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In Maran lernte Br. die ersten Scopsis kennen, jene eigenthümliche Secte, die, sobald sie einen Leibeserben erhalten haben, sich ihres männlichen Gliedes bis zur Wurzel berauben und so in steter Unität der Familienglieder weiter leben. Die Russische Regierung ist gegen diese Secte äusserst streng, hat es aber noch nicht einmal dahin gebracht, die Anzahl derselben zu vermindern. Sie sind ein nüchternes, sparsames Volk, das mit grofser Umsicht nach Gelderwerb und Besitz strebt, aber vermöge ihres freiwilligen Eunuchenthum blasse, schwammige, aufgedunsene Gesellen.

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Die Jahreszeit war zur Landreise durch den Kaukasus äusserst ungünstig bei aller Anstrengung der Pferde liefsen sich täglich höchstens 50-60 Werst zurücklegen. Dabei hatten die Reisenden wegen ihres Courierpasses noch keinen Aufenthalt im Wechsel der Pferde etc., die solchen Reisenden mit Hintansetzung aller übrigen geliefert werden müssen. Dabei war die Kälte im März wahrhaft grimmig die Wege oft wechselnd zwischen Steingeröll und tiefem Schlamm dann ab und zu Flüsse zu passiren, deren Brücken abgerissen waren. Nach einer so furchtbar anstrengenden Tour gelangten die Reisenden Mitte März nach Tiflis.

Von Tiflis erwartete unser Erzähler viel. Der lustige Perser Mirza Schaffy, durch Bodenstedt ein so bekannter, beliebter Name, die schönen Grusierinnen mit der fliegenden Tschadra, der rothe Kachetiner und die grofsen, silbernen Trinkhörner der Georgier, die luftigen Häuser von Tiflis mit ihren grünen Dächern und Balconen an der brausenden Kura schwebten seinen Erwartungen vor und was fand er? Lassen wir ihn selbst sprechen!

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Welch ein ekelhafter, widriger Anblick! Constantinopel mit allem Schmutz schien mir ein mit Sand bestreuter Parquetboden zu sein. Die ganze Strasse war ein ellentiefer, wässriger Koth. Den Pferden und dem Rindvieh ging der Schlamm bis über den Bauch weg, die Leute in den niedrigen Droschken mussten die Beine hochheben, um sich vor dem Andrange der Alles bespritzenden Masse zu schützen, über den Damm vermochte Niemand bei Lebensgefahr hinwegzukommen." Dasselbe Urtheil fällt Alexander Dumas in seinem „Caucase.“

Im Hôtel du Caucase fand die Gesandtschaft Quartier. Ihr ward bei dem Statthalter des Kaukasus, dem Fürsten Bariatinsky, die zuvorkommendste Aufnahme, von dessen wahrhaft fürstlichem Wesen Br. eine beredte Schilderung giebt. Auch das Theater wurde besucht ein nach den Angaben des Fürsten Gagarin, seines Erbauers, der Alhambra nachgebildeter Bau. Tiflis hat für den grofsen Weltverkehr eine ungemein günstige Lage. Neben der eingebornen, in Sprache und Stammverwandtschaft vielfach verzweigten Bevölkerung treffen hier die

