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IV.

Tanis und Avaris.

Eine geographisch-historische Controverse

nebst einer Notiz über das Vorkommen der Ebräer in den altägyptischen Urkunden.

Von Dr. Brugsch.
(Schlufs.)

Beinahe gleichzeitig mit der Publication des ersten Theiles meines Aufsatzes (vergl. Bd. XII. S. 385) in dieser Zeitschrift erschien im Maihefte der Revue archéologique 1862 ein zweites Schreiben des Herrn Mariette an den Vicomte de Rougé über die weiteren Resultate, welche die fortgesetzten Nachgrabungen auf dem Boden von TanisAvaris ergeben hatten. Sie bestätigen nicht nur aufs Neue, was nach den gelieferten Bemerkungen und Auseinandersetzungen kaum mehr zu bezweifeln war, sondern ergänzen auch zum Theil, was in dem früheren Aufsatze als desideratum bezeichnet war.

Unter den in der Ruinenstätte von Tanis neuerdings aufgefundenen zahlreichen (nombreux) Denkmälern, welche meistentheils mit Inschriften versehen sind, von denen leider! nach der unglücklichen Gewohnheit meines verehrten Freundes, der Wissenschaft keine einzige bis jetzt zugänglich gemacht worden ist (und wie wichtig würden Publicationen allein schon für das Gebiet der altägyptischen Mythologie und Geographie sein!), führt Herr Mariette fünf Einzel-Colosse und als sechstes Monument eine Doppel-Gruppe auf, die er der Reihe nach in historischer Beziehung würdigt (vergl. S. 297 ff. der Revue). Es sind dies nämlich:

1) Ein Colofs von Rosengranit, welcher den Gründer der zwölften Dynastie, König Amenemha I., darstellt. Der Pharao, das Haupt bedeckt mit der bekannten Osiris - Krone, thront auf einem ägyptischen Königssessel.

Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. XIV.

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2) Ein Colofs Sesurtesen's I., von Rosengranit, wie der vorhergehende, ein Sitzbild in der Weise, wie Osiris von den ägyptischen Künstlern dargestellt zu werden pflegt. Ce monolithe, belehrt uns Herr Mariette, est taillé dans le style nerveux de l'époque. Les basreliefs qui ornent le siége, sont des chefs-d'oeuvre que la gravure des meilleurs temps n'a pas égalés. La tête est un portrait, et rappelle le même Osertasen que j'ai découvert à Abydos: yeux grands, nez rond et court, bouche épaisse et souriante.

Ich bemerke hierzu, dass wir es in diesem neu aufgefundenen Kolofs Sesurtesen's I. offenbar mit einem Pendant jenes im Kgl. ägyptischen Museum zu Berlin befindlichen und von mir S. 400 dieser Zeitschrift beschriebenen Kolosses Sesurtesen's I. aus Tanis zu thun haben. Beide, das Berliner Bruchstück und der neu aufgefundene Monolith, der letztere wenigstens nach Herrn Mariette's Beschreibungen, zeichnen sich durch eine Vollkommenheit der Bearbeitung und Vollendung des ägyptischen Sculpturstyles aus, der in jenen zurückgelegenen Zeiträumen geschichtlicher Erinnerung bereits die Merkmale einer aus einem älteren Styl (ich möchte ihn den altmemphitischen nennen) hervorgegangenen Kunst- Epoche bildet, deren Proben heut zu Tage zu den geschätztesten und gesuchtesten Stücken jeder Sammlung ägyptischer Alterthümer gerechnet werden.

Die beiden folgenden Denkmäler, gleichfalls Sitzbilder aus Rosengranit, gehören der folgenden Dynastie, der dreizehnten nach manethonischer Zählung, an. Sie beweisen, wenn es überhaupt noch der Beweise dafür bedurfte, dass die Hyksos nimmer in Unterägypten eingefallen sein konnten, als die ägyptischen Könige, welche die beiden Kolosse ihrer eigenen Person zu Ehren errichten liefsen, das obere und das untere Land mit ihrem Scepter beherrschten.

