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Die Vorstellung ist bei weitem nicht so klar und ins einzelne gehend, dagegen zeigt sich ein intensives Gefühl für die Stimmung des Gesamteindrucks. Die Empfindung wird sozusagen direkt, noch in ihrer Vereinzelung, ehe sie sich in größere Begriffszusammenhänge eingefügt hat, dichterisch verwertet kraft der ihr schon in ihrer Vereinzelung bei Keats zukommenden Gefühlsintensität.

Wir werden nun untersuchen, wie es Keats möglich war, schon die einzelne Empfindung mit solcher Gefühlsintensität aufzufassen, und gehen nun dazu über, den

Gefühlston der Empfindung bei Keats

zu betrachten.

Das Auffallendste in der Keatsschen Dichtung ist der starke physiologische Einschlag. Nicht das Sinnliche, soweit es in der Aufnahme äußerer Eindrücke besteht, sondern das körperliche Element, die Empfindung eines inneren, physiologischen Zustandes ist es, was die Wärme und Intensität seiner Lyrik bewirkt. Deshalb sagt Brandes von ihm (Hauptströmungen S. 157): „Sollte ich seine Naturmalerei mit derjenigen Wordsworths vergleichen, so würde ich sagen: Dieser führt uns in die wirkliche Flora hinaus, aber bei Keats treten wir in ein Treibhaus: eine milde, feuchte Wärme strömt uns entgegen, bunte Blumen und safttriefende Früchte begegnen unserem Auge, und schlanke Palmen, durch deren Zweige kein unsanfter Wind zu sausen vermag, bewegen nickend ihre langen, breiten Wedel." - Es ist eben der körperliche, nicht der psychische Teil der Empfindung allein, der sich in Keats' Gedichten ausspricht, daher die unglaubliche Wärme und Verfeinerung innerhalb der Sphäre der Empfindung und des mit ihr direkt verknüpften Gefühls selbst, ehe der Übergang der Empfindung in gedankliche Zusammenhänge stattgefunden hat. Alles Intel

lektuelle wird verschmäht, wenigstens nur in einer körperlichen Rückwirkung dargestellt. Die Empfindung fließt. sozusagen von der äußeren Natur in den Dichter über und dies Wahrnehmen, nicht die Wahrnehmung, ist der Genuß, den die Natur bereitet. Sehen wir z. B., wie Keats die Waldeinsamkeit darstellt, Endymion I 79-88: Paths there were many,

Winding through palmy fern, and rushes fenny,
And ivy banks; all leading pleasantly

To a wide lawn, whence one could only see
Stems thronging all around between the swell
Of turf and slanting branches: who could tell
The freshness of the space of heaven above,
Edg'd round with dark tree tops? through which a dove
Would often beat its wings, and often too
A little cloud would move across the blue.

Wenn wir die Vorstellungen analysieren, die wir beim Lesen dieser Stelle in uns erzeugen, so finden wir nicht nur ein Bild dieses rasigen Waldplätzchens, sondern auch in irgend einer, vielleicht etwas abgeschwächten Form die Vorstellung unserer selbst in dieser Umgebung, den körperlichen Zauber dieser Waldeinsamkeit genießend. Hier ist verwirklicht, was Herder verlangt (Vom Gefühl des Schönen und Physiologie überhaupt, Suphansche Ausg. Bd. VIII, Studien und Entwürfe zur Plastik S. 99): „Der kühle Zephyr und der erwärmende Sonnenstrahl und der den Baum durchwehende Wind und der duftende Blumenteppich muß uns kühlen, uns erwärmen, uns durchrauschen; dann fühlen wir die Natur." So finden wir bei Keats einen förmlichen Hunger nach Eindrücken für alle Sinne: wechselnde Formen und Linien, Farbenpracht, Klänge und Töne, und daneben auch Eindrücke für die Sinne, die den Dichter sonst weniger beschäftigen, die aber wegen ihrer viel unmittelbareren Wirkung auf die physiologische Stimmung von Keats besonders bevorzugt werden, obgleich sie keine so

deutliche Vorstellung erlauben - Töne, Gerüche, Wärmeund Kälteempfindungen.

Gleich das erste Gedicht in dem Bande von 1817, der „kurze Endymion" mit der Anfangszeile: I stood tip-toe upon a little hill möge diese Behauptung rechtfertigen. Da heißt es z. B.:

There crept

A little noiseless noise among the leaves,

Born of the very sigh that silence heaves.