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Söhne des äussersten Nordens mit den sonnengebräunten Klein- und Grofsasiaten zusammen und bilden hier ein belehrendes, unterhaltendes ethnographisches Mosaik" sagt Br. über den Eindruck der hier zusammentreffenden Völkerschaften. Die Hauptmasse der Bevölkerung gehört den Georgiern oder Grusiern an, einem weltbekannt schönen, tapfern Menschenschlage. Auch die Armenier steuern einen sehr beträchtlichen Theil zur Bevölkerung von Tiflis bei. Sie sind meist Kaufleute, aber auch vielfach Beamte im Dienst der russischen Regierung. Sie sind ungemein ehrgeizig. Br. giebt an, dafs ein Armenier ungeheure Summen für die Erlaubnifs opferte, russische Generalshosen tragen zu dürfen. Die Tartaren stehen meist in niederen Dienstverhältnissen. Türkische Trachten sind nicht selten. Sehr häufig begegnet man, Persern, deren jährlich etwa 10,000 aus Persien nach Tiflis wandern, um hier besonders als Maurer zu arbeiten. Ein persischer GeneralConsul, damals Mirza - Abdul-Rahim - Khan ist in Tiflis eingesetzt, um die Interessen der Unterthanen des Schahynschah wahrzunehmen. Der den Persern innewohnende Hochmuthsteufel verleitet sie auch hier oft zu den unbesonnensten Handlungen, so dafs die russische Regierung jährlich etwa 100 nach Sibirien verschwinden läfst. Auch Juden sind vielfach vorhanden, werden jedoch im Grofshandel durch die Armenier überflügelt. An der Spitze der europäischen Bevölkerung stehen die Russen, deren vortreffliche kaukasische Armee hier so grofse Erfolge gewonnen hat und vom Verfasser eingehend geschildert wird. Nach den Russen nehmen die in Tiflis lebenden Franzosen, etwa 300 bis 400, die nächste Stelle ein. Auch Deutsche sind vielfach hier; der Verfasser warnt dringend vor den Verführungen deutscher Arbeiter durch Menschen-Commissionäre. Dagegen erfreuen sich die aus religiösen Rücksichten ausgewanderten Würtemberger Colonien im Kaukasus mit ihrer eignen, abgeschlossenen Verwaltung eines grofsen Wohlstandes. Engländer sind verschwindend wenig da wegen nationaler Antipathie. Die Gesammtzahl der Einwohner von Tiflis beträgt etwa 100,000 Seelen; es werden 70 verschiedene Sprachen gesprochen, von den europäischen besonders viel französisch.

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Eine Wanderung durch Tiflis bei trocknem Wetter stimmt heiter und fröhlich, man empfindet unter dem Schutz des russischen Doppeladlers das Gefühl wohlthuender Sicherheit, nicht jene unheimliche Beklemmung, welche den Fremdling bei Spaziergängen durch morgenländische Städte beschleicht, wo die Muselmanen düstre Blicke voll Hafs und Verachtung wie Pfeile auf den Frengi abschiefsen, der es, wenn auch in Cavassen Begleitung, wagt, in das labyrinthische Wirrsal ihrer Strafsen und Gassen einzudringen."

Im Handel vertreten die europäischen Kaufleute, zu denen sich

gern der stolze Armenier gesellt, den Grofshandel mit europäischen Produkten und Industriewaaren, die Asiaten den kleinen, fleissigen Arbeiterstand. Besonders Waffen werden in Tiflis vorzüglich schön gearbeitet, auch Silber-Filigran-Arbeit. Tiflis liegt an der Kura, einem wilden Bergstrom, dem sich kein Schiff anvertrauen kann. Auf dem linken Ufer liegen die Vorstädte, von denen die zu beiden Seiten sich lang ausdehnende Vorstadt Marienfeld, eine würtembergische Colonie, die interessanteste ist. Hier ist süddeutsches Haus- und Hofwesen unverfälscht erhalten, deutsche Namen, altfränkische Moden. Die Colonie soll 120 Familienväter zählen, die alle Lutheraner sind. Die Festtage sind nach dem russischen, 12 Tage abweichenden Kalender geregelt. Die Verwaltung der Colonie ist ganz in sich abgeschlossen, an ihrer Spitze steht ein Rath aus den ältesten und würdigsten Familienvätern. Die Colonie befindet sich in vorzüglichem Wohlstande.

Von Mirza - Schaffy wufste in Tiflis Niemand etwas, nur ein Deutscher, der Apotheker Schmidt, hatte eine schwache Vorstellung von einem armen Tartaren, der Bodenstedt im Tartarischen unterrichtet hatte. Man kannte seinen Ruhm hier nur durch seinen Schüler Bodenstedt.

