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Wir lassen nunmehr jene ungeheueren blendenden Bilder hinter uns versinken; und wenn auch eine Wanderung nach Osten und Norden anziehend und lehrreich sein könnte, wo wir in Persien und Medien einen engen Anschlufs an das mesopotamische Stadtbild'), in Hocharmenien aber neue durch den Einfluss des rauheren Klimas hervorgerufene Einzelformen kennen lernen würden2), so verzichten wir hier darauf und schlagen den Weg nach Westen ein, weil dieser es ist, der uns im weiteren Verlauf zu den uns wichtigsten Kulturen führen wird. Wir überspringen die Wüste, lassen das binnenländische späte Stadtbild Palmyra und gehen gleich nach Syrien.

Hier ist es, wo die Städte lagen, von denen es in der Schrift heifst, dafs sie bis an den Himmel vermauert seien (V. Mos. I 1, 28; 9, 1); aber hier ist es zugleich, wo ihnen auch die Naturgegebenheiten in bestimmter und bestimmender Weise entgegen kommen. Man werfe nur einen Blick auf die Inselveste Kadesch (G. Perrot, hist. de l'art IV S. 505), auf die Städtepläne in Baedeker's Syrien und Palästina, auf Hebron, auf Petra, das biblische Sela, auf die Makkabäerveste Masada, auf Ammân und Sichem, und vor allem auf Jerusalem (s. Fig. 3), das auf dem Bergfufs zwischen den eingerissenen Thälern Ben Hinnom und Kedron in natürlicher Isolierung und Begrenztheit sich aufbaut; - und auf einen Schlag wird man erfassen, dafs wir uns in einer neuen Städtewelt befinden. Ein guter Teil des notwendigen Schutzes wird jetzt von der Natur übernommen.

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Fig. 3.

Das Stadtbild wird allerdings weniger einheitlich, im Kontur sowie im Grundrifs: im Kontur, weil die Umfestigung nun den Bewegtheiten der Natur aufs engste zu folgen hat; im Grundrifs, weil der von vorn

1) Persepolis s. Perrot, histoire de l'art V 441 und Ritter VIII 889; Egbatana Ritter IX 98, Herod. I 98.

2) S. G. Hirschfeld: Paphlagonische Felsengräber S. 36 u. 49 (Abhandlungen d. Berl. Akad. 1885).

herein sich darbietende oder auch erkorene Platz erst allmählich sich füllt, und die nach dem Belieben der Ansiedler zerstreuten Wohnungen erst allmählich zusammenwachsen, verschroben und verschoben, bunt und malerisch, aber nach der ausdrücklichen Meinung der Alten viel besser gegen den eindringenden Feind zu verteidigen, als gerade abgezirkelte Strafsen; kurz, das Bild, wie es jeder aus den meisten heutigen Plänen von Städten ablesen kann, wo der allmählich gewordene Kern der Stadt durch die krumme, schiefe Führung seiner Gassen leicht sich absondert von dem neueren Mantel, in welchem Baulinien und Strafsenfluchten von vornherein vorgeschrieben und gradlinig gezogen sind.

Dieses Stadtbild entspricht einem Zustande, in welchem das Schutzbedürfnis alles ist. Aber auch für die weitere Entwickelung, in welcher neben dieses Bedürfnis die Forderung des Verkehrs tritt und zwar des Seeverkehrs, bietet Syrien die ältesten und sehr eindrucksvolle Beispiele.

Wenn es irgendwo klar ist, dafs der Mensch mehr ist, als ein Erdenklofs, den die Naturbedingungen sich einander zuwerfen, bis sie ihn in eine gewisse Form gebracht haben, so ist das an der Syrischen Küste, im alten Phönizien der Fall. Freilich drängt gleichsam die felsige Gestaltung der Küste die Bewohner aufs Meer; aber bis auf

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zwei Stellen, etwa bei Sidon und Tyrus, hat diese Küste nichts gethan, um ihre Besiedeler zu Seefahrern zu erziehen; auch wenn in Anschlag gebracht wird, dafs die Ansprüche der ältesten Segelschiff

