Feld der Thätigkeit boten in den letzten Jahren die Fahrten der Nordländer nach dem nördlichen Nordamerika. Die nordländischen Sagas und die keltischen Dokumente werfen ein scheinbares Licht auf die erste Entdeckung des neuen Kontinentes durch Normannen, auf die angebliche Kolonisation von Island, Grönland und eines Teiles des Kontinentes; doch nur ein scheinbares Licht, denn es sind immerhin Zweifel über die verschiedenartigen Auslegungen gerechtfertigt.

Die isländischen Sagas brachten uns bekanntlich die ersten Nachrichten über Grofs-Irland - auch das Land der weifsen Männer genannt —, welches zwischen Markland (Neu-Schottland), Helluland (Labrador) und Vinland (nördlicher Teil der Vereinigten Staaten) gelegen sein soll. Beauvois identifiziert aus diesen Angaben Grofs-Irland mit dem jetzigen Neu-Braunschweig und einem Teile des südlichen Canadas1). Man wunderte sich, in den gallischen Dokumenten keine Bestätigung dieser Berichte der Sagas zu finden, aber vor kurzem entdeckte, übersetzte und kommentierte man doch neue Schriften, welche Belehrung und Aufklärung verschaffen. Dazu gehört in erster Linie das Leabhar nah

1) Les colonies européennes du Markland et de l'Escociland au XIVe Siècle, Nancy 1878, und: La grande terre de l'Ouest in den Actas del Congreso internacional de Americanistas. Madrid 1881. S. 47.

Zeitschr. d. Gesellsch. f. Erdk. Bd. XXV.

Uidhri, das älteste der uns erhaltenen grofsen Manuskripte gallischen Ursprungs, geschrieben gegen das Jahr 1100 durch Moelmuiré 1).

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In demselben kommt die Sage von Condla dem Schönen, Sohn des Cond-cet-chathac (Cond hundert Schlachten) König von Irland (Regierungszeit 123 bis 157 unserer Zeitrechnung) vor, der durch ein weibliches Wesen nach dem Reiche Boadags (des Siegreichen) entführt wurde. Diese Sage pflanzte sich von Generation zu Generation fort, nahm aber natürlich die, durch den jeweiligen Kulturgrad Irlands bedingten Modifikationen an, bis das schon früher als eine himmlische Gegend geschilderte Land nach der Einführung des Christentums die Gestalt. des irdischen Paradieses annahm. In der Folge kommen auch nur fromme Männer dahin, u. A. die Schüler des hl. Barint (oder Barurch), die von Mernoc angeführt eine glückselige Insel betreten, wo sie als Anachoreten leben und von Früchten, Baumwurzeln und Gemüsen Nahrung ziehen. Der heilige Barint selbst macht seinen Schülern einen Besuch und erfährt daselbst, dafs Mernoc wochenlang von der Insel abwesend bleibt und dafs seine Kleider, wenn er zurückkehrt, balsamisch duften. Dies reizt die Neugierde des sonst frommen Mannes, er überredet Mernoc, ihn in das Geheimnis seiner Fahrten einzuweihen. Sie besteigen ein Schiffchen, werden sofort von einem dichten Nebel umhüllt, der sich aber nach einer Stunde zerteilt, um in westlicher Richtung ein grofses Land zu enthüllen, an dessen Ostküste die Landung erfolgt. Die Reisegefährten durchschreiten rustig einen vegetationsreichen Boden, wo es keine Pflanze ohne Blume, keinen Baum ohne Frucht giebt, wo Edelmetalle und Edelsteine die einzigen Produkte des Mineralreiches zu sein scheinen. Nach fünfzehntägiger Wanderung gelangen sie zu einem Ost-West gerichteten Flusse, den zu überschreiten ihnen eine menschliche Gestalt verwehrt, indem jenseits desselben Gott nur Heilige empfängt. Mernoc und Barint treten den Rückweg an, sie erreichen die Insel und letzterer sucht wieder seine Heimat auf. In Irland erregen solche Erlebnisse die Neugierde anderer, viele wünschen die Fahrt nach dem irdischen Paradies zu wagen, unter ihnen setzt sich der hl. Brendan wirklich auf ein Schiff, um sein Glück zu versuchen. Die Legende des hl. Brendan ist viel zu sehr besprochen worden, um sie hier näher noch zu berücksichtigen 2).

Am wenigsten geschmückt ist die Schilderung der Fahrt eines Begleiters des hl. Brendan, Namens Machut.

1) Leabhar nah-Uidhri, a collection of pieces in proses and verses in the irish language compiled and transcribed about A. D 1100 by Moelmuiré Mac Ceileachar, now for the first time published from the original in the library of the Royal Irish Academy, with an account of the manuscript, a description of its contents and an index. Dublin. Roy. Irish Academy house. 1870.

