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Die dritte reguläre Form der ehelichen Entwickelung ist die allbekannte Monogamie, die als streng rechtlich fixierte Sitte sich nur in den von der europäischen Kultur beherrschten Gebieten zeigt. Dagegen verschlägt es nichts, wenn uns öfter von monogamischen Verhältnissen bei niedrigstehenden Völkerschaften gemeldet wird; haufig ist es nur Armut, welche dazu zwingt, aber man kann überhaupt eine solche jederzeit ohne die geringste Förmlichkeit lösbare Verbindung nicht mit unserer heutigen monogamischen gleich setzen. Wenn wir mit Fug und Recht in unserer heutigen Gestalt die würdigste und sittlich edelste Vereinigung der beiden Geschlechter erblicken und sie deshalb eigentlich nur auf der Stufe der Elternverwandtschaft, dem letzten Kulturprodukt, zu erwarten geneigt sein sollten, so berührt es seltsam, dafs selbst unter der Herrschaft des Mutterrechts eine monogamische Eheform vorkommt (vgl. Post, Entwicklungsgeschichte des Familienrechts S. 74). Und ebenso beachtenswert ist es, dafs der genannte Forscher aus Afrika verschiedene Beispiele gesammelt hat, aus denen es unzweideutig hervorgeht, dafs die höchsten und niedrigsten Stufen des sozialen Lebens insofern sich gleichen, als auf beiden die gegenseitige Neigung den entscheidenden Punkt bei der Verlobung bildet (vgl. Afrikanische Jurisprudenz I, S. 377 ff.), während, wie wir uns überzeugten, für die patriarchalische Organisation lediglich und allein das Stammesinteresse entscheidend ist.

Als Kuriositäten seien endlich noch die Ehen auf Zeit und Probe erwähnt; jene ist ganz besonders bei den schiitischen Moslemen gebräuchlich (schwankt von einer Stunde bis zu neunundneunzig Jahren), geniefst einer bis ins Detail gehenden rechtlichen Fixierung und darf deshalb nicht, wie wohl geschehen, mit Prostitution verwechselt werden, während sie mit dem Konkubinat allerdings sehr verwandte Züge aufweist. Die Ehen auf Probe variieren ebenfalls betreff der Zeitdauer aufserordentlich von einander (in Birma dauert die Probezeit z. B. drei Jahre, anderwärts nur mehrere Tage oder besser gesagt Nächte); im ganzen lässt sich aber wohl annehmen, dafs sie nur da vorkommen, wo die regulären ehelichen Verhältnisse noch keine nennenswerte Festigkeit gefunden haben.

Haben wir in dem Vorliegenden mit knappen Umrissen die Entwickelung des Familienlebens geschildert, so bedarf es noch einer kurzen Erörterung über die Formen der Eheschliefsung und Scheidung. Es versteht sich von selbst, dafs bei Völkern primitiver Gesittung von besonderen Feierlichkeiten keine Rede ist, die Ehegatten gehen auseinander, sobald ihnen das bisherige Zusammenleben nicht mehr gefällt. Namentlich entscheidet die Willkür des Mannes. Sobald aber anstatt dieser losen, wesentlich oder allein auf geschlechtlichen Genufs abzielenden Verbindungen eine wirklich dauernde, auf bestimmten sozialen Faktoren (wie gemeinsamen Haushalt, Erzeugung von eigenen

