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einverleibt worden ist. Daselbst, als am Weichbilde der Stadt, begrüfsten der Mutesellim (Civilgouverneur), der Kadhi und der Mudîr (Steuerbeamte) an der Spitze einer Schaar von Baschibozuk den Prinzen als ihren Gast, und schlossen sich dann der voraufreitenden Ehrenwache an, während die irregulairen Reiter unter lautem Paukenschlag sich vor die Uhlanen rangirten. In dieser Weise betrat der Zug das reizende Thal der Saraquelle, in welchem eben der, die Bergwände rechts und links bekleidende Wein seine kräftigen Reben zu treiben anfing, während die Azerolen, die Mandeln, die Quitten und die Feigen schon im vollen Blätterschmuck prangten. An verschiedenen Stellen im Thal, wo eine Erweiterung des sich eng durch die Weingärten windenden Weges es gestattete, hatten sich hebroner Juden aufgestellt und brachten dem vorüberreitenden Prinzen enthusiastische Lebehochs. Araber dagegen sahen wir keine, weder auf dem Wege noch in den Gärten, obwohl die letzteren sämmtlich muhammedanisches Eigenthum sind und es an Gelegenheit zu Arbeiten nicht fehlte.

Das Thal der Saraquelle ist ein Seitenthal des Wadi Tuffâh, in welches wir nunmehr gelangten. Erst in letzterem tauchten die würfelförmigen Häuser Hebrons vor unsern Blicken auf. Daselbst, der Quelle Cheir-ed-Din gegenüber, war eine schmucke Compagnie türkischer Infanterie mit Militärmusik aufgestellt, an deren Spitze der OberstCommandirende der Grofsherrlichen Truppen von Palästina mit seinen Adjutanten unsern Zug erwartete. Der Prinz wurde hier nach europäischer Weise militärisch salutirt, und nachdem er die Fronte passirt, folgten die Soldaten dem Zuge unter abwechselndem Paukenschlag und Hörnerschall. Eine Strecke weiter war eine zweite Compagnie aufgestellt, welche ebenfalls salutirte und sich dann anschlofs, dann eine dritte, vierte u. s. w., so dafs im Ganzen gegen 2000 Mann, welche eben, um einer beabsichtigten Rekruten-Aushebung Nachdruck zu verleihen, im Paschalik Jerusalem zusammengezogen worden waren, bis zu dem im Süden der Stadt liegenden freien Platze die Escorte verstärkten. Uebrigens wiederholte sich hier, was wir schon in dem oberen Thale bemerkt hatten, kein erwachsener muhammedanischer Einwohner der Stadt liefs sich blicken, während die Steinzäune am Wege, die Schutthaufen und die türkischen Grabdenkmäler voll von Juden jedes Alters und Geschlechts und arabischen Weibern und Kindern safsen.

Hebron gehört zu den palästinischen Ortschaften, welche, abweichend von der Regel, anstatt auf den Höhen der Berge in der Tiefe eines Thales angelegt worden sind, und zwar in diesem Falle in dem des vorerwähnten Wadi Tuffâh. Dieses Thal bildet durch drei von seinen Seiten vorspringende Höhen, und zwar auf der südlichen den

