lage und der natürliche Mittelpunkt seines Wesens. Er sucht sie, weil er seine Leidenschaft befriedigen muß, ehe er wieder die Ruhe für sein Werk findet schmerzlich dumpf ahnt er die Zweiheit seines Wesens, den Widerstreit zwischen seinem von Sinneseindrücken und sinnlichen Gefühlen lebenden Naturell und seinem nie schweigenden dichterischen Gewissen, dem Bewußtsein seines Berufenseins. Die Stimmung des eben angeführten Briefes spricht aus dem Gedicht: Ode to Fanny: Physician Nature! let my spirit blood! O ease my heart of verse and let me rest; Of stifling numbers ebbs from my full breast. Zu seiner Qual muß er sich seine Geliebte im Ballsaal vorstellen; er sieht sie in verführerischem Glanz, wie andere sich an ihrer Schönheit weiden: Who now, with greedy looks, eats up my feast? What stare outfaces now my silver moon? Ah! keep that hand unravished at the least; Let, let the amorous burn But, pr'ythee, do not turn The current of your heart from me so soon, The quickest pulse for me. Aber er weiß, daß sie dies nicht tun wird: Must not woman be A feather on the sea Sway'd to and fro by every wind and tide? As blow-ball from the mead? Dies zu wissen, ist Verzweiflung; deshalb wiederholt der Dichter seine inständigsten Bitten, ihm wenigstens den Schmerz der Eifersucht zu ersparen, da die Liebe schon an sich Schmerzen genug mit sich bringt: Love, love alone, has pains severe and many: Then, loveliest, keep me free From torturing jealousy. In einem andern, kurzen Gedicht, das wahrscheinlich auch an Fanny gerichtet ist (This living hand, now warm and capable. . .) an den Rand des Manuskripts von The Cap aud Bells geschrieben, mahnt er sie, daß bald eine Zeit kommen wird, da seine warme, ihr hingereichte Hand im eisigen Schweigen des Grabes kalt sein wird und sie dann wohl wünschen würde, ihr eigenes Herzblut herzugeben, um rotes Lebensblut in seinen Adern pulsieren zu sehen, wenn dadurch ihr Gewissen Ruhe tände sie möchte also gleich jetzt seine hingereichte Hand ergreifen. Dann wieder strebt er nach seiner alten Freiheit; aus den letzten Monaten des Jahres 1819 stammen die Lines to Fanny: What can I do to drive away Remembrance from my eyes? for they have seen, Aye, an hour ago, my brilliant Queen! Touch has a memory. O say, love, say, What can I do to kill it and be free In my old liberty? How shall I do To get anew Those moulted feathers, and so mount once more Above, above The reach of fluttering Love And make him cower lowly while I soar. So zeigt Keats sich auch in seiner Liebe als ein Mensch, auf den sinnliche Eindrücke aufs stärkste einwirken, der durch die Heftigkeit seiner Gefühle nicht nur am scharfen Beobachten, sondern sogar am Weiterleben im Kreis seines eigentlichen Wesens gehindert wird und dessen persönliche Kraft zum Handeln zerstört wird durch die Gefühlswirkung seiner Eindrücke. Beiträge zur neueren Literaturgeschichte. I, 2. 4 Er kostet die Gefühle aus in allen ihren Schwankungen, ja Konflikten. Dies leitet uns zu der Betrachtung der eigenartigen Verschmelzung von Freude und Schmerz in seinem Empfinden, der eigentümlichen gemischten Gefühle, die diesen Virtuosen des Fühlens vor der Eintönigkeit bewahren. Die gemischten Gefühle bei Keats. In der romantischen Art des Empfindens oder, wie Schiller sagen würde, der sentimentalischen Dichtung, liegt eine Vereinigung entgegengesetzter Gefühle, woraus leicht eine innere Zerrissenheit und eine peinliche Selbstbespiegelung entsteht. Dieser Gefahr ist Keats entrückt, denn seine Gefühlskonflikte entspringen nicht der Reflexion, sondern sind teils physiologisch begründet, teils durch den unbewußten Verlauf seines an Empfindungen geknüpften Gefühlslebens gegeben. James Russell Lowell sagt von ihm: he could feel sorrow with his hands (The English Poets p. 267) und in der Tat finden wir bei Keats die physiologischen und die psychischen Erscheinungen vollständig miteinander verknüpft, sein Intellekt ist weniger grenzsetzend als bei irgend einem andern Dichter. Wir haben schon das Schwachwerden der Keatsschen Helden the passionate faintness erwähnt, wo das Gefühl der lebendigen Gegenwart des Geliebten gleichsam durch seine Intensität erstickend wird und die überstarke Wonne die zu feinen Saiten des Herzens zu zerreißen droht und sich in Schmerz wandelt wir sahen, daß Keats sich beinahe erleichtert fühlt bei dem Gedanken, daß Fanny erklären könnte, daß sie ihn nicht genug liebe, um auf das Leben in der geselligen Welt seinetwegen zu verzichten und daß es ihm dann vielleicht möglich sein würde, sie zu vergessen, wenigstens sich ihrem Zauber zu entziehen. Einer starken Freude ist sein empfindliches Gemüt nicht gewachsen; das Gefühl kann bei ihm so überwältigend werden, daß es, ganz abgesehen von seiner Qualität, ihm zur unerträglichen Pein wird so fühlt er sich schließlich den Aufregungen nicht mehr gewachsen, die Fannys Briefe ihm bereiten, und läßt sie uneröffnet. Schon im Endymion heißt es: "Tis the pest Of love, that fairest joys give most unrest; Is miserable . . . und II, 823/4: (Endymion II 365–372.) is grief contain'd In the very depths of pleasure? . In Isabella finden wir ähnliche Stellen; wir hatten schon Gelegenheit, einige anzuführen, z. B. Stanza XIII: But, for the general award of love The little sweet doth kill much bitterness; In Lamia I 193 nennt Keats die Wonne den Nachbarn des Schmerzes, wie er in dem Jugendgedicht an Byron dessen tale of pleasing woe gerühmt hatte. So bleibt anch Lycius nicht immer der schmelzende Liebhaber; als er die öffentliche Vermählung gegen Lamias Willen durchsetzt, heißt es: He thereat was stung Perverse, with stronger fancy to reclaim kontrastierender Gefühle ... (Lamia II 70–76.) Am reifsten tritt uns diese innige Verschmelzung die intuitiv erfaßte Verwandtschaft von Freud und Leid entgegen in der Ode to Melancholy (Complete Works II 121 ff.): No, no, go not to Lethe, neither twist Wolf's-bane, tight-rooted, for its poisonous wine; But when the melancholy fit shall fall And feed deep, deep upon her peerless eyes. Eine so feine psychologische Bemerkung, ein solches Auskosten des Schmerzes kann nur in einer äußerst zart organisierten Natur erlebt werden, in einem Künstlergemüt, das sich berauschen kann an den Melodien des Sturmes, der in der eigenen Seele tobt. Die symbolistischdekadente Empfindungsweise eines Maeterlinck, eines |