Wie unnachahmlich ist die physiologische Stimmung des Schweigens in der Natur, des leisen noiseless noise wiedergegeben! Und das Gefühl der Befreiung, das eine weite Aussicht gewährt:

There was wide wand'ring for the greediest eye,

To peer about upon variety:

Far round the horizon's crystal air to skim,
And trace the dwindled edgings of its brim;
To picture out the quaint, and curious bending
Of a fresh woodland alley, never ending;
Or by the bowery clefts, and leafy shelves,
Guess where the jaunty streams refresh themselves.
I gazed a while, and felt as light, and free

As though the fanning wings of Mercury

Had play'd upon my heels: I was light-hearted...

Dann das Aufgehen in der Natur, das völlige Einfühlen in dem Bilde:

And clumps of wood-bine taking the soft wind

Upon their summer thrones.

Das ist nicht die malerische Anschauung Wordsworths, sondern eine ganz eigene Intensität des sinnlichen Lebensgefühls, des Sichempfindens in allem, was die Natur den Sinnen darbietet. Dieselbe naive Beseelung läßt die Windungen der jungen Erbsenranken wie das Umhertasten der Kinder erscheinen:

Sweet peas with

... taper fingers catching at all things
To bind them all about with tiny rings.

In diesem ganzen Gedicht lebt alles in einer Atmosphäre von Freude am Leben selbst. Die menschliche Energie, die sich im Wirken äußert, erscheint gänzlich ausgelöscht, sie geht auf in einer Verschärfung und einem Auskosten der Empfindung, so daß sich das ganze Leben zu einem reinen Aufnehmen gestaltet. Keine Umdeutung, außer in der natürlichen Richtung der Einfühlung und Beseelung, keine Reflexion, kein Einordnen in ethische oder philosophische Zusammenhänge; der Vorgang bleibt rein ästhetisch, fühlbar, selbst im Material, das der ästhetischen Bearbeitung unterliegt; Keats gibt uns gleichsam den Vorgang der Empfindung mit seinem intensiven Gefühlston in seiner Aktualität selbst. Darin liegt sein Zauber, seine Größe und seine Schwäche. Victor Hugo z. B. sieht die Natur als ein Rätsel an; er fragt sie, sie antwortet in einer Sprache von geheimnisvoller Schönheit, aber sie ist nicht Selbstzweck, der Dichter sucht hinter ihr Ideen, die sie darstellen soll. Bei Keats hat die Natur kein Geheimnis sie träumt, sinnt und fühlt verständlich, ohne daß der Gegenstand dieses Träumens, Sinnens, Fühlens etwas zu bedeuten braucht. Die Natur empfindet, was er empfindet: the luxury of sensation; die Rätsel der Natur lösen sich. in sinnliches, träumerisches Wohlbehagen auf, wie bei den kleinen Fischen,

Staying their wavy bodies 'gainst the streams
To taste the luxury of sunny beams

Tempered with coolness.

Deshalb ist das vegetative Leben, beseelt gedacht, für ihn eine immer frische Quelle reinster Empfindung. So erzählt auch Houghton (Life and Letters p. 273) von ihm: „In one of those mental voyages into the past, which often precede death, Keats had told Severn that he thought the intensest pleasure he had received in life was in watching the growth of flowers; and another time, after lying a

while still and peaceful, he said, 'I feel the flowers growing over me."

Wie weiß Keats die Sinneseindrücke in den Bereich künstlerischer Empfindung zu erheben; man sehe die Strophe aus der Ode to a Nightingale:

O, for a draught of vintage! that hath been
Cooled a long age in the deep delved earth,
Tasting of Flora and the country green,
Dance, and Provençal song, and sunburnt mirth!
O for a beaker full of the warm South,
Full of the true, the blushful Hippocrene,
With beaded bubbles winking at the brim,
And purple-stained mouth; -

und die Zeilen im Endymion I 441–451:

[blocks in formation]

So cool a purple: taste these juicy pears,
Sent me by sad Vertumnus, when his fears
Were high about Pomona: here is cream,
Deepening to richness from a snowy gleam;
Sweeter than that nurse Amalthea skimm'd
For the boy Jupiter: and here, undimm'd
By any touch, a bunch of blooming plums

Ready to melt between an infant's gums.

Man vergleiche die Strophen XXX und XXXI in The Eve of St. Agnes, wo Porphyro ein feenhaftes Mahl für seine Geliebte herrichtet, ebenso die Schilderung im Fall of Hyperion, a Dream I 28-36:

On a mound

Of moss, was spread a feast of summer fruits,
Which, nearer seen, seem'd refuse of a meal

By angel tasted or our Mother Eve;

For empty shells were scatter'd on the grass,
And grape-stalks but half bare, and remnants more
Sweet-smelling, whose pure kinds I could not know.
Still was more plenty than the fabled horn
Thrice emptied could pour forth at banqueting.

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