Kubbet-en-Nebî und den Rumeidi-Berg und auf der nördlichen den Beilim, einen gegen Osten hin offenen Kessel, dessen tiefsten Grund noch jetzt der uralte freilich oft erneuerte Teich bezeichnet, an dessen Rande David die Mörder des Isboseth aufknüpfen liefs. Nordwestlich von diesem Teich zieht sich der Haupttheil des heutigen Hebron bis zu halber Höhe des hier das Thal einfassenden DjeabirehBerges hinan, die Patriarchengräber und die Burg umschliefsend; drei andere vollkommen abgesonderte Quartiere liegen, das eine westlich an derselben Bergwand, und die beiden andern gegenüber am Fusse des Rumeidi und des Kubbet-en-Nebî. Die Häuser sind durchweg von Quaderstein mit massiven Gewölben aufgeführt, welche letzteren meist zu flach terrassirten Dächern geebnet sind und nur selten äufserlich eine Kuppel zeigen; sie sind hoch und ansehnlich; aber allen baulichen Zierraths durchweg entbehrend und mit wenigen, kleinen Fensteröffnungen ohne Rahmen und Glas versehen, machen sie einen düstern und unfreundlichen Eindruck. Das Verkehrsleben drängt sich in dem Hauptstadttheil zusammen, wo allein auf einem schmutzigen und ärmlichen Bazar die gewöhnlichsten Lebensbedürfnisse und einige geringe Luxus-Artikel nicht blofs für die Einwohner, sondern auch für die Fellahs der Umgegend und für die Djehalin - Beduinen der nahen Wüste ausgeboten werden. In demselben Stadttheil befinden sich auch die altberühmten Glasbrennereien, deren Schlacken und Asche, nach der Thalseite hinausgetragen, im Laufe der Jahrhunderte eine ähnliche Hügelreihe zu Wege gebracht haben, wie die Kali-Asche vor den Seife producirenden Städten Palästinas. Auf der Südseite des Thals hebt sich von dem Teiche und den Schlackenhügeln das Terrain zwischen dem Kubbet-en-Nebî und dem Rumeidi allmählig gegen die Verbindung dieser beiden Berge hinan und bildet da einen weiten freien Raum, dessen westliche Hälfte von dem muhammedanischen Begräbnissplatze mit einigen weifsgetünchten Welis und vielen gewöhnlichen Grabdenkmälern eingenommen wird, während die östliche, ein lieblicher, im Frühling sogar einigermassen mit Rasen überwachsener Platz, als Lagerstelle für die in Hebron übernachtenden Karawanen dient. An diesem Platze erhebt sich dicht unter dem Felsenhange des Kubbet-en-Nebî das Quarantaine - Gebäude, ein mindestens einen Anflug von Streben nach Zierlichkeit in seiner Anlage verrathendes Häuschen, auf dessen Perron der Pascha uns erwartete.

II.

Empfang des Prinzen im Quarantaine-Gebäude. Aufbruch nach der PatriarchenGrabstätte. Temimitische Mollahs. Geschichliches der zwiefaltigen Höhle. Abrahams Ankauf. Bedeutsamkeit des Felsengrabes für die Auferstehungsidee. Bestattung des gemeinen Mannes bei den alten Juden. Eine Mumie im Patriarchengrabe. Geschichte Hebrons nach der Patriarchenzeit. Chetiter, Juden, Idumäer. Umfassungsmauer, frühe Berichte. Griechische Kirche über der Höhle, dann Moschee, dann Kirche und wieder Moschee.

Es war gegen drei Uhr Nachmittags als der Prinz mit seinem Gefolge abstieg und von dem Pascha, dem Obersten und den sonstigen Spitzen der Verwaltung Palästinas, welche von Jerusalem herübergekommen waren, nach dem Diwanzimmer geleitet wurde. Die feierlichen Begrüfsungen, welche auf dem Perron durch die Streitlust der sich wiehernd gegen einander bäumenden Hengste unterbrochen worden waren, wurden daselbst unter der landesüblichen Bewirthung mit Tschibuk, Kaffee und Limonade mit gebührender Förmlichkeit wieder