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fahrt an Strand und Schutz kaum erheblich gröfser waren, als die der heutigen Schifferbote. Nichtsdestoweniger sind ja die Phönizier kühne Seefahrer geworden; während sie sich an einzelnen Stellen wie bei Tarabulus (Tripolis) und Berut mit wenig eingezogenen Küstenlinien begnügen mussten, haben sie mit sicherer Hand bei Akka eine schützend vorlaufende Felsenzunge, bei Sidon und Tyros landnahe Meeresfelsen ergriffen, welche Schutz gegen Feinde wie gesicherten Verkehr in gleicher Weise erleichterten. Hinausgefahren ins Mittelländische Meer sind sie diesem letzteren, dem insularen Besiedelungstypus gefolgt, wo es nur anging, an den Küsten Kleinasiens und Griechenlands, haben hafenbildende und -schützende Vorgebirge besetzt wie bei Cadix und Cartagena, und haben z. B. bei Karthago schon das Muster der den Griechen später so besonders erwünschten Lage aufgestellt, wo ein Vorgebirge zwei Häfen bildet, einen zu jeder Seite (s. Fig. 4), die also mit jedem Winde einzulaufen gestatten, ein Vorteil, der bei der Segelschifffahrt allerdings unschätzbar ist.

Blicken wir um uns im Gebiet des Mittelmeerbeckens, so sehen wir noch heute die Stellen phönizischer Ansiedelungen festgehalten, teilweise, auch bei den geänderten Welt- und Verkehrsstrafsen, in unzerstörbarer Lebenskraft ansehnlich und blühend. Das eben ist der fundamentale Unterschied dieser gewordenen Städte von den geschaffenen und willkürlichen Ägyptens und Babylons, dafs sie dem Boden entwachsen, auch tief in ihm Wurzel gefafst haben und nun nicht mehr vergehen können, falls nicht alle jene Bedingungen aufhören, die sie einst ins Dasein gerufen. Das Kunstprodukt, einmal zerschlagen, kann keine Hand wieder herstellen; das natürliche Gewächs aber treibt aus dem ihm zukömmlichen Boden immer zu neuem Wachstum empor.

Das natürlich geschlossene Stadtbild, wie es uns hier zum ersten Mal entgegentritt, ist aber auch in politischer Hinsicht von Bedeutung: es erzeugt in den Bewohnern das Gefühl einer engeren Zusammengehörigkeit und leicht wächst sich so die Stadt aus zu einem kleinen Staate, der ein energisches Sonderleben führt; ist das schon in Phönizien der Fall, so wird es in Griechenland zur Regel, wo der Begriff von Stadt und Staat in einem einzigen Worte, nóg beschlossen liegt. Das hat Aristoteles im Auge, wenn er der ungeheuren Umhegung Babylon den Namen einer Stadt abspricht; es ist überhaupt bemerkenswert, wenn man die Gleichgültigkeit der neueren sieht, wie viel und wie tief den alten Philosophen die Frage der Stadtlage und der Stadtbildung beschäftigt hat; aber doch immer so, dafs örtliche und politische Einheit in einander fliefsen. Diesem Thema hat er in seiner Politik mehrere Kapitel gewidmet. Die Stadt soll übersichtlich, daher nur mittelgrofs sein, eine gesunde Lage und gutes Wasser haben,

in richtigem Verhältnis zum Meere und zum offenen Lande sich befinden, endlich geschickt liegen für Verwaltungszwecke wie für aggressive und defensive Unternehmungen. Dies alles tritt nun zwar im Gewande theoretischer Forderungen auf, kann ja aber gar nicht anders, als wirklichen Zügen aus der Erfahrung des Philosophen entsprechen. Und in der That, manche ihrer Hervorbringungen hat die Natur anderen Landstücken freigebiger verliehen als dem Lande der Griechen, aber in einem hat sie es aufs Reichste ausgestattet, in den Gelegenheiten zur Zusammensiedelung von Menschen, zur Anlage von Städten, wie sie dem Kulturzustande jener Zeiten und Geschlechter am angemessensten waren. Richtig bringt freilich der Geograph Strabo einen rein persönlichen Zug hinein, jenen inkommensurabeln Zug eigener Begabung, wenn er sagt, dafs die Griechen in Städteanlagen eine ganz besonders glückliche Hand gehabt hätten, was ja auch Geltung hat, wenn man nicht vergifst, dafs eine glückliche Lage etwas verhältnismäfsiges ist.

