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ist gröfstentheils noch gar zu wild und ungebildet, um die ihm vorgezeichnete Bahn der Entwickelung mit Aussicht auf dauernden Erfolg betreten zu können. So bleiben denn die Satzungen des Grundgesetzes vorläufig meist nur illusorisch.

Die vorhin erwähnte Ersetzung der türkischen Beamten durch Fellahîn hat ihre grofsen Schattenseiten. Es fehlt diesen Egyptern, bei vieler natürlicher Intelligenz, jene Energie, d. h. jene rücksichtslose, soldatische Energie und das Talent zum Befehligen, welche den Osmanen in so hohem Grade eigen und für ein Land, wie Sennâr, wirklich von Nöthen sind. Der Fellâh-Staatsdiener ist milder, nachsichtiger wie der Türke, weifs aber seinem Auftreten, Untergebenen gegenüber, nicht das Gepräge von imponirender Würde zu verleihen, was dem Anderen so zur zweiten Natur geworden. Statt der türkischen Kośâf hat man jetzt farbige Śujûkh, welche im Volke kein genügendes Ansehen besitzen und in ihrer Treue wankend, zweifelhaft sind. Die Verminderung der Truppenzahl auf etwa 4000 Mann (i. J. 1857-1861) hat grofse Uebelstände hervorgerufen. Länder, welche, wie Ost-Sudân, von Halbbarbaren bewohnt und diesen, das Schwert in der Faust, abgezwungen worden, bedürfen zur Sicherung ihrer öffentlichen Ruhe und zur Aufrechterhaltung des Verkehres der bewaffneten Macht in aller Kraft und Strenge. Mohammed-'Ali hatte, nachdem er das durch die ewigen, blutigen Raubzüge der Sêqîeh beunruhigte Nubien in seine Gewalt gebracht, hier bald mit gewohnter Einsicht für Ordnung gesorgt, wiewohl seine unerhört despotischen Mittel dazu nicht gebilligt werden dürfen. Auch war die von ihm in Beled-Sudân unterhaltene Truppenzahl, wie wir bereits gezeigt, gar zu grofs. Dagegen erweist sich die innerhalb der letzten fünf Jahre in Sennâr stationirte Truppenmasse wieder all zu gering. Das Ansehen des cairiner Diwân hat durch diese unweise Reduktion einen empfindlichen Stofs erlitten, das öffentliche Vertrauen ist dadurch geschwächt worden; das Gefühl von Unsicherheit hat allgemein Platz gegriffen, eine Unzahl von kecken Grenzüberfällen und Raubzügen feindlicher Stämme hat den grössten Schrecken verbreitet. Ja, die Türken mussten im Jahre 1861, besonders der Angriffe der Tabi-Schwarzen und der Fung des Sêkh-WoledHamr von Dâr-Qubbah wegen, aus Mangel an hinreichender Truppenmacht ihren schimpflichen Rückzug aus Fezoghlu antreten, aus jener Provinz, deren Unterwerfung Ismâ îl-Basa mit so vieler Kühnheit zu Wege gebracht.

Im Jahre 1862 nun aber hat das türkische Regierungswesen in Sennâr eine neue Aenderung, hoffentlich zum Besseren, erfahren. Bevor ich darüber berichte, mufs ich etwas ausholen. Wie wir wissen, hatte Śêkh E'-Nimr von Dâr-Śendi, nachdem er Ismâ îl-Baśa verrätherischer