Kindern u. s. w.) errichtete Vereinigung eintritt, greifen auch mehr oder minder scharf ausgeprägte rechtliche Bestimmungen ein. Eine hervorragende Rolle fällt hierbei der Blutsverwandtschaft zu, je nachdem sie durch die weibliche oder männliche Seite vermittelt wird; so ist bei den Hovas auf Madagaskar die Heirat zwischen Bruderskindern erlaubt, dagegen diejenige zwischen Schwesterskindern als Incest verpönt, weil hier mutterrechtliche Vorstellungen mafsgebend sind; umgekehrt ist es im Süden der Halbinsel Malakka, wo Vaterrecht gilt. Ganz besonders schwanken die Verbote betreff der unmittelbaren, leiblichen Verwandtschaft; vielfach gelten gerade die Geschwisterehen als begehrenswert, vor allem, wo es sich um die Reinhaltung fürstlichen Blutes handelt (die klassischen Beispiele aus der persischen und ägyptischen Zeit sind bekannt genug). Bei exogenen Ehen wird die Heirat innerhalb des eigenen Stammes regelmässig als Blutschande angesehen und überhaupt erreicht unter diesen Verhältnissen das Ehehindernis der Blutsverwandtschaft den gröfsten Umfang. Anderweitige Momente (körperliche Mängel im allgemeinen, Impotenz, Fehlen geschlechtlicher Reife, soziale Standesunterschiede u. s. w.) spielen je nach Lage der Sache auch ihre Rolle; doch würde uns eine eingehende Untersuchung zu weit führen, um so mehr, da noch kaum ein systematischer Versuch mit dem, freilich vielfach recht spärlichen, Material gemacht ist. Auch die Frage nach der Lösbarkeit der Ehe wird sehr verschieden beantwortet. Am einfachsten gestaltet sich die Sache da, wo, wie schon erwähnt, das gegenseitige Einverständnis genügt oder, wie im Mutterrecht, wo der Mann seitens der Familie seiner Frau einfach fortgeschickt wird. Ähnlich liegt der Fall, wo, wie im Patriarchat, die Frau als Sondergut des Mannes betrachtet wird und nach Willkür von ihm verstofsen werden kann (so z. B. nach mosaischem Recht). Nach dem Zerfall der patriarchalischen Organisation beschränkt sich diese Befugnis, und es bedarf mehr oder minder bestimmter Gründe; weit verbreitet, um nicht zu sagen allgemein giltig, ist der Ehebruch seitens der Frau (während der Mann höchstens bei einzelnen Völkerschaften eine Busse zu erlegen hat) oder die Unfruchtbarkeit der Frau, namentlich wo die Erzeugung echter Erben noch der hauptsächlichste Faktor ehelicher Entwickelung ist, oder endlich bösliche Verlassung. Je nach den sittlichen Lebensanschauungen der verschiedenen Völker können dann auch andere Umstände die Entscheidung herbeiführen, geistige Mängel, unverträgliche Gesinnung, Verlust der bürgerlichen Ehren und Stellung u. s. w., kurz alles, was geeignet ist, die eheliche Lebensgemeinschaft dauernd zu untergraben und zu zerstören. Während im allgemeinen behauptet werden kann, dafs je nachdem die Ehe einen sakramentalen Charakter annimmt, sie ein festeres Gefüge zeigt, so ist das doch nicht bis auf den Punkt zutreffend, dafs sie überall nur durch den Tod gelöst werden kann, vielmehr findet sich diese Anschauung auch bei verhältnismäfsig sehr tief

316 A. Achelis: Die Geschlechtsgenossenschaft und die Entwickelung der Ehe.

stehenden Völkerschaften, wo ein unmittelbarer religiöser Einfluss nicht konstatiert werden kann.