Und in schöner Klarheit liegt auch auf diesem Gebiete die Stufenfolge der griechischen Entwickelung uns vor Augen. Es ist, als wenn unter jenem Himmel nichts Unklares oder Verschwommenes gelitten würde. Drei Epochen vermögen wir zu scheiden, die geschichtlich einander ablösen, besser wohl noch im Kreislauf sich bewegen, so dafs

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auf die dritte wieder die erste folgt, und deren Symptome teilweise auch von den Alten selber, ja schon in den homerischen Gedichten richtig

charakterisiert werden1). Jenen Epochen entspricht das Hervortreten ebenso vieler Hauptforderungen, deren erste lautet, die Stadt solle so fest sein wie möglich, die zweite: so verkehrstüchtig wie möglich, und die letzte, sie solle so bequem sein wie möglich. Alle begleitet aber mit abnehmender Stärke die Voraussetzung, dafs die Natur den Stadtplatz selber schon bestimmt determiniert, umrissen habe.

Wie sind diese Aufgaben topographisch gelöst worden? und wie stellt das Stadtbild dieser drei Epochen sich dar?

ORCHOMENOS

1:5000.

Akropolis

Unte

tadt

nach Leake Fig. 6.

Die Stadt soll fest sein sie flieht daher zuerst die Nähe des von feindseligen Völkern befahrenen Meeres und trägt einen binnenländischen Charakter. Und nun will ich zu schildern versuchen, wie dieser Typus augenfällig sich darstellt: in das tief eingerissene Bett eines Bergstromes mündet mit starkem Gefäll ein Seitenrifs (so Eira Fig. 5) oder zwei Wassereinschnitte treffen sich oder fliessen konvergierend oder divergierend (vgl. auch Fig. 7) oder einer schlägt einen Bogen (so Orchomenos Fig. 6); aus dem Winkel, den sie bilden, hebt sich mit schneller Steigung ein Felsfufs grauen Kalksteins und geröllbedeckt, mit spärlichen Fleckchen dunkelgrünen, lebenszähen Strauchwerks, im schimmernden Sonnenlicht heifs und mühsam anzuschauen, aber wundervoll durch die Bestimmtheit, mit welcher auf dem dunkelblauen Grunde der Luft seine Umrisse sich zeichnen, die durch ihren stark bewegten aber festen Zug das Auge zugleich anziehen und befriedigen. Ein schmaler Pfad, aus dem die menschliche Hand einstmals die hinderlichsten Blöcke entfernt, und den der menschliche Fufs dann in Jahrhunderten dem Boden leicht eingetreten hat, geht wie ein leichterer gewundener Faden an der Erhebung empor. Erst allmählich sondert das Auge vom natürlichen Felsen die künstliche Aufmauerung, welche dem Körper des Felsens selber entnommen, seine Höhe krönt und abschliefst. Zinnen krönen die Mauer und Türme überragen sie, die im ursprünglichen Zustande 30' an Höhe gehabt haben mag, auch mehr nicht bedurft hat; denn sie ist nur Verstärkung der natürlichen Feste, gehorsam folgt sie jeder Caprice des Hügels und zieht alle seine natürlichen Vorteile in ihren Gang. Da kann von regelmäfsiger Form keine Rede sein, es ist der verwirklichte Grundrifs der Natur.

Über die Mauer hinaus blickt die Burghöhe, sei es dass sie isoliert ist oder nur ein höherer Teil des Stadthügels besonders abgemauert

1) Hierüber habe ich gehandelt in den Ernst Curtius gewidmeten histor. u. philol. Aufsätzen. Berlin 1884. S. 353 ff.

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