Weise umgebracht, das Weite gesucht, er war nach Abyssinien geflüchtet. Hier schlug er im Dörfchen Mâi-Gogwa (Mai-Kaba), am Rande eines sich in den Setît ergiessenden Khôr und am Fußse der Berge von Walqaît, seinen Sitz auf. Er ehelichte einige Mädchen, sammelte nach und nach Abyssinier und Landsleute um sich, besonsonders Ġa alîn, Takârin, Fung, Besarîn und andere Einwohner OstSennâr's, die, unzufrieden mit dem auf ihnen lastenden türkischen Drucke, ihre Heimath verlassen. Desertirte egyptische Soldaten trugen dem Nimr Waffen und Munition zu. Durch den amhârischen Statthalter Konfu unterstützt, unternahm derselbe Angriff auf Angriff gegen Ost-Sennâr, brandschatzte das Niederland um Sufî, die Provinzen Qedâref und Qalabât, ja, er dehnte seine von unzähligen Blutthaten begleiteten Raubzüge bis in die Gebiete von Rosêres und Fezoghlu aus. Rückten die Türken gegen ihn in's Feld, so schlüpfte er in die unzugänglichen Berge östlich von Walqaît und spottete aller Versuche seiner Feinde, ihn zu fangen. Die Türken rächten sich dann höchstens mit Zerstörung einiger, dem Nimr befreundeter Dörfer und mit Plünderung ihrer Habe an Vieh- und Getreidevorräthen. Nach Nimr's Tode trat dessen Sohn, der kühne und ergeizige Woled-Nimr, die Erbschaft seines Vaters an und setzte die stereotypen Ghazwât in noch weit grofsartigerem Mafsstabe, wie jener, fort. Dieser WoledNimr und sein Verbündeter, Śêkh Abu-Rôâs, gewannen noch dazu die Gunst des Negûs Theodoros, welcher in dem Raubgesindel von Mâi-Gogwa ein willkommenes Mittel erblickte, die Macht und das Ansehen der Türken in Ost - Sennâr durch unaufhörliche Vexationen zu untergraben. Theodoros spekulirt nämlich schon seit lange auf den Besitz von ganz Sennâr. Er behauptet, dies sei ein Erbe früherer abyssinischer Könige, was freilich eine grossartige Lüge. Anfangs hat man in Kharțûm die Gefahr, welche dem Suḍân von Abyssinien her droht, unterschätzt und geglaubt, der Negûs habe genug bei sich zu thun und denke daher nicht ernstlich an einen Angriff auf Sennâr. Da war aber denn Hannibal ante portas, ehe man sich dessen versah.

Woled-Nimr hatte im Jahre 1860 wieder einen neuen Raubzug unternommen. Er gerirte sich jetzt völlig offen als amhârischer Dajaz-Matsch oder Provinzialgouverneur und schrieb in Qedâref, der „abyssinischen" Provinz, ganz ohne Weiteres Steuern aus. Abu-Rôâś operirte in diesem Jahre mehr für sich und beging an den unglücklichen Bewohnern der Ost-Grenzen von Sennâr die niederträchtigsten Brutalitäten und zwar gleichfalls im Namen des „Sulțân von Ḥabes“. Wir waren Zeugen des Schreckens und der Verwirrung, welche damals durch diese Ghazwât in Ost-Sudân hervorgerufen wurden. Hasan

Bey, Muḍîr von Kharțûm, rückte endlich gegen Abu-Rôâs in's Feld, lockte ihn in eine Ebene und rieb seine Banden nach zweistündigem Gemetzel auf. Die Gefangenen liefs Hasan-Bey sogleich abschlachten. Abu-Rôâs trieb sich nach diesem Vorfall noch einige Monat unstät umher und wurde zu Beginn des Jahres 1861 von den ḤamrânBeduinen erschlagen. Die Türken liefsen ein kleines BeobachtungsKorps in der Gegend von Mâi - Gogwa zurück, welches den WoledNimr scharf im Auge behielt und ihm die Lust verleidėte, aus seinen Felsenmassen hervorzubrechen. Anfangs 1862 ist es den Türken wieder einmal gelungen, Mâi-Gogwa, von ihnen gewönlich Hellet-WoledNimr genannt, zu erstürmen und der Erde gleich zu machen. Der Sohn des Panthers" ist darauf nach Walqaît entschlüpft und hat sich dem Theodoros gänzlich in die Arme geworfen.

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Dieser nun, welcher indessen mehrere rebellische Statthalter und die Gâlâ zur Ruhe gebracht, trat mit dem Plane eines Angriffes auf das ihm rechtlich zukommende" Sennâr im Jahre 1861 vollständig hervor. Er reizte zunächst die ost-sennârischen Beduinen auf, unter dem Versprechen, ihnen, im Fall eines Bündnisses mit den Abyssiniern, zehnjährige Abgabenfreiheit zu sichern, auch säete er an den Südostgrenzen Unruhe und suchte durch offene und geheime Unterstützung räuberischer Grenzstämme die Türken zu beschäftigen und ihre Macht zu zersplittern. Ein grofses Heer, man sprach von 30-40,000 Mann, dabei viele Reiterei und mehrere Geschütze, sammelte sich zu Anfang 1862 in Walqaît, Ermetschôho und Tschelgâ. Der Negûs liefs mit abyssinischer Aufgeblähtheit dem Śêkh von Abu-Ḥarâs sagen, er „solle ihm sein Zelt bereiten", d. h. Alles zu seiner Aufnahme in Stand

setzen.