Allmählig aber gewann die Unterhaltung einen bestimmteren Character. Der Pascha hatte den Hebronern, um sie wegen der Entweihung des Heiligthums möglichst zu beruhigen, feierlich versprochen, dafs nur der Prinz und der seiner Person attachirte General Bruce nebst einem Dolmetscher dasselbe betreten, der Rest des Gefolges aber ausgeschlossen sein sollte. Diese Beschränkung mifsfiel dem Prinzen, welcher schon in Jerusalem davon in Kenntnifs gesetzt worden war, und in Anbetracht der mit so ausnehmender Vollständigkeit zu seinem Schutze getroffenen Vorkehrungen schien auch kein Grund vorhanden, sie länger aufrecht zu erhalten. Der Pascha, sichtlich erfreut, ein weiteres Zugeständnifs noch vorbehalten zu haben, sagte auf den ersten Antrag ohne Umstände zu, indem er nur auf Ausschliefsung der europäischen Dienerschaft bestand und sich als Gegenconcession ausbedang, den Prinzen nicht mit in die Moschee begleiten zu dürfen letzteres, um sich seinen Religionsgenossen als einen innerlich Grollenden, der nur den Umständen habe weichen müssen, darzustellen, und ersteres, um den unter den Olivenbäumen oberhalb der Freiung versammelten Notabeln, auf ihre Unkunde zählend, doch einige ausgeschlossene Mylords" zeigen zu können.

Nachdem also auch dies geregelt, wurde aufgebrochen und zwar, da die Entfernung nicht grofs, der Weg aber auf dem holprigen Pflaster der Stadt für Pferde schwierig schien, zu Fufse. Unter dem Perron waren Liniensoldaten in zwei langen Reihen aufgestellt, durch welche wir in Begleitung des Obersten und seiner Adjutanten durchzupassiren hatten. Dies Truppenspalier reichte bis an den Teich hinab, woselbst

ein anderes erles enes Corps uns aufnahm und zu unsern beiden Seiten mit uns fort marschirte, während die übrigen Mannschaften in unserem Rücken sich aufrollten und mit Trommelschlag folgten.

Den Teich fanden wir reichlich mit Wasser versehen, aber von dem regen Leben, das ihn sonst, namentlich in den späteren Nachmittagsstunden zu umgeben pflegt, den schöpfenden, waschenden und spielenden Weibern und Mädchen, den badenden Knaben, den ihre Kameele und Pferde tränkenden Beduinen und den sich dieses Anblicks freuenden städtischen Müssiggängern war heute keine Spur zu sehen. Auch die Wohnungen, denen wir uns hier näherten, schienen wie ausgestorben und es war uns beinahe wie eine Beruhigung, aus einer der Fensteröffnungen in dieser unheimlichen Häusermasse ein lebendes Wesen herausblicken zu sehen. Allmählig zeigten sich deren mehrere, sowohl in den Fenstern als auch auf den flachen Dachterrassen, aber es waren keine neugierige Hauseigner, sondern Baschibozuk, mit denen, wie wir bemerkten, der Pascha an den von uns zu passirenden Strafsen sämmtliche Wohnungen polizeilich besetzt hatte. gänge zu diesen Strafsen rechts und links fanden wir durch Soldatenreihen abgesperrt, hinter denen nur solche Zuschauer geduldet wurden, deren einfache Tracht das Verbergen von Waffen nicht gestattete. So war denn wirklich jedes fanatische Attentat von vorn herein unmöglich gemacht worden.

Lautlos und erwartungsvoll durchzogen wir mit unserer Escorte die an den todten Quaderwänden aufgestellten schweigenden Truppenmassen, bis wir an ein stattliches Portal gelangten, welches, am Südwinkel des Heiligthums gelegen, dessen Haupteingang bildet. Wir wurden daselbst von dem Ex-Mufti, seinen beiden Söhnen und einem Verwandten, sämmtlich Temimiten, d. h. aufser von der Fatime, der Tochter Muhammeds, noch von Abû Temâm, einem besonders geachteten Anhänger des Propheten abstammend und wegen dieser Vorfahrenschaft bei den Muhammedanern Palästinas hoch angesehen, ehrerbietig begrüfst, und dann sofort mit dem Worte: tafaddalu, belieben Sie, aufgefordert einzutreten.