2) La légende latine de Saint Brandaines, publié par Ach. Ju binal, Paris 1836. St. Brandan, a mediaeval legend of the sea. Th. Wright. Lond. 1844. Vita

Aus Sigbert von Gembloux (Historiker aus dem XI. Jahrhundert) erfährt man noch immer viel zu mythisches Zeug, und erst Fleury sur Loire berichtet, dafs die bei den Bretonen vielberühmte glückselige Insel Ima hiefs und im atlantischen Ozean lag. Auf der ersten Fahrt sollen Brendan und Machut die Orkaden und die umstehenden Inselgruppen besucht haben. Ein zweites Unternehmen soll sieben Jahre gedauert haben, ohne dafs es gelungen wäre, das Paradies zu entdecken. Das dritte Mal ging Machut allein aus, er landete in der Bretagne und liefs sich in Aleth nieder, wo er Bischof wurde. Die Stadt erhielt später

nach ihrem geistlichen Oberhaupt den Namen St. Malo.

Gottfried von Viterbe hat im XII. Jahrhundert eine im Grunde ähnliche Sage in den Manuskripten des Klosters zum hl. Mathias beim Kap Finisterre gelesen. Die Mönche dieses Klosters sollen nämlich Entdeckungsreisen in den Ozean gemacht haben, um dasjenige zu beschreiben, was sie dort fanden. Einmal irrte eines dieser Schiffe durch drei Jahre in hoher See, ohne Land zu sehen. Aber als ihnen die Lebensmittel ausgingen, fanden sie in der Mitte des Ozeans eine Statue, die ihnen mit den Fingern den Weg wies. Am Tage darauf fanden sie einen zweiten gleichen Wegweiser und, indem sie die ihnen in dieser Weise vorgeschriebenen Richtungen verfolgten, gelangten sie zu einer Goldinsel, wo eine goldene Stadt gebaut war. Bald erfuhren sie im Paradies zu sein und verliefsen jene Städte des Glückes nach einer Zeit, die sie nicht zu schätzen wufsten. Die Rückfahrt dauerte nur fünf Tage und als sie daheim waren, erkannten sie weder den Ort noch die Personen mehr. Und aus den Büchern des Klosters ergab sich, dafs sie seit drei Jahrhunderten abwesend waren!

Die Legende von Oisin ist ein Facsimile der früheren oder eine Zusammensetzung beider. Auch Oisin begab sich in das glückselige Reich, welches im Westen lag, er verblieb daselbst auch durch mehrere Menschenalter und kehrte als blinder Greis zurück.

Obwohl nun gelehrte Männer wie E. O'Curry1) und W. J. Skeene 2) in allem diesem Wirrwarr von Dichtung und Romantik einen Grund von Wahrheit finden, so gehört wohl viel Einbildungskraft dazu, um hier eben Wahrheit von Dichtung zu unterscheiden. Beauvois und mit ihm viele Andere fanden in diesen legendarischen Irrfahrten viele Anzeichen einer Entdeckung Amerikas.

Sancti Brendani. Sanct Brandan, ein lateinischer und drei deutsche Texte von Dr. Carl Schroeder. Erlangen 1871. Acta sancti Brendani, original latin documents. Edited by right Rev. Patrich F. Moran DD., Dublin 1872. Romanische Studien, herausgegeben von Ed. Boehmer. Strafsburg 1871-75, Bd. I. Heft V. etc.

1) Lectures on the manuscript materials of ancient irish history. Dublin 1878. S. 289.

2) Celtic Scotland, a history of ancient Alban. Edinburg 1877. Bd. II. S. 76.

Obwohl, bei der herrschenden Strömung zu Gunsten dieser vorcolumbischen Fahrten, es beinahe ungeraten scheint anderer Meinung zu sein, so könnte man doch einige Fragen wagen, die genug zu denken geben.

Man hat die balsamische Luft der wohlbekannten normannischen Sagen in der Atmosphäre des südlichen Nordamerikas, die dichten Nebel des Condlar an den Nordküsten der Vereinigten Staaten wiederfinden wollen. Der Lauf der amerikanischen Flüsse, die Hügel des Missisippi, ja die Sagen der Indianer, vorzüglich jene über Bimiris, die auf Cuba und Haiti lange fortlebten, entsprechen so vollständig den Schilderungen der Legenden, dafs man an die Entdeckung durch Irländer vor dem Jahre 1000 nicht mehr gezweifelt hat. Die romantischeste der Erzählungen, meint Beauvois, läfst zum mindesten unwiderrufen, dafs eine Sehnsucht vorherrschte, die Geheimnisse des Ozeans zu erspähen, und dafs Entdeckungsfahrten dahin unternommen wurden; und in diesem Falle, setzt er fort, konnte der Zufall begünstigend mitgewirkt haben.

Man will aber noch weitere und festere Beweisgründe anführen und greift zu den Sagas, deren Schilderungen weit einfacher und solider aussehen als die Dokumente der Kelten. Erhärtet werden diese Berichte durch die Mitteilung eines schiffbrüchigen Friesländers, von dem die Gebrüder Zeni erzählen, dass er vier Jahrhunderte nach dem Eingreifen der Sagas im fernen Westen ein kultivirtes Volk vorfand, welches Bücher besafs, dessen Sprache aber nicht die skandinavische, sondern eine andere war. Gar zu den Zeiten Ludwig's XIV. soll man Spuren des Christentums in Amerika vorgefunden haben, u. A. den Kultus des Kreuzes und die Kreuzträger.