Nunmehr nahm man in Cairo Einsicht, dafs schnelles und kräftiges Einschreiten dringend geboten sei, wollte man sich die Abyssinier nicht über den Kopf wachsen lassen. Die Hakmdârîeh wurde wieder hergestellt und Musâ - Bey, den wir bereits kennen gelernt (S. 162), mit dem Range eines Divisionsgenerals -- Ferîq-Basa, zum Generalgouverneur ernannt. Dadurch beugte man schon den elenden Eifersüchteleien der Mudîre der einzelnen Provinzen vor, die sich in Zeiten der Noth gegenseitig niemals unterstützten, wie ihnen doch insinuirt worden, sondern sich nur der Verlegenheiten des einen oder andern von ihnen erfreuten. In Musâ-Baśa aber gewann man einen erprobten Kriegsmann und einen tüchtigen Kenner des Landes. Dieser neue Ḥakmdâr, welcher sich im Beginne des Sommers 1862 nach seinem Bestimmungsorte Khartûm gewandt, erhielt umfassende Vollmachten. Das Heer sollte von ihm wieder auf passende Stärke gebracht, die aufgegebene Provinz Fezoghlu sollte wieder besetzt und, falls der

Negûs bei seinem herausfordernden Wesen beharrte, der Feldzug gegen die abyssinischen Westprovinzen ohne Verzug eröffnet werden. Ein General, Ismâ'îl-Baśa, wurde zugleich mit 10,000 Mann stromaufwärts gesandt. Die Śêqîeh-Schwadronen sind durch neue Aushebungen completirt, die Basî-Bozûq sämmtlich auf Dromedaren beritten gemacht worden. Zwei Batterien sind nach Khartûm geschafft. Man schreibt mir vom 20. Januar 1863, dafs in Sennâr Alles, was irgend dienstfähig gewesen, in's Heer eingereiht worden und dafs Musâ-Basa bereits seit dem Herbste d. J. 1862 zugleich gegen Dâr-Berțâ bis Beni-Sonqôlo und gegen West - Abyssinien operire. In Folge einiger kleiner, vom Ḥakmdâr erfochtener Siege sei das Vertrauen schnell gehoben worden und gingen in Folge dessen die Geschäfte in Khartûm sehr gut.

Möglich, dafs die Türken, wenn ihr Feldzug im Süden von Erfolg gekrönt wird, auch einen neuen Versuch zur Unterwerfung Dâr-Taklah's (S. 36) machen werden, schon, um dort eine alte Scharte, nämlich die Vernichtung eines ihrer Korps unter 'Othmân-Bey-el-Aswad, auszumerzen. Hoffentlich werden sie jedenfalls Sennâr vor einer Okkupation durch die amhârischen Christen bewahren. Unter türkischem Regimente bleibt für dieses Land wenigstens einiger Fortschritt zum Bessern möglich, unter den Abyssiniern jedoch nur gänzlicher Verfall. Darüber darf keine Täuschung obwalten ').