Der erste Kolofs, der dritte in dieser Aufzählung, stellt denjenigen der Sebek-hotp geheifsenen Könige dar, welcher nach Mariettescher Schreibung den offiziellen Namen Ra-scha-nefer (R'a-ch'anefer) in den hieroglyphischen Inschriften führt. Herr Mariette zählt ihn als den dritten dieses Familiennamens auf und folgt hierin der Angabe in dem Königsbuche des Professor Lepsius. Nach den Denkmälern, und zwar mit besonderer Berücksichtigung der wichtigen Fragmente des Turiner Königs-Papyrus, ist es jedoch mindestens der sechste Herrscher dieses Namens. Es ist derselbe, dessen Kolofs sich auf der Insel Argo, tief in Aethiopien, vorfindet.

Der zweite Kolofs (der vierte meiner Zählung), ein Sitzbild mit dem Abzeichen des Osiris, nennt wiederum einen Sebek-hotp als Urheber. Des Königs offizieller Name lautet jedoch R'a-ch'a-cheper und unterscheidet ihn von den übrigen pomonymen Sebek-hotp's. Herr

Mariette hat Recht, wenn er ihn als neu entdeckten König der 13. Dynastie den übrigen Sebek-hotp's anreiht, jedoch dürfte ihm dann als gezählter Sebek-hotp nicht die Zahl VI., nach dem Vorgange Mariette's, sondern nothwendigerweise VII. beigeschrieben werden.

Das fünfte Hauptdenkmal, welches die neuen Ausgrabungen in Tanis zu Tage gefördert haben, ist gleichfalls ein Kolofs, von grauem Granit, der dem Styl, der Ausführung und den Dimensionen, ja selbst dem Material noch so bemerkt Mariette ausdrücklich denselselben Zeiten angehört wie die schon früher besprochene (s. oben S. 395) Statue mit dem offiziellen Königs-Namen R'a-smench-kå. Ich hatte am angeführten Orte bemerkt, dass ich die Ansicht von Lepsius vollkommen theilen müsste, welcher in diesem Schilde den offiziellen Namen eines der Könige des 21. tanitischen Königshauses erkennt, dessen Familienname uns bis jetzt verborgen geblieben ist, nicht aber, wie Mariette annimmt, den eines noch unbekannten Königs aus den Zeiten unmittelbar nach der 12. Dynastie. Der neue Kolofs setzt uns in den Stand, die oben angedeutete Lücke auf das Beste auszufüllen. Während nämlich auf der Schulter des steinernen Bildes die vollständigen Hauptnamen des Hyksos- Königs Apophis („der gute Gott R'a-'aå-het-tåti, Sohn der Sonne Apopa") gelesen werden lautet diesmal der Familienname sonderbarer Weise mer-menfiu 1), wörtlich so viel als Heerführer, General, bedeutend. Vertrat in diesem Falle dieser von den Inschriften her sonst wohlbekannte Titel die Stelle eines königlichen Familiennamens, oder lautete so nur zufälliger Weise der Familienname? Herrn Mariette ist diese Frage nicht entgangen. In Erwartung einer späteren Auflösung des so eigenthümlichen Factums meint er: en attendant, je ferai remarquer que le nom de Mer-meschou (nämlich Mer-menfiu) semble révéler certaine conspiration militaire et des troubles qui, vers la fin de la quatorzième dynastie, auront pu rendre plus facile la conquête de l'Egypte par les Pasteurs. Herr Mariette trat der monumentalen Lösung dieses Räthsels in seiner angeführten Bemerkung näher als er es selber vielleicht geahndet hat. Würde er nämlich einen einzigen Blick auf ein Hauptfragment (No. 78) des turiner Königs Papyrus geworfen haben, so hätte er auf demselben 2) mitten in der Umgebung der Se

1) So lese ich mit Vicomte de Rougé das letzte Zeichen, einen Krieger mit Pfeil und Bogen darstellend, nach der gewöhnlichen phonetischen Schreibung desselben, anstatt Mariette zu folgen, welcher dafür die seltnere Aussprache mesch'a vorschlägt.