Aus unseren Ausführungen wird hoffentlich so viel zu ersehen sein, dafs die immer noch vielfach geäufserte, nur für unseren Kulturzustand zutreffende Annahme, von jeher habe ein ähnliches eheliches Leben (höchstens mit geringfügigen Variationen) in der Menschheit existiert, völlig hinfällig ist. Man mag über die Struktur der primitiven Geschlechtsgenossenschaft, dieser Urzelle aller weiteren sozialen Entwickelung, denken wie man will, jedenfalls ist mit ihr unsere heutige Monogamie unverträglich, gerade so, wie mit der auf die patriarchalische Autorität und Herrschsucht gestützten Organisation der Geschlechter. Dafs dadurch die bezüglichen rechtlichen und sittlichen Vorstellungen auf das Nachhaltigste betroffen werden, wurde schon früher gelegentlich bemerkt, und es ist in der That schwer, wo nicht völlig unmöglich, in der Struktur jener ethnischen Bildungen schon die dürftigen Keime zu den Ideen zu finden, die uns jetzt geläufig sind und die höchsten ethischen Wertmesser abgeben. Ehe das Weib zu der sittlich gleichberechtigten Gefährtin des Mannes aufstieg, dazu bedurfte es eines langen und wohl mitunter durch Rückfälle unterbrochenen geschichtlichen Prozesses, der damit zugleich eine Entwickelung unserer sittlichen Gefühle soweit sie durch die Organisation der Ehe bedingt sind in sich schliefst. Nur eine Seite dieses Vorganges mag zum Schlufs noch berührt werden, das ist der bedeut same Umstand, dafs den Weibern in der Urzeit eine Rechtssubjektivität nach jeder Richtung mangelt. So lange die Geschlechterverfassung noch in Blüte steht, haftet für etwaige Vergehen der Frau das Geschlecht selbst, gerade so wie es für Schäden eintritt, die durch Sklaven, Tiere oder leblose Gegenstände angerichtet werden; später tritt der Mann voll dafür ein. Deshalb ist das Weib auch völlig unfähig, einen Rechtsstreit zu führen oder in denselben einzugreifen, das Vorgeld für sie ist meist ein geringeres und die soziale Wertschätzung des weiblichen Geschlechts überhaupt eine geringere. Die meisten dieser prähistorischen Beeinträchtigungen hat unsere Civilisation beseitigt, aber man wird doch Post Recht geben können, wenn er sagt: ,,Volle Rechtssubjektivität hat das Weib auch in unseren Tagen nicht erlangt. Namentlich fehlt ihm noch die politische Rechtssubjektivität. Die modernen Emanzipationsgelüste in dieser Beziehung werden auch mutmafslich an den biologischen Eigentümlichkeiten des weiblichen Geschlechts scheitern." (Grundlagen des Rechts S. 171.)

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XIII.

Die Verbreitung der griechischen Sprache im pontischen

Küstengebirge.

Von H. Kiepert.

(Mit einer Karte Taf. 5.)

die Verteilung der verschiedensprachigen Bevölkerung Kleinasiens in der Gegenwart begegnet man noch vielfach irrigen Ansichten, entstanden aus ungenauen und mifsverstandenen Angaben älterer Reisenden und befestigt durch oberflächliche, das brauchbare Material nicht entfernt beherrschende Entwürfe ethnographischer Karten, wie die vom verstorbenen H. Berghaus (in seinem ,,Physikalischen Atlas") und die danach ohne eigne Kritik kopierten von Petermann. In diesen ist dem griechischen Sprachgebiete eine breite, tief ins Binnenland hineinreichende Zone längs der ganzen Westküste der Halbinsel zugewiesen, während daselbst thatsächlich das Türkische mit räumlich geringen Ausnahmen (zu denen jedoch volkreiche Städte, wie Smyrna und Aivali und einige kleinere, wie Tscheschme, Alatzata, Dikeli gehören) als ausschliefsliche Volkssprache gehört wird. Ebenso auf vereinzelte, auch nur schwach bevölkerte Punkte beschränkt findet sich das griechische Element längs des gröfsten Teiles der Nordküste, und im Innern der Halbinsel hat es, bis auf wenige Gemeinden bei Konia und eine etwas grössere Gruppe bei Kaisarie, sich zwar Kultus und Bewusstsein der Nationalität erhalten, aber unter Aufopferung der nationalen Sprache, an deren Stelle dort überall, selbst in der Kirche und in der Familie, die für den Verkehr mit der erdrückenden Majorität unentbehrliche türkische Sprache getreten ist. Nur eine einzige kleinasiatische Landschaft im äufsersten östlichen Winkel des Pontus bietet noch heut einen scharfen Gegensatz zu jenem sonst allgemeinen Niedergang der einst ein volles Jahrtausend hindurch die ganze Halbinsel beherrschenden Sprache. Wenn wohl schon in den Zeiten persischer und halbgriechischer Herrschaft (unter den Mithradaten) der seit uralten Zeiten bekannte Metallreichtum jener Gebirgslandschaft griechische Einwanderer in stärkerem Mafse angezogen haben mochte, so hat doch vorzugsweise die nach der Zertrümmerung des oströmischen Reiches durch die Lateiner im vierten Kreuzzuge erfolgte Festsetzung des Restes der kaiserlichen Dynastie in Trapezunt, welche den Fall der Hauptstadt am Bosporus noch um ein Jahrzehnt überleben sollte, die Veranlassung gegeben zu massenhafter Auswanderung nach jener letzten Zuflucht nationalgriechischen Lebens und zwar in solcher Stärke, dafs hier weit