1) Leider haben neuere Reisende, wohl aus unüberlegter Sympathie für das gänzlich verrottete abyssinische Christenthum, dem Negûs Theodoros Erfolge über die Mohammedaner in Sudân gewünscht. So wenig wir auch Gelegenheit gefunden, uns der Regierungserfolge der Türken in Sennâr zu erfreuen, so haben wir dennoch die Ueberzeugung gewinnen müssen, dafs dies Volk immerhin ungleich besser zur Beherrschung der Nilländer geeignet sei, als die abyssinischen, leider christlichen! Halbwilden. Negûs Theodoros ist unstreitig ein Mann von Talent und Energie, trotzdem aber doch ein roher Barbar. Die Zustände Abyssiniens nun sind derzeit so unsäglich traurig, dafs von den amhârischen Autochthonen civilisatorische Erfolge vorläufig wenig oder gar nichts zu erwarten stehen. In Khartûm besuchte uns ein Bruder des Abuna Abâ-Salâmah, des abyssinischen Kirchenoberhauptes, der eben von Gondar gekommen. Dieser, Kopte und Christ, entwarf mit beredter Zunge ein grofses Schaudergemälde der abyssinischen Zustände. Er schätze sich glücklich, sagte er, dafs er sich wieder in türkischem Lande, unter einer einigermafsen geordneten Regierung befände, welche Person und Eigenthum zu schützen wisse, in Habeś sehe man nur Rohheit, blutige Zerstörungssucht, Verrath, Mord und Raub ohne Gleichen. Der Negûs könne bei allem eisernen Willen, trotz des gewaltthätigsten und grausamsten Verfahrens, mit einem Volke nicht fertig werden, welches so sehr tief, viel tiefer als die rohesten Schwarzen des Sennar, stehe

u. s. w.

6. Industrie, Handel.

Die Industrie der Bewohner Sennârs befindet sich noch auf einer sehr tiefen Stufe. Man spinnt Baumwolle und verfertigt daraus auf einem sehr primitiven Webstuhle grobe Ferdât, man verfertigt zierliche Lederarbeiten, als Sättel und Zäume für Pferde und Kameele, Dolch- und Schwertscheiden, Sandalen u. s. w., man flechtet buntverzierte Matten, Deckel für Kürbisschalen und Brodteller aus DômPalmblättern, Stroh und buntem Leder, schmiedet rohe Eisenwaffen und das elende Geräth, welches zugleich als Holzaxt und Pflugschaar dient, formt einige rohe Thonkrüge und drechselt die Fufsgestelle der Betten das ist aber auch so ziemlich Alles, was hier producirt wird. Der energische und geniale Hakmdâr Ahmed - Basa-el-Ġerkesî hatte zu Kamlîn eine Zuckersiederei, Branntweinfabrik und Seifensiederei errichten und dieselben von einem Würtemberger, Namens Baur, betreiben lassen, allein dies Etablissements liegt bereits seit Jahrzehnten wieder in Trümmern. Neue industrielle Unternehmungen sind seitdem von der Provinzialregierung nicht versucht worden. Sennar hat bis jetzt kaum einen einzigen Industriegegenstand, welcher sich zur Ausfuhr eignet, aber es ist sehr reich an Rohprodukten, welche bei besserer Pflege der landesökonomischen Interessen von hoher Bedeutung werden könnten. Schon jetzt ist der Handel im Hauptemporium Kharţûm recht lebhaft und wird es noch weit mehr werden, wenn dem verruchten Treiben der Menschenhändler erst Einhalt gethan und wenn die Verkehrswege erweitert und geebnet sein werden. Die Produkte aus Hoch-Sennâr werden jetzt theils zu Wasser, theils auf dem Rücken von Kameelen, in Rosêres und Fezoghlu, am Ra'ad und Dindir auch auf Ochsen, nach Kharțûm und von dort über Dabbeh Urdu (Donqolah), Abu-Hammed Qorosqo, Berber Suwês nach Cairo geschafft. Auf dem blauen Nile sind nur ganz rohe Fahrzeuge ohne Deckkajüte, sogenannte Kajâçen im Gebrauch. Diese werden zu Rosêres, Kârkûś, Sennâr, Abu-Harâs und an der Mangerah (nordwärts Turah) am weifsen Nile, aus dem röthlichen festen Sant-Holze in geringer Zahl gezimmert und mit Lumpen (ohne Pech) kalfatert.

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Çawâkim

کیاص

oder Qangeh's

قنجة

Haupt-Handelsplätze in Sennâr sind: Kharțûm, Mesalamîeh, Woled-Medîneh, Abu-Ḥarâs, Sennâr, Kûrkûś, Rosêres, Famakâ, BeniSonqôlo, Fadâçî, Hellet - Idris, Meṭammeh (Qalabât), Sufî (Dôkâ), Deberkî und Hellet-Abu-Sinn (Qedâref).

Gangbare Strafsen führen: eine von Kharțûm über Mesala

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