2) Publicirt von Neuem in dem Königsbuche von Lepsius Taf. XVI. Auf Taf. XVII, welche die Umschreibung der hieratischen Texte der turiner Fragmente enthält, hat der gelehrte Herausgeber unter No. 260 nur das schliefsende kå hieroglyphisch umschrieben, dagegen aus mir unbekannten Gründen von der hiero

...

bek-hotp der 13. Dynastie einen König erkannt (den ersten der Reihe), dessen zerstörter officieller Name mit .... kå schlofs, hinter welchem sich jedoch derselbe Titel „Heerführer" befindet, der auf dem Kolofs von Tanis von einem Königsschilde umgeben ist. Sicher also gehörte der turiner Name dem gleichen König an, welchen der Kolofs nennt und darstellt und wir haben es folglich mit einem Heerführer zu thun, der durch irgend welche politische Begebenheit, die nicht unklar den trüben Hintergrund wirrer Zustände durchschimmern läfst, sich auf den ägyptischen Königsthron emporgeschwungen hat.

Das wichtigste Ergebniss, zu welchem das Studium der Inschriften dieses Kolosses zunächst Veranlassung giebt, ist jedenfalls dies, dafs wir dem Scharfsinn Mariette's Gerechtigkeit widerfahren lassen müssen, und, einem so redenden Zeugnisse gegenüber, die Meinung des Prof. Lepsius aufgeben, im Ra'-s mench-kå den offiziellen Namen eines tanitischen Königs der 21. Dynastie zu erkennen. Würde nicht der turiner Kanon durch die so auffallende Zuthat „Heerführer“ hinter dem mit ... kå auslautenden, in seinem Anfang jedoch zerstörten Namen eines der Könige der 13. Dynastie den Zusammenhang mit dem unseres in Rede stehenden Kolosses nachweisen, so würden wir ohne Bedenken in dem mer-menfiu oder, mit abgefallenem Schluss-r wie so häufig im Aegyptischen (man vergleiche vor allen mer-Amun mit der griechischen Transscription Mi-amun) me-menfiu den 4. König der 21. tanitischen Dynastie Amenôphthis der manethonischen Listen wiederzuerkennen keinen Augenblick gezögert haben.

Das wichtigste, obgleich namenlose Denkmal, bleibt am Schlusse der Aufzählung jedenfalls die von Mariette aufgefundene Gruppe zweier stehender Personen, in Lebensgröfse, aus schönem grauen Granit, deren Abbildung nach der Zeichnung Mariette's in der Revue pl. VI et VII publicirt worden ist. Auf den ersten Blick fällt die Verwandtschaft dieser Gruppe mit den oben beschriebenen Sphinx-Gestalten der Hyksos- Epoche in die Augen. Trotz der ägyptischen Bekleidung und mancher an Aegypten erinnernden Eigenthümlichkeit bleibt der asiatische Ursprung unverkennbar und man liest aus dem Stein die Absicht des Bildhauers heraus, einen in Aegypten heimisch gewordenen Asiaten darzustellen. Die Physiognomie des Gesichtes, stark ausgeprägt durch markirte Züge, hat nichts ägyptisches, sie wiederholt den Typus der vier Sphinx-Antlitze. Die Haare fallen sträh

glyphischen Umschreibung mer-menfiu Abstand genommen. In meiner Histoire d'Egypte Pl. VII ist die Gruppe so umschrieben, wie sie der hieroglyphische Text des von Mariette entdeckten Kolosses giebt, ohne dafs ich hätte vermuthen können, dafs jemals eine so merkwürdige Bestätigung in der Zukunft erfolgen würde.

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