und breit die einheimische Vielsprachigkeit durch das griechische Idiom verdrängt wurde und sich auch unter der muhammedanischen Herrschaft, deren Träger hier weit weniger Türken, als Lazen und Kurden gewesen sind, in einer den Muslims an Zahl nicht sehr erheblich nachstehenden Stärke bis in die Gegenwart erhalten hat. Das unter einer solchen Bevölkerung natürliche Vorkommen griechischer Ortsnamen neben den türkischen war schon vor fast zwei Jahrhunderten einem der vielseitigsten Beobachter, dem französischen Botaniker Pitton, gewöhnlich genannt Tournefort, aufgefallen; es wurde weiter bestätigt durch einige Reisende, welche in unserm Jahrhundert dieselbe Landschaft durchaus nur flüchtig durchzogen haben (Kinneir, Hamilton, Hommaire de Hell, H. Barth und Mordtmann, O. Blau, Strecker u. a.), auch Forscher mehr philologischer und historischer Richtung, welche auf die Durchsuchung der griechischen Bergklöster, der letzten Zufluchtsstätten mehr geschichtlicher Erinnerung, als längst untergegangener Büchergelehrsamkeit, längere Zeit verwendet haben, wie Zachariae und Fallmerayer, haben die Gelegenheit doch nicht zur Gewinnung dialektologischer Resultate ausgenutzt, während der einzige Europäer, dem dies etwa vor einem Jahrzehnt, unterstützt von der Kgl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin, durch einen längeren Aufenthalt in diesen Gegenden ermöglicht wurde, der in Athen lebende Herr Dr. Deffner, uns bis jetzt die Ergebnisse seiner Studien schuldig geblieben ist. So beschränkt sich, was wir über die Verbreitung der pontischen Griechen und ihren eigentümlichen, vielfach altertümliche Formen bewahrenden Dialekt1) wissen, auf die bereits vor ein paar Jahrzehnten gedruckten, jedoch in Europa wenig beachtet gebliebenen Mitteilungen zweier einheimischer Schulmänner, der Herren Ioannides und Triandaphyllides 2). Namentlich der zweite hat die teils ganze Thäler füllenden, teils zerstreut liegenden Ortschaften mit griechischer Sprache, sowohl die überwiegende Masse der christlichen, als die seit der türkischen Eroberung zum Islam übergegangenen, mit wenigen Ausnahmen unter Bei

1) Im Gegensatze zu der im griechischen Königreiche, auf den übrigen Inseln, in Konstantinopel, Smyrna und Umgegend herrschenden Vulgärsprache wird z. B. in Trapezunt noch wie langes e, nicht wie i gesprochen, die Diphthonge av und Ev nach italienischer Weise wie a-u, e-u, nicht wie im vulgären Neugriechisch, wie af und ef, o (anlautend oder inlautend) wie oï nicht wie i. Von dieser in Trapezunt üblichen διάλυσις τῶν διφθόγγων erhielt ich schon vor vierzig Jahren Kunde durch einen damals hier seine philologischen Studien verfolgenden kappadokischen Griechen, den später als Professor der Athener Universität jung verstorbenen Dr. Mavrophrydes.

2) Σαβ. Ἰωαννίδου, Ἱστορία καὶ Στατιστικὴ Τραπεζοῦντος καὶ τῆς περὶ ταύτην χώρας, ὡς καὶ τὰ περὶ τῆς ἐνταῦθα Ἑλληνικῆς γλώσσης, ἐν Κωνσταντινουπόλει 1870. Περικλέους Τριανταφυλλίδου, ἡ ἐν Πόντῳ Ἑλληνικὴ φυλή, ἤτοι τὰ Ποντικά, ἐν ̓Αθήναις 1866.

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