Am 31. März verliefs die Gesandtschaft Tiflis der Weg führte über öde, eintönige Steppen, dann über das Gebirge Bombak am Gotschkasee mit einer sehr schönen Aussicht vorüber. Die Dörfer in dieser Gegend waren von einer eigenthümlichen, religiösen Secte, den Malakanen oder Milchessern bewohnt. Unterwegs hatte die Gesandtschaft Gelegenheit, neben erstaunlichen Leistungen in der Reitgeschicklichkeit der donischen Kosacken ein höchst eigenthümliches Schauspiel zu sehen einen Wettkampf zwischen fettschwänzigen Widdern, sehr kräftigen und streitbaren Thieren. Endlich sahen sie den durch seine imposante Erscheinung mächtig wirkenden Ararat mit seinen drei Spitzen, auf denen der Sage nach die Arche Noahs geruht haben soll, vor sich. Dem Ararat nahe schlängelte sich der gewundene Araxes durch die Ebene in der Mitte derselben Eriwan, in der Ferne Etschmiadzin, das armenische Rom. In Eriwan nahm der General Kolubakin die Gesandtschaft auf Gasthäuser giebt es dort nicht. Besonders interessant war der Besuch in Etschmiadzin. Die Kirche des heiligen Gregorius von Nazianz hier wird als geschmacklos überladen geschildert. Dem Andenken dieses apostolischen Schutzpatrons, welcher den Beinamen des Erleuchters führt, ist ein Tabernakel gewidmet, das sich ziemlich in der Mitte der Kirche befindet. Es bezeichnet die Stelle, wo Christus niedergestiegen und dem heiligen Mann erschienen sein soll. Daher wohl der Name Etschmiadzin, der so viel heifst als: er ist herabgestiegen. Hier werden sehr hohe Reliquien aufbewahrt, die nur einmal im Jahre während eines feierlichen Gottesdienstes den zahl

reichen Pilgern gezeigt werden mit unserer Gesandtschaft wurde eine Ausnahme gemacht. Diese Reliquien waren ein Stück von der Arche Noah, die Passionslanzenspitze, ein vom Evangelisten Johannes geschnitztes hölzernes Kreuz, die Hand St. Gregorii und die Hand Jacobs von Nisibe. Von dem Katholikos selbst wurde die Gesandtschaft mit jener unvergesslichen Würde, welche den orientalischen Kirchenfürsten angeboren zu sein scheint, gemischt mit einer sofort einnehmenden Freundlichkeit" empfangen.

Die Geistlichkeit von Etschmiadzin steht mit den sonstigen stumpfsinnigen, mönchischen Einsiedlern der christlichen Kirche des Morgenlandes keineswegs auf einer Stufe. Die Armenier bekunden eine gewisse geistige Regsamkeit für die kirchliche und weltliche Literatur und ein eingehendes Studium für das Schriftverständnifs der altarmenischen Handschriften. Es hat daher Etschmiadzin eine gelehrte Schule aufzuweisen, deren Bemühungen das Erscheinen manches durch den Druck allgemein verbreiteten Buches zu danken ist. Die Buchdruckerei von Etschmiadzin versorgt die armenische Christenheit in Asien, die über einen grofsen Theil des Continents zerstreut ist, mit den nöthigen literarischen Hülfsmitteln für Schule und Haus.

Am 4. April verliefs die Gesandtschaft Eriwan auf dem Wege von Kingerli-Tartaren, gewandten Reitern und Pferdezüchtern, die eine Art Landesmiliz bilden, begleitet. Diese Gegend erzeugt überhaupt sehr schöne, kräftige Pferde im Osten von ihr, zwischen den Flüssen Aras und Kur liegt die bergige Landschaft Karabagh (Schwarzgarten), besonders bei den Russen durch ihre schönen Pferde berühmt.