Hat man aber je untersucht, ob sich die Nebel und die balsamischen Lüfte auch auf andere, etwa auf europäische Länder beziehen könnten? Als Condlar von dannen zog, wurde er gleich nach der Abfahrt von dichtem Nebel umhüllt. Wäre er nach Westen gefahren, so hätte er doch lange segeln müssen, um in die Nebelregion von Neufundland zu gelangen; die Nebelregion des englischen Kanals lag ihm dagegen viel näher. Balsamische Lüfte konnte man auch an den spanischen Küsten antreffen, die iberischen Flüsse haben einen ostwestlichen Lauf, in Spanien fand man in älteren Zeiten einen grofsen Reichtum an Silber vor. Haben ferner die hier gemeinten Fahrten alle nach Westen stattgefunden, wie erklärt man sich dann die Ankunft des Machut mit St. Brendan auf den Orkaden, Hebriden u. s. w., wie diejenigen des ersteren auf St. Malo? Wenn die Kenntnis eines Landes im Westen oder wenigstens die Vermutung so deutlich ausgesprochen war, dafs in jener Richtung Land liegen müsse, und wenn man Entdeckungsfahrten dahin unternahm, warum segelte man nach Norden und nach Süden?

Es drängen sich uns hier soviel Argumente auf, dass wir sie kaum alle ewältigen. Wir fragen uns z. B. weiter, welcher Zeitmessmaschinen

sich wohl die Normannen bedienten, um die Länge des Tages und der Nacht an den amerikanischen Küsten so genau zu bestimmen, dass man daraus die Breite ihrer Ansiedlungen zu berechnen fähig ist? Hatten sie Sonnen-, Wasser- oder Sanduhren? Oder besafsen sie astronomische Kenntnisse, um aus dem Stand und der Stellung der Gestirne die Zeit in gleichmässigen Stunden, d. h. in Stunden zu.messen, welche den Tag in 24 Teile teilten? Es dünkt uns unmöglich, dafs sie vor dem Jahre 1000 so weit vorgeschritten waren, indem die Kultur von dem Süden nach dem Norden Europas einen weiten und beschwerlichen Weg noch zurückzulegen hatte. Ist es wahr, dass Julius Cäsar in England Wasseruhren vorfand, wie berichtet wird, dann wäre allerdings die Möglichkeit vorhanden, dafs solche auch in Skandinavien bekannt waren, notwendig bleibt es doch, hierüber erst weitere Forschungen zu pflegen. Eine andere Frage bezieht sich auf die Möglichkeit in den damaligen Schiffen Proviant genug für eine transatlantische Fahrt mitzunehmen. Lassen wir die drei- oder siebenjährigen Kreuzungen, von welchen früher die Rede war, fallen, und reduzieren wir sie auf das möglichste Minimum, so müssen wir berücksichtigen, dafs Wind und Wetter im atlantischen Ozean vor 1000 Jahren ebenso wie jetzt verteilt waren, dass das hochnordische Meer voller Gefahren ist und in den tieferen Breiten West- und Südwinde vorherrschen. Die Verzweigungen des Golfstromes vereinigen sich zu den übrigen Kalamitäten, um die Segelschiffe zu zwingen, entweder ganz nordische und somit unwirtliche Breiten aufzusuchen und in denselben die Überfahrt gegen Westen zu vollziehen; oder sie suchen den Nordostpassat auf, fahren also von England aus nach Süden, legen die ganze Längendifferenz gegen Westen im Passat zurück und wenden im Meridian des Ankunftsortes erst gegen Norden. Eine Fahrt von England nach Amerika dauert jetzt im Durchschnitt 40 Tage. Wie stellten es also Normannen und Irländer, welche von den ozeanischen Schiffahrtsregeln noch nichts wufsten, an, um gegen Wind und Wetter anzukämpfen, um Kunststücke auszuführen, die heutigentages noch unwahrscheinlich klingen? Wie grofs waren ihre Schiffe, um so viel Lebensmittel mitzunehmen? Allerdings hat sich in letzterer Zeit herausgestellt, dafs die Schiffe der Skandinavier ziemlich grofs waren; allein, wie lange mögen unter den angeführten Umständen ihre Kreuzungen gegen Westen gedauert haben? Und was die Berichte der Gebrüder Zeni anbelangt, so ist es doch bekannt, dafs sie erst 1558 von einem Marcolini veröffentlicht wurden, der aber nicht im Stande war, die Originalien zu zeigen und der erklärte, das wiederzugeben, was er sich davon gemerkt hatte. Wir haben somit mit einer jener Forschungen zu thun, die in der Geschichte der Geographie gar nicht so selten sind.

Noch ärger sieht es mit dem regen Verkehr zwischen Island und den angeblichen Kolonien aus. Da fahren die Leute ohne Kompafs

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