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Bevor wir dieser Einladung Folge leisten, dürfte es angemessen sein uns an das Geschichtliche der Localität in möglichster Kürze zu erinnern. Im 23. Capitel des Buches der Genesis wird erzählt, wie „Sara starb in der Hauptstadt, die da heifset Hebron im Lande Kanaan", und wie Abraham kam, dafs er sie klagete und beweinete", wie er alsdann von den Bewohnern der Gegend, den Kindern Chet, ein Erbbegräbnifs verlangte, wie die letzteren ihm bereitwillig zugestanden, seinen Todten in ihren ehrlichsten Gräbern zu begraben“, wie aber Abraham auf der Erwerbung eines eigenen Erbbegräbnisses Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. XIV.

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bestand. und wie zuletzt Ephron, der Sohn Zoars des Chetiters, unter verschiedenen höchst ansprechend dargestellten Förmlichkeiten ihm seine zwiefache Höhle, die er hatte am Ende seines Ackers, sammt diesem Acker um 400 Sekel Silbers verkaufte. „Danach“, heifst es, begrub Abraham Sara, sein Weib, in der Höhle des Ackers, die zwiefach ist, gegen Mamre über, das ist Hebron, im Lande Kanaan".

Es ist diese Stelle nicht allein wegen der darin erzählten Thatsache, sondern aufserdem als Spiegel jüdischer Gebräuche in späteren Zeiten beachtenswerth. Wir haben hier den ersten und ältesten der in der Bibel nicht seltenen Berichte von Bestattungen, und schon finden wir die Sitte der Felsengräber eingeführt, welche sich dann durch das ganze jüdische Alterthum bis in die verhältnifsmässig späte Zeit des N. Testaments hindurchzieht. Offenbar waren dies ursprünglich natürliche Höhlen, wie sie das palästinensische Gebirge, namentlich auf der Gränze zwischen dem Jurakalk und der ihm aufliegenden Kreideformation, häufig darbietet, in die man die Leichen zur Verwesung barg, und denen man, als im Laufe der Zeiten die Bevölkerung sich mehrte, die ausgehauenen Grabkammern nachbildete. Von der Begräbnifsweise der übrigen alten Syrer ist uns in schriftlichen Nachrichten so gut wie nichts aufbewahrt, aber die überall von dem fernen Tadmor bis an die phönicische Küste in der Nähe der alten Ortslagen noch erhaltenen Felsengräber berechtigen uns, diese Bestattungsart als ein uraltes Gemeingut der nordsemitischen Nationen zu betrachten, an welchem auch die gemischten Bevölkerungen SüdKleinasiens und die Aegypter ihren Antheil hatten. Die Idee eines Wohnens der Todten in diesen Räumen gewann bei der frühen Cultur der Aegypter zuerst im Nilthal in den ausgeschmückten Grabgemächern einen Ausdruck, doch war sie den Semiten keineswegs fremd. Die dunkle Felsenhöhle ist das Urbild des Scheol, des traurigen Hades der Bibel, in den die Verstorbenen mit Leid hinunterfahren und in welchem kein Genufs die stille Oede des Daseins unterbricht. Dasselbe Wohnen in der Grabkammer hat auch den ersten Gedanken an eine Auferstehung eingegeben, auf welchen kein seine Todten verbrennendes Volk, ja nicht einmal ein dieselben beerdigendes gekommen sein würde, und eben darauf bezieht sich die Vorstellung von einem „Versammeltwerden zu seinen Vätern oder zu seinem Volk“, ursprünglich von Todten gebraucht, welche in eine schon andere Mitglieder derselben Familie bergende Felsengruft bestattet wurden. Es ist bemerkenswerth, dafs von diesen aus der Urzeit menschlicher Gesittung in Palästina stammenden Vorstellungen sich Anklänge bis auf unsere Tage lebendig erhalten haben. Für den Bewohner Hebrons lebt noch

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