Die Gebirgsformen zur linken Seite des Weges (also im Osten) traten immer mehr hervor: wildes, ödes, zerklüftetes Gestein, ohne eine Spur von Vegetation, von dunkelbrauner Färbung, durch und durch vulkanischen Ursprungs. Auf der öden Hochfläche begegneten die Reisenden zum ersten Male Kurden, die mit Weibern, Kindern und Pferden ihr Sommerlager aufsuchten. Alles war beritten, die Weiber zu Pferde trugen die kleineren Kinder auf den Armen, eine Anzahl der Pferde war mit den braunen Filzzelten der Nomaden bepackt. Die Wohnsitze dieser Kurden sind bezeichnet, wenn man sich eine Linie gezogen denkt vom Ararat nach dem persischen Meerbusen hin; sie wohnen auf der gröfseren nördlichen Hälfte derselben, während den südlichen Theil derselben die Zelte und Wohnstätten der räuberischen Bakhtiaren einnehmen. Politisch sind die Kurden auf den Gebieten des persischen und türkischen Reiches sefshaft, während nur ein sehr kleiner Theil derselben im russischen Armenien in der Nähe des Ararat wohnt. Ihr Hauptreichthum besteht in Pferden, ihre Hauptbeschäftigung im Plündern und Rauben, besonders gegen die KarawaZeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. XIV.

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nen, die sich daher förmlich loskaufen müssen. Sie sind in Stämme getheilt, ihre Religion, mit vielen fremden Elementen vermischt, ist die mohammedanische. Die Sprache gehört zum medopersischen Zweige des indogermanischen Sprachstamms.

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Der Weg führte weiterhin durch verrufene Räubernester. Vom Südabfall des Ararat dehnten sich vor den Reisenden niedere Höhenzüge aus mit alten Höhlen, in denen man die Spuren der Zeitgenossen der alten Assyrer in neuster Zeit entdeckt hat. Die rothe Bergmasse des Atschdechan, vulkanisches Gestein in wunderbaren Formen, stieg rechts in die Höhe. Im Beschnaraschen hatte die Gesandtschaft bei Halil-Bey, einem ehemaligen Perser, das Absteigequartier, es war dies das erste Istakbal. Das Gastmahl wurde hier zum ersten Male in ächt persischer Weise eingenommen. Es bestand aus Pilau (dem mit Fett und sonstigen Ingredienzien zubereiteten Reis), Tschilau (dem nur mit Wasser gekochten Reis), Kebab (auf eisernen Spiefsen gebratenem, stark gepfefferten Hammelfleisch), Honig, Ziegenkäse, Butter, Zwiebeln und langem Fladenbrod, das als Servietten diente. Die russische Regierung hat es mit grofsem Geschick verstanden, die Häuptlinge des ehemaligen persischen Landes für sich zu gewinnen. Man giebt ihnen Orden und Offizierspatente, beruft sie nach Petersburg und öffnet ihnen die Pforten des kaiserlichen Palastes und der hohen Aristokratie. Die Mohammedaner kommen dann als die gröfsten Russenfreunde zurück, denen es nicht darauf ankommt, gegen ihre eignen Glaubensgenossen ins Feld zu ziehen.

In Kiwrách trafen die Reisenden in der Person des dortigen Polizeimeister, Oberst Quartano, einen sehr gebildeten Mann, der ihnen viele schätzbare Mittheilungen machte. Von ihm erfuhren sie von der Existenz einer Höhle im Gebiet des Khans von Maku, aus der viele antiquarische Merkwürdigkeiten zu Tage gefördert waren.

Armenien, in den Siegesinschriften der Pharaonen Rumenen, nimmt in den Urzeiten menschlicher Geschichte eine sehr hervorragende Stelle ein. Unter Tothmosis III. (1625-1577 v. Chr.) wurde es zuerst von ägyptischen Heeren betreten, hier war die nördlichste Grenze des grofsen ägyptischen Reiches. Aber noch weiter hinauf ragt die Bedeutung Armeniens, da der Garten Eden wegen der 4 Flüsse des alten Testaments hierher verlegt wird, und der Ararat durch den Erzvater Noah eine allgemeine, urgeschichtliche Bedeutung erlangt hat.

In Nachitschewan währte der Aufenthalt fünf Tage. Diese Stadt sieht, da nur die Häuser der wenigen Beamten aus Stein gebaut sind, wie ein durchstochener Erdhaufen aus. Zwei halbverfallne, minaretartige Thürme Ueberbleibsel aus der Seldschuckenzeit repräsentirten die morgenländische, mittelalterliche Baukunst in glänzendem

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